Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

  • Ich freue mich übrigens über jeden Kommentar in diesem Thread. Es bereitet mir grosse Freude, dass der Bericht gefällt!


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    Tag 5: Der schwarze Strand



    Ich folgte am Rand der Strasse entlang in die Richtung zu dem Café, welches ich bereits beim Vorbeifahren vom Fenster des Bus aus sah. Es war ein kalter und regnerischer Samstag Morgen, ein noch junger Samstag Morgen. Zumindest für jemanden, der sich eigentlich im Urlaub befindet. In grossen Abständen brausten einzelne Fahrzeug an mir vorbei.



    Bald befand ich mich vor diesem Café, welches zu einem Campingplatz zu gehören schien. Dieser lag in der Nähe des Seljalandsfoss. Ich legte meinen Rucksack vor dem Eingang ab und betrat das Gebäude. Innen herrschte bereits reger Betrieb. Kurz nach Betreten stand ich mehreren Waschmaschinen und Tumbler gegenüber, in denen gerade Klamotten in hohem Tempo herumgewirbelt und gewaschen wurde. Eine Tür führte mich zu dem eigentlichen Café. Ich ging zu den Tresen und bestellte mir ein Stück Kuchen und einen Kaffee - der Konsum dieser zwei Komponenten in Kombination könnte auf Island echt noch zur Gewohnheit werden! Als ich erst auf Schlagsahne zum Kuchen verzichten wollte und die Frage des Verkäufers danach verneinte, hob dieser allerdings mit vielsagendem Blick die Augenbrauen und meinte, der Kuchen wäre ohne nur halb so gut. Ich willigte ein - und hatte prompt mehr Schlagsahne auf dem Teller als Kuchen. „Nun denn!“, dachte ich mir und setzte mich - direkt zu meiner nächsten Überraschung - an eine ehemalige Werkbank, vollgekleckst mit eingetrockneter Farbe und unzähligen Löcher und Schrammen, die hier in diesem Café als Tisch fungierte. Der Einfallsreichtum der Isländer schien gross zu sein.
    Nach kurzer Zeit kam ich ins Gespräch mit einem Schweizer Pärchen. Tatsächlich schien Island das ultimative Ziel für Paare zu sein. An jeder Ecke gab es Vermählte oder solche, die es bald werden wollen.
    Diese zwei waren jedoch von der härteren Sorte, sie planten nämlich sich oberhalb von Skaftafel auf eine Bergtour über2000m zu begeben. Sie seien schon vor über 10 Jahren das erste Mal in Island gewesen und hätten sich damals sofort in dieses Land verliebt. Angezogen von der positiven Mentalität der Bewohner und der wunderschönen Natur, sei dies nun ihr fünfter Island-Trip. Auf meine Frage, ob das Wetter immer eher kalt und regnerisch sei, auch im Monat Juni noch, winkten sie ab. Sie hätten dies so auch noch nicht erlebt, bei ihrem letzten Aufenthalt soll gar eine Woche lang die Sonnen geschienen haben.
    In Anbetracht meiner bisher erlebten Wettersituationen hier schien das fast schon unglaubwürdig. Wir liessen das Gespräch ausklingen mit ein paar Diskussionen über Zelte und Ausrüstung.


    Beim Warten auf den Anschlussbus, welcher mich weiter der Südküste entlang fahren würde, kam ich zum ersten Mal zur Gelegenheit, auf das Internet zurück zu greifen. Auf dem iPad des Schlagsahne - Maniac schaute ich mir kurz das Wetter für die nächsten Tage an und musste ziemlich ernüchtert akzeptieren, dass es eher schlechter würde. Für Montag schien eine riesige Regenfront über die Insel zu ziehen. Von Sonne weit und breit keine Spur - ausser im Norden. Doch da war ich noch länger nicht. Ich malte mir schon aus, dass das gute Wetter wohl dann im Süden ist, wenn ich im Norden bin und umgekehrt. Ich verliess das Café bald und fuhr dann mit dem Bus weiter. Ich traf auf alte Bekannte: Das polnische Pärchen war ebenfalls hier und peilte die Weiterreise an.


    Im Bus selbst lehnte ich mich erstmal zurück und war froh, an der Wärme zu sein. In Skogar gab es die erste Pause. Ich stieg aus und betrachtete den Wasserfall erneut. Eindrücklich, hier startete ich vor zwei Tagen meine Wanderung nach Þórsmörk!
    Eine Stunde später befand ich mich bereits in Vik. Während dem Aussteigen wies die Stimme der Audio - Guide darauf hin, dass es gefährlich wäre sich zu nahe am Wasser aufzuhalten, da der Meeresspiegel überraschend rasant steigen könne. Die Haltestelle war direkt an einer Tankstelle, ausgestattet mit einem Shop sowie einem Fastfood Restaurant. In Letzteres begab ich mich gleich nach der Ankunft und ass für einen moderaten Preis einen leckeren BBQ-Burger.
    Nebenbei kaufte ich noch Rührkuchen aus deutscher Manufaktur sowie ein paar Snacks.



    Danach begab ich mich zum Zeltplatz. Das Wetter war trüb und neblig geblieben. Immer wieder fiel leichter Nieselregen. Nach bloss 10 Minuten befand ich mich bereits auf dem Campingplatz. Dieser gefiel mir jedoch überhaupt nicht. Hier hatte es richtig viele Touristen, auf dem Weg zum Campingplatz lief ich sogar an einem neu gebauten Hotel vorbei. Der Aufenthaltsraum dieses Platzes glich eher einem Provisorium, ausgestattet mit billigem und hässlichem Interieur. Ziemlich schlecht gelaunt stellte ich mein Zelt auf.
    Nun war ich beim zweiten Tiefpunkt meiner Reise angelangt. Was würde ich nun überhaupt hier tun? Ich fühlte mich eingepfercht zwischen Touristen und stark abhängig von dem Busfahrplan. Auf dieser Strecke fuhr nämlich bloss einmal pro Tag ein Bus. Wenn wenigstens die Sonne scheinen würde und das Licht somit ein wenig interessanter zum Fotografieren werden würde.
    Ich legte mich in mein Zelt, welches ich in diesem Moment mal wieder nicht wirklich mein Freund war. Am liebsten hätte ich es auf den Mond geschossen. Ich versuchte zu lesen, doch sofort überfiel mich eine matte Müdigkeit. Trotzig schlief ich ungefähr zwei Stunden und erwachte völlig konfus durch lautes Stimmengewirr, welches aus der Nähe meines Zeltes erklang.
    Ich spähte hinaus und sah einige Jugendliche, welche gleich neben mir einen riesigen Pavillon aufbauten. Schienen von hier zu sein! Ich schloss mein Aussenzelt wieder und legte mich erneut auf die Matratze, versuchte meine Gedanken zu ordnen.
    Mir fiel es schwer, einen Entschluss zu fassen und aufzustehen. Ich ass ein wenig von meinem Rührkuchen und las weiter in meinem Buch.


  • Als es dann bereits 16 Uhr war, überwand ich meine Trägheit und stand auf.
    Das war der Nachteil des Reisens auf eigene Faust: Ich musste ständig auf trab sein und mich selbst motivieren, dies und das zu tun, alles genau zu planen und umzusetzen. Nie gab es jemanden nebst mir, der einen Impuls lieferte und nie konnte ich mich einfach treiben lassen.
    Ich kleidete mich an und packte meinen Tagesrucksack. Kamera, Regenjacke, Buch und Trinkflasche, sowie meine Schwimmsachen. Bereits im Vorhinein sah ich auf meinem GPS, dass es hier ein Schwimmbad sowie auch einige Wanderwege gibt. Ich machte mich auf und verliess den Campingplatz. Vik schien tatsächlich nicht allzu gross zu sein. Angrenzend zum Meer bildete sich ein Gebirgszug. Der Weg hoch war schon von weitem sichtbar, hin- und wieder fuhr gar ein Auto hoch. Dies sollte mein Ziel sein für heute. Ich war neugierig, was es wohl oben zu sehen gibt.


    Als ich auf dem Gehsteig lief, fiel mir eine mit Kapuze verdeckte Gestalt auf der anderen Strassenseite auf. Bald wechselte sie die Strassenseite und befand sich nun vor mir. Ich war mir nicht sicher, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Die Kleider waren schienen alle zu gross zu sein, die Jacke reichte fast bis zu den Knien. Schliesslich drehte sich die Gestalt um und ich blickte in das Gesicht einer Frau. Sie war ungefähr Mitte zwanzig, das Alter liess sich nicht bestimmen. Ihre Haare waren durcheinander und einzelne Fältchen waren sichtbar, die Augen jedoch starrten mich aufmerksam an. Wir führten eine Unterhaltung und sie erzählte, dass sie in London wohnen würde und hier für zwei Wochen in einer Pension arbeite als Allrounder.
    Sie fühle sich hier wie zu Hause und möchte so bald wie möglich auf Island ansiedeln.
    Als ich erwähnte, dass ich drei Wochen auf der Insel herumreisen würde, erntete ich einen neidischen Blick. Das Gespräch bot sonst kaum interessanten Inhalt und flachte bald ab. Ich brachte die Öffnungszeiten des Schwimmbades in Erfahrung und bekam einige Informationen über meine geplante Wanderung. Ich überlegte mir, ob ich die Frau einladen soll, sich meiner Wanderung anzuschliessen, sah aber dann darüber hinweg.
    Ich verabschiedete mich und ging Richtung Schwimmbad. Meine Laune hatte sich nun deutlich gebessert. Dieses Gespräch hatte einen positiven Effekt auf mich und zeigte mir auch, dass es ein Privileg war, einfach mal so drei Wochen auf der Insel herumzureisen.



    So lief ich also einiges motivierter durch die Strassen von Vik. Ich beobachtete eine Gruppe von Leuten, welche im Garten einen Apéro abhielten. Sah so aus, als würde es sich um eine Hochzeit handeln. Die Menschen waren tief in Gespräche verwickelt, alles schien in einer äusserst lockeren Atmosphäre zu geschehen. Ich gelangte an einem Fussballfeld vorbei.Hier wurde von mehreren Leuten fleissig das Fliegen eines Gleitschirmes geübt. Auf der Strasse spielten mehrere Jugendliche Fussball.
    Als ich dann schliesslich vor dem Schwimmbad einen Abstecher zum Meer machte und mit langsamen Schritten auf dem Strand aus Lava zum Wasser lief, wurde mir auch klar, woher die Bewohner hier ihre Gemächlichkeit nahmen: Der weitläufige Strand, die klare Sicht auf das offene Meer und die markanten Felsen an der rechten Uferseite. Links führte ein Weg aus Steinen weit hinaus in das Meer. Alles strahlte eine ungemeine Ruhe aus, welche man in vollen Zügen uneingeschränkt aufnehmen konnte. Ich lauschte dem Rauschen des Meeres und schloss für einen Moment die Augen, während ich die reine, leicht salzig riechende Luft tief einatmete. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Wie schön es hier doch war!


    Ich wandte mich bald ab und ging endgültig Schwimmen. Für lasche 200 ISK war man dabei. Das Schwimmbad war zwar nicht allzu gross, dafür gab es hier keine Touristen. An das komplette Ausziehen und nackt duschen musste ich mich erst noch gewöhnen - fast wäre ich nämlich ohne Badehose nach draussen zum Schwimmbereich gegangen. Dafür erntete ich ein gutmütiges Lächeln eines Isländers. Draussen setzte ich mich in einen Hot Pot und genoss das Bad.



    Als ich fertig war, brach ich gleich auf und lief in die Richtung des Berges.
    Der Aufstieg war nicht wirklich anstrengend. Trotzdem befand ich mich nach ungefähr 30 Minuten laufen bereits auf einer beachtlichen Höhe und konnte einen irrsinnigen Ausblick geniessen.


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    Ich fand einen kleinen Vorsprung direkt an der Felswand, welche steil runter bis auf Meereshöhe führte. An dieser Felswand gab es unzählige Vögel, die hier brüteten. Von den populären Puffins, oder Papageientaucher zu gut deutsch, hatte ich jedoch noch keine entdeckt. Hier gefiel es mir ausserordentlich gut.



    Man konnte ganz Vik und Umgebung überblicken, hörte trotzdem noch das Rauschen des Meeres und konnte die zahlreichen Spaziergänger am Strand beobachten, welche wie Punkte dahinwanderten. Ich setzte mich an einen Stein und verweilte für längere Zeit.



    Ganz oben des Weges gab es dann eine Art Hochplateau, welches sich über einige wenige Kilometer erstreckte. Hier weideten Schafe und es gab eine Funkanlage, welche laut Touristenbroschüre noch aus dem zweiten Weltkrieg stammte, gebaut von dem US-amerikanischen Militär. Die Schafe waren äusserst schreckhaft und fliehten sofort vor mir, als sie mich erblickten.



    Ich genoss die Ruhe und den herrlichen Ausblick, ehe ich mich wieder auf den Rückweg machte. Die Geräusche der Vögel waren hier teilweise ganz schön verrückt - und vor allem ungewohnt. Es gab eine Vogel-Art, dessen Zwitschern wie das Geräusch eines digitalen Weckers klang.
    Als ich zurück war bei meinem Zelt, war es bereits nach sieben Uhr Abends. Ich kochte mir Pasta und legte mich bald schlafen. Morgen würde es dann weiter nach Skaftafell gehen.

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    Tag 6: Schlafplatz mit Seesicht
    Ich würde gerne anders anfangen in diesem Teil, doch meine Erzählung beginnt wieder einmal damit, dass ich mich im Bus befinde, diesmal in Richtung Skaftafell. Mit einem Blick rechts aus dem Fenster kann man in einiger Kilometer Ferne bereits den Vatnajökull, den grösste Gletscher Europas bestaunen. Seine Grösse ist in der Tat enorm, bedeckt er doch 8% der Fläche Islands.
    Inzwischen hatte ich das Busfahren ein wenig satt. Vor allem, weil mein Bus erst um zwei Uhr Nachmittags ab Vik losfuhr. Ich verbrachte den Morgen damit, am Strand zu sitzen und in meinem Buch zu lesen.



    Dabei hatte ich doch tatsächlich noch einen Papageientaucher gesehen! Es handelte sich aber eher um einen Zufall - ich hatte die lustigen Vögel nämlich keinesfalls gesucht. Doch als ich da so am Meer sass, schoss plötzlich der Kopf eines Puffins aus dem Wasser, verschwand kurz darauf wieder. Dieses Schauspiel wiederholte sich zu meinem Vergnügen einige Male.
    Das Wetter war bis zur Abfahrt windig, der Himmel wolkenverhangen.
    Je weiter der Bus jedoch fuhr, desto besser wurde das Wetter.



    Nun sehnte ich mich nach einem erneuten Abenteuer, einem Erlebnis abseits der strikten Bus-Route. Zusätzlich empfand ich es als störend, dass die Polen nun ständig genau den gleichen Verlauf der Reise hatten wie ich und somit „musste“ man aus purer Höflichkeit immer wieder miteinander reden. Ich glaube, sie dachten ungefähr dasselbe. Die Anonymität ging also ein wenig verloren. Um mich nicht falsch zu äussern: Ich mochte das Pärchen eigentlich sehr und war sehr froh, sie als Gefährten zu haben bei der Wanderung, doch damit hatte es sich auch.
    Natürlich, andererseits war es stets in meiner Macht, die Chronologie der Ereignisse meiner Reise zu steuern. Doch ehrlich gesagt hätte ich nicht gewusst, was ich alleine einen weiteren Tag in Vik machen hätte sollen - bis zum nächsten Tag um 14 Uhr. 48 Stunden für eine solch kleine Ortschaft ist zu grosszügig bemessen.
    Zudem spekulierte ich immer noch darauf, meine Wanderung nach Landmannalaugar in der letzten Woche durchzuführen, somit wollte ich auch nicht zu viel Zeit verlieren und pünktlich zurück sein in Reykjavik.



    Die Fahrt nach Skaftafell dauerte genau zwei Stunden. Der nervige Audio - Guide mit Informationen für Touristen war auf dieser Route bereits nicht mehr in Betrieb. Stattdessen liess der korpulente Busfahrer, welcher bloss noch ein paar wenige blonde Haare auf seinem Haupt besass fröhliche deutsche Ballermann-Hits laufen. Er wippte dazu in seinem Sessel im Rhythmus mit und trällerte hin- und wieder den Gesang mit in einer eigenartiger, aber amüsanten Aussprache.
    Um 16 Uhr erreichte der Bus dann das Ziel. Ich stieg aus und machte mir ein Bild von diesem Ort. Wobei es sich hier nicht etwa um eine Ortschaft handelte, sondern bloss um einen Campingplatz, welcher umzingelt war von Hütten in denen Gletscher-Touren angeboten wurden. Der Campingplatz selbst wirkte indes sehr modern. Es gab ein grosse Verpflegungscenter, neu sanierte Toiletten und Duschen sowie eine grosszügige Kantine, in welcher frische Menüs angeboten wurden.
    Ich checkte den Wetterbericht, welcher in Form eines Blattes an die Scheibe des Gebäudes geklebt war. Das Unwetter verzögerte sich um einen Tag - es war nun für Dienstag angekündigt. Zumindest hier in der Region Skaftafell würde es erst Dienstags regnen.
    Als ich in der Kantine sass und ein Lachs-Sandwich verdrückte, wurde schnell klar: Hier würde ich auf keinen Fall bleiben. Es sah alles langweilig - touristisch aus und ich hatte keine Lust, mich auf eine Gletschertour zu begeben. Der Entschluss, den letzten Bus zum Jökulsarlon zu nehmen schien am meisten Sinn zu machen in dieser Situation. Dort würde ich am Gletschersee mein Zelt aufschlagen. Abseits von jeglichen Touristen. So zumindest meine Vorstellung.



    Ich hatte noch ungefähr eine Stunde Zeit, welche ich nutzte um einen kleinen Fussweg bis zur Gletscherzunge zu gehen. Meinen Rucksack deponierte ich einfach vor dem Camping-Gebäude. Das Vertrauen meinerseits in die Unschuld der Touristen und Isländer war riesig und bisher wurde ich nie enttäuscht. Kriminalität schien es hier nicht zu geben. Zudem war es oft normal, sich beim einfachen Vorbeigehen höflich zu begrüssen. Die Menschen schienen hier tatsächlich in eine Art Harmonie zu finden, welche sich auch auf den Umgang miteinander auswirkte. Ich beobachtete dies auf meiner Reise ständig und war sehr erfreut darüber.
    Vorne angekommen, bot sich mir das Bild eines kleinen Sees und des dahinter liegenden Gletschers. Klar, das war ganz eindrücklich, langweilte mich aber trotzdem irgendwie. Ich bahnte mir den Weg zwischen einer Gruppe Touristen, welches sich gerade gegenseitig vor dem Gletscher fotografierte.


    Als ich den Bus erreichte, stand ein alter Bekannter vor dem Bus: Der korpulente Isländer mit Faible für deutsche Ballermann-Musik! Er fragte mich, wohin ich wollte und ich zeigte ihm darauf meinen Bus-Passport. Als mein Gepäck eingeladen war, stieg ich ein.
    Bisher war ich der einzige im Bus, und dies sollte auch so bleiben: Wenig später verliess der Bus Skaftafaell und begab sich zurück auf die Ringstrasse nach Jökulsarlon. Auf dem Weg kam ich wieder in den Genuss von deutscher Schlagermusik. Ich sprach den Fahrer darauf an und er erzählte mir enthusiastisch, dass er schon einmal in Frankfurt war und da diese Musik entdeckte. Den Namen Frankfurt sprach er witziger Weise „Brankburt“ aus, da in der isländischen Sprache das „F“ als „B“ ausgesprochen wird. Er lobte Deutschland in den höchsten Tönen und fragte mich interessiert, ob ich etwa von da komme. Als ich seine Frage, ob ich die Musik auch mögen würde bejahte, stellte er das Radio noch lauter und wippte noch wilder auf seinem Sessel herum.
    „Das wird die längste Nacht der Welt“ schepperte aus den Lautsprechern und ich fand dies ganz passend für mein Vorhaben am Jökulsarlon zu zelten. Meine Laune besserte sich und ich war froh, diese Entscheidung getroffen zu haben.
    Hinzu kam, dass das Wetter nun merklich besser wurde und mein Gesicht durch die Strahlen der Sonne erwärmt wurden.



    Als wir auf den Parkplatz vor dem Gletschersee einbogen, war ich erstmal völlig aus dem Häuschen, nun tatsächlich hier zu sein. Ich stieg aus und ergriff mein Gepäck, platzierte es vor dem Café und setzte mich kurz. Wie oft hatte ich das Bild der Webcam, welche auf dem Dach des Café‘s befestigt war und diese Kulisse hier aufzeichnete, zu Hause im Internet betrachtet! Nun befand ich mich tatsächlich hier. Dazu schien auch noch die Sonne in einem schönen abendlichen Licht und der Himmel war trotzdem noch bewölkt, was eine attraktive Lichtstimmung ergab. Ich schoss viele Fotos. Das vom Gletscher abgebrochene Eis auf dem See mündete in einen Fluss und gelangte dann in gemächlichen Tempo ins Meer, wo es bald erfasst wurde von den einiges wärmeren Wellen. Ein unglaubliches Naturspektakel.



    Nebenbei gab es hier unzählige Vögel, welche im Wasser fischten. Immer wieder hörte man, wie frisches Eis von der Gletscherzunge am Ende des einigen Kilometer langen Sees abbrach und mit dunklem Grollen ins Wasser fiel. Dazu war ein andauerndes Tropfen aus allen Richtungen zu vernehmen - das schwimmende Eis schmolz schliesslich durch die wärmeren Temperaturen von Luft und Wasser.
    Im Internet hatte ich über ein Verbot gelesen, welches Zelten direkt am Gletschersee untersagt. Ich konnte jedoch das angekündigte Verbotsschild nirgends finden. Trotzdem wollte ich vorerst zum Breidarlon wandern, ein anderer Gletschersee in 10km Entfernung.


  • Am Jökulsarlon entlang wandernd stiess ich auf keine Menschenseele mehr. Bald änderte ich meine Pläne. Es war schon nach acht Uhr abends und der Tag war, trotz geringer Aktivität ganz schön anstrengend. Als ich einen schönen Fleck voller Moos fand, baute ich da mein Zelt auf, natürlich mit Sicht direkt auf den See!
    Genüsslich legte ich mich in das Zelt. Die Sonne stand nun schon dicht am Horizont und hüllte alles in ein gelb-orange schimmerndes Gewand. Ich konnte mein Glück kaum fassen; meine Spontanität trug einmal mehr saftige Früchte!
    Während ich Nachtessen kochte und in meinem Buch lies, blickte ich immer wieder fasziniert aus dem Zelt und beobachtete, wie die Stärke der Sonne langsam abnahm. Weit weg von hier hatte es viele dunkle Wolken. Ich hoffte auf die Zuverlässigkeit des Wetterberichtes.
    Ich schlief ein, begleitet durch das Tropfen von Wassers und dem Krachen des Eises, sowie den wenigen kreischenden Vögel. Was andere Menschen in der Stadt zum Entspannen als CD hörten, konnte ich hier live in unbegrenzter Ausführung lauschen.



    Die Angst davor, etwa von hier vertrieben zu werden, existierte eigentlich gar nicht. Schliesslich würde ich der Natur ja nicht schaden und meinen ganzen Krempel wieder mitnehmen. Der Landschaden würde minimal sein.



    [SIZE=3]Tag 7: Unter Attacke![/SIZE]


    Am nächsten Morgen wurde ich um 10 geweckt durch das laute Dröhnen von Motoren. Wahrscheinlich handelte es sich um Boote, welche auf dem See herumfuhren und mit Touristen Exkursionen durchführten. Ich streckte meine Glieder und stand gemächlich auf, natürlich nicht ohne vorher einen Behälter mit Cornflakes zu essen. Ich räumte alle meine Sachen auf, wusch das Geschirr und packte meinen Rucksack. Das Wetter hatte sich verschlechtert, die Sonne schien nicht mehr und es sah nun eindeutig nach Regen aus. Das Packen meines Rucksackes funktionierte inzwischen schon recht gut. Ich wusste, wo was hingehörte und gar der Schlafsack war innerhalb einer Minute verpackt.
    Heute war übrigens isländischer Nationalfeiertag! Ich war gespannt, wie viel ich davon mitkriegen würde. Der Bus-Betrieb zumindest schien meinen Informationen nach ganz normal von statten zu gehen. Ich hatte nun bis 16 Uhr Zeit, denn erst da fuhr der nächste Bus nach Höfn, meiner nächsten Station. Ich wollte die Wanderung, auf welche ich gestern verzichtet habe heute nachholen und zum Breidarlon trekken.



    Nach wenigen Minuten des Gehens schwirrten jedoch ungefähr 3 Fliegen um mein Gesicht herum. Sie waren unglaublich hartnäckig, angezogen durch den Duft meines Körpers kamen sie immer wieder und wollten mir mitten ins Gesicht sitzen.
    Auch wenn ich versuchte loszurennen, war ich innert kürzester Zeit wieder von Insekten umgeben. Ich hatte keine Angst vor Fliegen - empfand es aber als äusserst lästig. Ich marschierte jedoch weiter und folgte meiner Wanderroute, wobei ich auf einen in ungefähr 12 Stücke gleichmässig gesprengter Stein stiess - ein interessanter Anblick. Ob dies unter dem Einfluss eines Erdbebens geschah?


    Auf dem weiten Feld vor mir konnte ich mehrere grössere Vögel erkennen. Sie schiene friedlich zu sein und sassen einfach da, hin- und wieder flog einer los.
    Plötzlich jedoch kreiste einer von diesen Vögel über mich und liess sich nach einigen Umdrehungen im Sturzflug auf mich fallen! Erschrocken warf ich mich zu Boden, rappelte mich aber sofort auf und blickte wild umher. Ich hörte ein Krächzen und fühlte einen Luftzug direkt über meinem Kopf! Mein ganzer Körper zuckte zusammen, ich beobachtete den Vogel im steigenden Flug.
    Nebst Fliegen wurde ich nun auch von Vögeln verfolgt! Ich rannte los und versuchte ihn abzuhängen. Er flog noch zwei Mal um Haaresbreite über meinen Kopf hinweg und liess dann ab.
    Ich hatte sowas nie erlebt und es veränderte meine Ansicht über Vögel grundlegend. Während diese in meiner Heimat kaum schüchterner sein können, waren sie hier wohl alles andere als an den Menschen gewöhnt. Diese Art hatte immerhin eine Flügeltragweite von ungefähr einem Meter! Mein Herz klopfte ziemlich arg und ich überlegte mir, was ich tun soll. Die Ringstrasse war bloss etwa einen Kilometer entfernt und ich entschied mich wenig später, auf diese zurückzukehren. Auf dem Weg musste ich noch mehreren Vögeln ausweichen. Dann hatte ich es geschafft und befand mich zurück auf der Ringstrasse. Hier gab es wenigstens nur noch Fliegen. Ein wenig belämmert noch von meinem Erlebnis trabte ich dem Strassenrand entlang.


    Als ich wieder beim Parkplatz war, setzte ich mich gleich in das Café. Inzwischen hatte Regen eingesetzt. Ich nahm ein Stück Schokoladenkuchen und trank eine Tasse Kaffee.
    Nun musste ich 6 Stunden hier warten! Ich überprüfte meine Möglichkeiten, etwa um früher hier weg zu kommen und entschied mich, es per Anhalter nach Höfn zu versuchen.



    So stellte ich mich bei der Brücke an den Strassenrand, hielt den Daumen raus und versuchte den sympathischsten Gesichtsausdruck der Welt zu machen, eine Mischung aus Lustigkeit, Fröhlichkeit und vertrauenswürdiger Formierung der Augenbrauen.
    Nach ungefähr einer Stunde brach ich meinen Versuch erfolglos ab. Leider kamen praktisch nur Touristen vorbei, welche entweder überhaupt nicht anhielten, zu wenig Platz hatten oder nicht nach Höfn fuhren. Ich vermutete, dass durch den Nationalfeiertag die Einheimischen kaum unterwegs waren.


    Ich kehrte also zum Café zurück. Wenig später sah ich aus Zufall, dass eben ein Bus der Strætó auf dem Parkplatz einbog. Dies war die selbe Busgesellschaft, welche das Busnetzwerk von Reykjavik unterhält. So wie es schien, war dieser Bus eigentlich eher für Einheimische gedacht.
    Ich zögerte nicht lange und kaufte mir ein Ticket nach Höfn. Der Preis war es mir wert diese drei Stunden des Wartens zu ersparen. Auf der Fahrt wechselten sich Sonnenschein und Regenschauer mehrmals ab. Die Fahrt dauerte nur gut eine Stunde. Bei Höfn handelte es sich um eine weitere kleine Ortschaft, etwa vergleichbar mit Vik, doch etwas grösser. Es war noch ruhiger als sonst, durch den Nationalfeiertag schienen viele Isländer nicht zu Hause zu sein. Der Camping Platz hier war ganz angenehm und gut ausgestattet. Auch hier war ein Shop vorhanden, zudem konnte man an einem PC das Internet benutzen sowie auf einen WLAN - Hotspot zurückgreifen. Ein erneuter Blick auf den Wetterbericht kündigte eine starke Störung mit viel Regen an für diese Nacht.
    Ärgerlich hingegen die Duschen, hier bezahlte man für zwei Minuten 200 Kronen. Nicht, dass dies unbedingt viel wäre, doch es ist unglaublich mühsam, wenn man ständig auf Kreditkarte setzte und dann wegen ein paar Münzen Geld beziehen muss.



    Es fällt mir schwer, noch weitere Worte zu meinem Aufenthalt hier zu verlieren. Als ich ankam, war es bereits 16 Uhr. Ich machte daraufhin einige Besorgungen, telefonierte mit nahestehenden Personen und ging Einkaufen. Alle Läden schlossen bereits um 17 Uhr. Ich erkundete Höfn nur ganz kurz. Das Wetter schien, wie angekündigt, nun eine bedrohliche Wendung zu nehmen. Über einem Berg in der Nähe von Höfn türmte sich eine dichte Wolkendecke auf, welche sich wie ein Hut um diesen herabsenkte. Dies sah sehr eindrücklich aus und schien gar für die Isländer eine ungewöhnliche Erscheinung zu sein.
    Eigentlich wollte ich noch zum Meer gehen, doch auf dem Weg dahin kamen mir zwei Leute entgegen, wild fuchtelnd mit Stöcken und verfolgt von Möwen!
    Mein Erlebnis heute reichte mir vorerst aus und ich entschied mich mein Vorhaben zu streichen.
    Nachdem ich etwas ass, verkroch ich mich bald in mein Zelt. Der Wind war nun noch stärker geworden und einzelne Regentropfen fielen bereits. Ich stabilisierte mein Zelt zusätzlich mit Steinen und stellte mich ein auf eine unruhige, nasse Nacht.

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    Tag 8: Endlich Waschen!


    Mitten in der Nacht wurde ich geweckt durch Regentropfen, die auf mein Zelt prasselten. Ich wälzte mich ächzend auf meiner Matratze. Der erste Härtetest meiner mobilen Unterkunft hatte begonnen! Mit verklebten Augen blickte ich auf meine Uhr, welche gerade mal 3 Uhr anzeigte. Ich schlief noch mehrmals ein und stand schliesslich um 5 Uhr auf. Innert kürzester Zeit hatte ich meine Ausrüstung im Rucksack verstaut und fand mich wenig später an der Tankstelle wieder, wo mich ein Bus abholen würde. Das Zelt war zwar aussen nass, innen wurde ich jedoch komplett verschont und inzwischen hatte der Regen bereits nachgelassen.
    In einer kurvigen Fahrt entlang den Ostfjorde ging es direkt nach Egilsstadir. Auf der Fahrt machte ich die witzige und gleichzeitig auch beängstigende Beobachtung eines amerikanisches Pärchen: Beide waren übergewichtig, und als wir an der ersten Tankstelle anhielten, verliessen sie zusammen den Kleinbus und kamen zurück mit Pringles, Coke und Bier.
    Während der Mann seine Flasche mit Bier trank und gleichzeitig eine Zeitschrift las, in der es nur um Bier ging (Es gab beispielsweise Rezepte, um Mahlzeiten mit Bier zuzubereiten), trank sie Coke, ass gierig Pringles und fotografierte ständig aus dem Fenster des Fahrzeuges. Wahrscheinlich war sie fasziniert von ihrem Spiegelbild auf den Fotos.
    Nach fünf Stunden Fahrt erreichte der Bus Egilsstadir. Das Wetter war hier deutlich besser als in Höfn! Sonnenschein und eine angenehme Wärme.


    Der Campingplatz war hier ein wenig merkwürdig organisiert: Die Rezeption befand sich in einem Restaurant. Der äusserst freundliche Angestellte mit dem Namen Bandera, welcher sowohl kochte, als auch servierte und nebenbei den Campingplatz verwaltete, machte gleich Bekanntschaft mit mir. Von den kapverdischen Inseln stammend, lebte er seit acht Jahren auf Island. Er kam hierher mit seinem Bruder, welcher inzwischen in Norwegen sesshaft wurde, da heiratete und Kinder hatte. Banderea gefiel es hier soweit gut auf Island, doch er bekundete seine Mühe Kontakte zu knüpfen mit den Einheimischen. Dies bestätigte meinen spontanen Eindruck, dass er ein wenig einsam war.
    Ich stellte mein immer noch feuchtes Zelt auf. Der Campingplatz lag mitten in der Ortschaft. Nachdem ich mich eingerichtet hatte, zog ich los und erkundete die Ortschaft. Ich lieh mir dafür ein Fahrrad für ein paar wenige Kronen. Der Wind war allerdings so stark, dass ein angenehmes Fahren in alle Richtungen unmöglich war.
    Eigentlich war auf meinem GPS ein Schiff-Wrack eingezeichnet, welches ich gerne besucht hätte, allerdings war es über 10km weit entfernt. Ich entschied mich stattdessen ins örtliche Schwimmbad zu gehen.
    Dort lernte ich einen äusserst lustigen Mann kennen, einen Spanier, welcher schon seit über 10 Jahren auf Island lebte und hier als Touristenführer arbeitete.
    Er sprach über 8 Sprachen und trug diese auf eindrückliche Weise vor.
    Als ich im Hot-Pot sass, hüpfte er förmlich hinein und aufgrund seiner gigantischen Masse schwappte das Wasser mehrere Sekunden lange über die Ränder des Beckens. Zuerst wandte er sich an ein Pärchen aus den USA, welches ein wenig irritiert war über den Redeschwall des Spaniers. Kurz darauf involvierte er alle, die gerade im heissen Wasser sassen. Es ergab sich ein lustiges Gespräch. So rat er mir beispielsweise, sofort die örtliche Konditorei aufzusuchen, um da nach einem Job zu fragen und gleich darauf hin auf Island einzuwandern.



    Ich kehrte zurück zum Campingplatz. Auf dem Weg ging ich noch einkaufen. Hier gab es sowohl Bonus, als auch Neto, zwei der führenden Supermärkten in Island, wobei mir Bonus allgemein besser gefiel, und dies nicht nur aufgrund der tiefen Preisen, sondern auch aufgrund der grossen Auswahl.
    Die Produkte, welche in Island angeboten werden sind zum grössten Teil importiert, meistens aus skandinavischen Ländern. Es kommt aber auch vor, dass zum Beispiel Toast-Scheiben-Käse aus Polen importiert wird oder Salami aus Spanien eingeschifft wird.
    Natürlich gibt es auch einheimische Produkte. Schokolade wird zum Beispiel in Reykjavik hergestellt - und diese schmeckt gar nicht mal übel! Natürlich kein Vergleich zu echter Schweizer Schokolade. ;)
    Ansonsten fällt auf, dass hier das XXL-Prinzip aus den USA teilweise übernommen wurde. Somit gibt es auch 0.5L Süssgetränke-Dosen oder 2KG Cornflakes Packungen.
    Die Preise für Lebensmittel würde ich übrigens als vergleichbar mit den schweizerischen einschätzen, also ziemlich hoch.

  • Tag 9: Fliegenplage, die Erste



    Am nächsten Tag konnte ich das erste Mal auf meiner Reise meine Klamotten waschen. Mühsamerweise konnte man die Waschmaschine des Camping Platzes nur nutzen, wenn man vorher Kleingeld in den Automaten einwarf. Dafür musste ich extra auf die Bank, um danach das Geld in Münzen wechseln lassen in einem Supermarkt.
    Insgesamt genoss ich den Aufenthalt in Egilsstadir, es war ein richtiger Urlaubs-Tag ohne grosse Anstrengungen, aber auch ohne grosse Erlebnisse.



    Im Bus zum Myvatn, meiner nächsten Station, lernte ich einen gleichaltrigen Deutschen namens Thomas kennen. Er war ebenfalls alleine unterwegs auf dieser Insel und blieb sogar noch eine Woche länger als ich. Wir tauschten Erlebnisse aus den bisherigen Reisetagen aus. Thomas machte gerade die Ausbildung zum Primarschullehrer und wurde durch eine Freundin welche bereits hier war inspiriert, nach Island zu gehen. Seine Verwandten, so meinte er, hätten alle ziemlich ehrfürchtig reagiert, als er von seinem Vorhaben dieser Reise erzählte. Was er denn 4 Wochen alleine hier machen würde, war eine Frage von vielen. Das Gespräch war interessant und es war schön, sich mit jemandem auszutauschen, der eigentlich dasselbe erlebte wie ich und teilweise auch die selben Routen gegangen war.
    Als ich den Kleinbus am Myvatn verliess, es war bereits später Nachmittag, stiess ich zusammen mit einem spanischen Pärchen, welches schon am Vortag mit mir im Bus unterwegs war. Sie sahen beide ziemlich verstört aus und ich fragte gleich nach dem Grund dafür, doch noch bevor sie antworten konnten, hatte ich eine Vermutung: Hier gab es Fliegen. Eine Menge Fliegen!
    Das spanische Pärchen beklagte sich darüber, dass man keinen Meter gehen konnte, ohne von diesen Insekten verfolgt zu werden. Die Gegend sei zwar wunderschön, aber so absolut ungeniessbar in Kombination mit dieser Plage. Sie gaben mir den Tipp, ein Moskitonetz zu besorgen. Diesem Rat folgte ich sofort.



    Nur kurze Zeit später war mir klar, dass dies ein ernsthaftes Übel in dieser Gegend war.
    Zusammen mit Thomas ging ich erstmal auf den Zeltplatz, welcher nur wenige Meter von der Touristeninformation und somit auch dem Bus-Terminal entfernt war. Der Platz war wunderschön und lag direkt am See. Hier waren einige Zelte aufgebaut. Ich fragte mich, wie die Menschen das hier wohl aushielten mit den ganzen Fliegen. Stirnrunzelnd gingen wir an einem Menschen vorbei, welcher mit Moskitonetz den Rasen mähte. Ich kam mir vor wie in einem Film, etwa Hitchcocks "Die Vöglel", wo alle in Angst und Schrecken lebten vor einer unkontrollierbaren Plage.



    Wenig später leistete dann mein eigenes Netz sein Debüt indem es meinen Kopf vor diesen lästigen Insekten schützten. Die Rezeption des Camping-Platzes hatte leider geschlossen. Wir besuchten das Touristen-Informationszentrum, um uns über die Gegend schlau zu machen. Ein grosser Raum bot sich uns, welcher gespickt war mit Touristeninformationen und gar Tafeln mit wissenschaftlichen Erklärungen über Vulkanismus und geothermale Energie. Es wurde klar, dass wir uns hier in einem Gebiet befanden, wo der Vulkanismus äusserst starke Einflüsse auf die Umwelt hatte. Anhand eines Videos wurde die Entstehung des imposanten Kraters Hverfjall erklärt. Dieser entstand vor über 2500 Jahren durch den Zusammenstoss von Magma und Grundwasser.
    Unweit davon konnte man die Lava-Formation Dimmuborgir besuchen. Das isländische Volk hält sie als Unterkunft für Elfe und Trolle. Die mystisch anmutenden Gebilde aus erstarrter Lava lassen tatsächlich viel Spielraum für Interpretationen.



    Wir setzten uns nieder und studierten erstmal eine Broschüre mit allen Informationen über Myvatn, dessen Namen auf Deutsch übrigens „Mückensee“ heisst. Der Name trägt der See jedoch nicht wegen den Fliegen, sondern wegen den periodisch in gigantischer Anzahl auftretender Zuckmücken, die teilweise ganze Säulen an den Ufern des Sees bilden. Sie sind unentbehrlich für den Reichtum an Fischen und Enten. Das ganze Gebiet um den See herum unterlag übrigens dem Naturschutz.



    Irgendwie war ich ein wenig überfordert mit der grossen Menge an Dinge, welche nach einer Besichtigung von mir schreiten. Mehrere Krater, die eben erwähnte Lava-Formation und ein Naturbad wo man in Wasser baden konnte, welches über 200m tief aus dem Boden gepumpt wird. Es soll besonders viele Mikroorganismen enthalten, welche eine heilsame Wirkung auf den Körper haben.


    Unweit von hier lag auch der Dettifoss, der grösste Wasserfall in ganz Europa. Die Schlucht Asbyrgi und der Vulkan Krafla rundeten die Gegend ab. Hier könnte man ruhig einige Tage verweilen, bis man wirklich alles gesehen hat.




    Ich wägte ab, was ich als Nächstes tun soll und entschied mich dann auf eigene Faust loszuziehen, während Thomas sich entschied, erst sein Zelt aufzubauen und dann einen kleineren Ausflug zu unternehmen, um dann Morgen eine grössere Wanderung zu absolvieren.
    Trotz des idyllischen Zeltplatzes, eher wegen den lästigen Fliegen, nahm ich mir vor wild in der Natur zu zelten. Ich machte mich auf den Weg zum Krater Hverfjall, welcher unweit vom Zentrum der Ortschaft in bereits sichtbarer Nähe lag.



    Der Weg dahin war gut markiert und auch ziemlich stark abgelaufen. Das Wetter schien einen Wandel durchzumachen, am Horizont konnte man dunkle Regenwolken sehen. Nach kurzer Zeit gab es auch schon die ersten Schauer. In der Ferne hörte man immer wieder das laute Zischen und Krachen, welches wohl von einer Thermalquelle stammte. In diesem Gebiet wurde an vielen Orten Energie aus dem Boden gewonnen. Ich kam dem Krater immer näher, musste dabei einige Zäune übersteigen, dank kleinen Treppchen war dies jedoch kein Problem. Einige wilde Schafe rannten erschrocken weg, als ich an ihnen vorbeiging. Absolut nervtötend waren einfach diese verflixten Fliegen! Sie waren überall und traten hier auf offenen Feldern in noch grösserer Anzahl auf. Es gab kein Mittel sie loszuwerden, man musste ihre Gier nach dem Geruch meines Körpers einfach tolerieren. Mit angezogenem Moskitonetz marschierte ich vorwärts.



    Irgendwie hatte ich grosse Mühe mit dem Tragen meines Rucksacks. Es schien, als wäre ich nicht in Bestform, denn bald schon hatte ich Druckstellen am Rücken sowie auch an den Füssen. Das Gepäck fühlte sich irgendwie sehr schwer an. Beim Aufstieg zum Kraterrand, eine Höhendifferenz von 200m galt es zu überwinden, kam ich heftig ins Schnaufen. Oben angekommen bot sich mir eine wunderschöne Aussicht auf die ganze Gegend Myvatn sowie den Blick in das innere des Kraters. Ich machte mich daran, den Rand des Kraters entlangzulaufen. Als ich in der Mitte war erreichten mich die vorher bemerkten dunklen Wolken und es setzte starker Regen ein. Ich zog meinen Regenschutz an und verräumte meine Kamera. Der Wind blies nun ebenfalls einiges kräftiger. Als ich auf der anderen Seite des Kraterrandes angekommen warkonnte ich auf herrliche Weise Dimmuborgir überblicken. Durch die dunklen Wolken und den Regen, welcher als weisse Wand bis in weiter Entfernung sichtbar war, verstärkte sich die mystische Wirkung der Lavaformationen.

    Hier gab es einen Weg runter und ursprünglich hatte ich geplant, diesen runterzulaufen um danach irgendwo in der Nähe der Lava-Gebilden mein Zelt aufzuschlagen. Doch das Wetter gefiel mir überhaupt nicht. Es war bereits 17 Uhr und mir war nicht danach, nun noch viele Kilometer zu wandern. Fünf hatte ich schliesslich schon hinter mir. Ich änderte meine Pläne und steuerte auf den gleichen Weg zu, welchen ich bereits hochkam.
    Nein, heute bloss keine Anstrengung mehr. Nach einem weiteren Blick auf die Broschüre der Gegend hier verstärkte sich mein Interesse an diesem Naturbad. Da musste ich hin! Da es bis 10 Uhr offen hatte, hatte ich noch jede Menge Zeit um es zu erwandern. Umschwärmt von Fliegen machte ich mich auf den Abstieg.


  • Vom Krater bis zum Bad waren es dann noch ungefähr 4 Kilometer. Ich stiess an meine körperlichen Grenzen. Meine Beine waren Schwer und die Füsse schmerzten. Solche Probleme hatte ich nie, als ich auf der Wanderung nach Thorsmoerk war! Ich erreichte das Naturbad und mit meiner Ankunft schossen auch wieder einige Sonnenstrahlen zur Erde. Ich betrat das Foyer mit vor Anstrengung zitterndem Leibe, ziemlich verschwitzt und ausser Atem.



    Nicht wenig verwundert starrten mich die zwei sehr jungen Angestellten an. Ich löste einen Eintritt und hackte nach, ob mein riesiger Rucksack vielleicht irgendwo lagerbar wäre, da ich die Dimensionen der Spinde als zu gering einschätzte. Sie boten mir an, den Rucksack bei ihnen im Büro abzulegen, was ich auch gleich tat. Bei dem hohen Eintrittspreis von 3.200 Kronen war dies jedoch auch zu erwarten.
    Wenig später ging ich entkleidet und frisch geduscht hinaus an die kühle Luft. Der Anblick des Bades war atemberaubend: Über dem türkisfarbenen Wasser schwebte ein dichter Dampf, welcher durchdrungen wurden durch die Strahlen der Abendsonne.
    Ich glitt in das Wasser, welches sich leicht schmierig anfühlte, jedoch warm und wohltuend gleichzeitig war. Der Boden des Beckens war nicht etwa aus Beton, er bestand aus Steinen und fühlte sich so an, als wäre man eben in einem Naturbad! Natürlich verzichtete ich auch nicht auf einen Aufenthalt in der Sauna, ehe ich völlig entspannt mich wieder ankleidete. Die Sonne schien immer noch und ich machte mich daran, zurück in die Ortschaft beim Myvatn zu marschieren.
Auf dem Weg passierte ich dabei mehrere Installationen, welche wohl der geothermalen Energiegewinnungen dienten. Es ergab sich ein eindrückliches Bild, nicht zuletzt weil die Abendsonne die ganze Gegend in ein zauberhaftes Licht hüllte.



    Da hatte ich doch letztens kein Glück mit dem Reisen als Anhalter, wurde ich nun unaufgefordert von einem Pärchen aufgelesen, welches kaum Platz auf dem Rücksitz hatte. Ich nahm das Angebot jedoch dankend an und liess mich zum Campingplatz fahren.






    Nun ging alles ziemlich schnell: Ich baute mein Zelt auf und konnte dabei den Wandel des Wetters beobachten, welcher sich innerhalb wenigen Minuten vollzog: Die Sonne verschwand plötzlich hinter einer Wolkendecke. Die Fliegen verschwanden ebenfalls und auf dem See bildete sich ein dichter Nebel, welcher langsam auf das Ufer überging.
    Dazu ging ein beissender, kalter Wind und ich fror bereits noch bevor ich mit dem Aufbau fertig war.
    Kaum war das Zelt aufgebaut, kam der Inhaber des Campingplatzes und forderte mich auf, zu bezahlen. Als ich ihn fragte, wo denn die Fliegen wären, zuckte er auf rätselhafte Weise mit den Schultern und meinte, immer um acht Uhr würden sie an einen unbekannten Ort verschwinden.
    Der Grund dafür war offensichtlich: Es war ihnen einfach zu kalt in der Nacht und sie zogen sich zurück in die warmen Nester. Was für ein Segen!
    Nachdem dies getan war, setzte ich mich in den den Aufenthaltsraum, welcher in diesem Falle ein beheiztes Zelt war. Dort kochte ich mir etwas zu Essen.
    Die Wanderung hatte es definitiv in sich, ich war sehr müde und konnte kaum noch gerade sitzen.
    Nach dem Essen duschte ich mich, putzte meine Zähne und legte ich mich sofort ins Zelt. Der Nebel war inzwischen sehr dicht und man konnte kaum noch etwa

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    Tag 10: Der gigantische Dettifoss


    Die erste Nacht, welche ich angekleidet in meinem Schlafsack verbrachte, um nicht zu frieren. Ich spürte deutlich, dass ich mich jetzt im Norden des Landes befand. Am Morgen überprüfte ich das Wetter an einem Computer im Touristen-Center. Laut dem Bericht sollte es bis spätestens Mittag in grösseren Mengen regnen. Für eine weitere Wanderung war ich zu müde, zudem hatte ich wenig Lust, im Regen zu wandern. Ich studierte meine Bus-Broschüre und entschied mich dann, einen Abstecher zum Dettifoss zu wagen.



    Die Fahrt dauerte etwas mehr als eine Stunde. Da die Strasse zu der sonst üblich angefahrenen Uferseite des Flusses Jökulsá á Fjöllum noch geschlossen waren, musste der Kleinbus einen Umweg machen über eine mehrere Kilometer lange Lava-Piste. Unterwegs machten wir einen Abstecher zum Viti, einem See am Vulkan Krafla, welcher vor fast 300 Jahren durch eine Dampfexplosion entstand. Das Wasser füllte einen ganzen Krater, schimmerte türkisfarben und schwappte geräuschlos vor sich hin. Der Busfahrer war übrigens erneut recht korpulent, er konnte nicht mehr gerade im Sessel hocken und musste ihn jeweils so einstellen, dass er quasi vor dem Steuerrad lag. Er führte inklusive mir bloss drei Passagiere mit sich und meinte bei jedem Stopp, wir können nun rasch aussteigen und zwei Fotos machen, danach ginge es aber direkt weiter. Jedes Mal als er dies sagte, mimte er eine Kamera in seinen Händen nach, sagte „click-click“ und brach in schallendes Gelächter aus.



    Bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz des Dettifoss regnete es immer noch. Ich machte mich auf und lief den kurzen Fussweg bis zum Wasserfall. Trotz des starken Regens hatte es hier einige Touristen. Als ich dem Wasserfall näher kam, welcher mit ungeheuerlichem Getöse über 100m in eine Schlucht donnerte, hielt ich mehrmals ehrfürchtig Inne. Es waren wirklich gigantische Wassermassen, welche durch diesen Fluss transportiert wurden und man konnte sich in etwa die reisserische Kraft des Stroms ausmalen. Welch ein Naturspektakel! Tja, und das war es dann auch schon. Ich kehrte zurück zum Kleinbus und liess mich zum Myvatn zurückchauffieren. Danach wechselte ich das Fahrzeug und stieg gleich beim nächsten Kleinbus ein in Richtung Akureyri. Natürlich hatte ich vorher die Verbindungen genau studiert und dies auch geplant.



    Klar, ich hätte locker noch ein oder zwei Tage beim Myvatn bleiben können, allerdings hatte ich den Drang aufzubrechen und weiterzukommen. Auf dem Weg gab es einen Stopp an einem weiteren Touristenmagnet Islands: Dem Wasserfall Godafoss. Dieser war meiner Meinung nach schöner als der Dettifoss, jedoch niemals so kraftvoll und imposant.



    Ich nickte mehrmals ein auf der Fahrt und befand mich dann irgendwann auf dem Busparkplatz von Akureyri. Hier sah es zum ersten Mal wieder etwas städtisch aus. Ich holte mir einen Stadtplan und überlegte mir, welchen Campingplatz ich wohl wählen soll. Einer lag direkt in der Stadt und einer ein bisschen ausserhalb. Ich entschied mich für den in der Stadt.
    Das örtliche Schwimmbad befand sich gleich nebenan und ein Besuch somit naheliegend. Ich kann nur wiederholen, dass mir die Geschichte mit den Schwimmbäder in Island wirklich ausserordentlich gefiel. Ich könnte mir nichts behaglicheres in einem von rauem Wetter diktierten Land vorstellen als den konstanten Zugang zu warmen Badequellen.



    Beschwingt und entspannt zugleich schlenderte ich danach durch die Stadt und sah mich ein wenig um. Hier gab es viele Geschäfte, Bars und Cafés. Ich ass das erste Mal in Island bei Subway und war erfreut über die niedrigen Preise, zahlte ich in der Schweiz doch jeweils das doppelte.



    Danach setzte ich mich in ein gemütliches Café, führte mein Tagebuch nach und las in meinem Roman. Der Tag ging ruhig und ereignisarm zu Ende. Über Akureyri selbst fällt es mir irgendwie schwer viel zu sagen. Der Charme, den die Stadt laut vielen Touristen und Einwohnern angeblich besitzt, sprang irgendwie nicht wirklich auf mich über. Klar, die Lage an diesem Fjord war einzigartig und die Kulisse mit dem Hausberg Sulur beeindruckend. Trotzdem, irgendwie hob sich der Ort nicht von anderen ab.

  • [SIZE=3]Tag 11: Sonniges Geplänkel am Hafen[/SIZE]



    Der elfte Tag meines Aufenthaltes in Island. Nun war die Hälfte der Reise tatsächlich schon vorbei. Ich hatte jedoch noch Grosses vor und machte gleich heute den Anfang. Es sollte nach Husavik gehen, also noch nördlicher als Akureyri schon lag. Ich wollte nochmals einen Versuch unternehmen und meine Autostopp-Jungfräulichkeit verlieren. Thomas, meine Bekanntschaft vom Bus zum Mückensee, war gerade gestern erst von Myvatn nach Husavik getrampt und schrieb mir eine begeisterte SMS von seinen positiven Erfahrung währenddessen. Ich hatte sogar einen konkreten Plan, wie ich am effektivsten um potentiellen Fahrgelegenheiten werbe. Dazu ging ich erst ins örtliche Einkaufszentrum von Akureyri, um mir einen Schreibblock sowie einen dicken, schwarzen Filzstift zu kaufen.



    Auf diesen Block schrieb ich dann in dicken Lettern „Husavik“ darauf. Daraufhin besuchte ich noch das Touristen-Center und holte Informationen über den aktuellen Zustand der Strassen ein. Erfreulicherweise waren die Pisten nach Landmannalaugar nun geöffnet. Meiner geplanten Wanderung stand nun also nichts mehr im Wege.



    Mit breitem Grinsen, voller Zuversicht und dem Notizblock im Anschlag stellte ich mich danach gleich bei der N1 Tankstelle vor der Pseudobrücke hin. Hinter mir befand sich direkt der örtliche Flughafen. Immer wieder flogen tief über meinem Haupt die Propellerflugzeuge von Icelandair hinweg. Insgesamt stand ich bestimmt eine Stunde da. Die meisten Leute lächelten mir gutmütig zu, oft jedoch mit einer Handbewegung, dass sie in eine andere Richtung fahren. Jemand hielt an und meinte, er könne mich einige hundert Meter mitnehmen. Ich lehnte dankend ab.
    Schliesslich aber hielt dann doch jemand an, der in die Richtung Husavik fuhr. Es handelte sich um einen isländischen Lehrer. Er war gerade unterwegs zu der Beerdigung seines Cousins. Erst war mir dies etwas unangenehm und ich wusste nicht Recht, ob ich ihm mein Beileid aussprechen soll oder so tun würde, als wäre nichts. Ihm jedoch schien das ganze ziemlich egal zu sein und somit tuckerten wir flott in seinem schönen Wagen über die Ringstrasse.



    Das Wetter war im Durchschnitt übrigens wieder besser, obwohl es auf der Fahrt immer wieder mal einige Sekunden lang regnete und vereinzelt dunkle Wolken über uns hinwegzogen.
    Ich nahm ja eigentlich an, dass mich der Herr bis nach Husavik fährt! Allerdings hatte ich ihn wohl beim Einsteigen falsch verstanden, denn plötzlich stoppte er und meinte, dass er hier auf diesem Bauernhof aufgewachsen wäre. Ich war gerade mal beim Auto-Museum bei der Kreuzung weg von der Ringstrasse und noch eine gute halbe Stunde von Husavik entfernt! Ein wenig perplex sprach ich trotzdem meinen Dank aus und verliess das Auto. Da stand ich nun also an dieser Strasse und fühlte mich ein wenig verloren. Erste positive Erkenntnis: Keine Fliegen surrten um meinen Kopf! Ich war überrascht und gleichzeitig erfreut. Zweite positive Erkenntnis: Die Sonne schien! Es war angenehm warm und ich konnte meine Pullover ablegen.
    Die Autos kamen in äusserst grosszügigen Abständen. Hier bekam ich von den vorbei rasenden Fahrern weder einen gutmütigen Gesichtsausdruck, noch eine entschuldigende Handbewegung. Als dann ein Auto, welches mit „Wale Watching Husavik“ angeschrieben war an mir vorbeisauste, resignierte ich bereits ziemlich stark.



    Nach über einer Stunde schrieb ich „Akureyri“ auf meinen Notizblock und machte mich in zähen Schritten auf zur Ringstrasse, als plötzlich ein anrasender VW-Bus den Blinker einschaltete und neben mich heranfuhr. Ja, der grösste Kick eines Hitch-Hikers war das taktvolle Leuchten des Blinkers und das Geräusch eines langsamer werdenden Motors sowie bremsenden Rädern eines Autos.
    Völlig aus dem Häuschen öffnete ich die Türe. Ein ziemlich chaotisches Bild bot sich mir. Der Fahrer, wie vorher schon ein Isländer, grinste mich mit vorstehenden Zähnen freundlich an und begrüsste mich. Er befand sich scheinbar auf dem Weg zu einem Familienfest in der Nähe von Husavik. Ich räumte mir erst den Boden vor dem Sitz frei. Da lagen zwei hochwertige L-Objektive von Canon rum, jeweils ohne Deckel. Das nenne ich mal sorgfältige Behandlungsweise! Der hintere Teil des Bus war irgendwie umgebaut worden, stattdessen weiterer Sitze waren zwei Bänke sowie ein Tisch eingebaut. Der Fahrer brauste sogleich los. Ich versuchte eine Konversation zu starten. Er drückte mir gegenüber die Vorfreude auf das Familienfest aus. Es wäre immer sehr lustig bei solchen Zusammenkünften, natürlich würden die Feste nicht mit wenig Alkohol gefeiert. Als Elektriker arbeitete er in Akureyri, war jedoch aufgewachsen in Reykjavik. Hier gefiel es ihm seiner Aussage zufolge jedoch deutlich besser.
    Danach schauten wir gemeinsam gedankenverloren durch die endlose Strasse. Sympathischerweise fuhr er mich sogar nach Husavik und machte dabei einen kleinen Umweg, da er ja gar nicht dahin musste. Ich bedankte mich mehrmals erfreut und stieg aus. Inzwischen herrschte absolutes Bomben-Wetter.



    Klar, die Luft war kalt und der Wind nach wie vor eisig, doch es hatte tatsächlich keine Wolken am kontrastreich blauen und klaren Himmel, welcher diesen wunderschönen Hafenort überzog. Ich schlenderte die Strassen entlang und setzte mich gleich an den erstbesten Tisch auf der Terrasse eines Cafés.



    Hier verzerrte ich einen köstlichen Schokoladenkuchen. Danach wandte ich mich dem Hafen zu und genoss das energievolle Treiben hier. Es wimmelte von Touristen und ein Walbesichtigungs-Organisator reihte sich an den nächsten. Ich lief entlang dem Hafensteg und kam an einer Fischerei vorbei, Setzte mich kurz hin und machte mich mit der Erkenntnis vertraut, dass ich nun gerade mal 250km von Grönland entfernt war.



    Alles gefiel mir ausserordentlich gut und es erfüllte mich schon bloss, einfach nur zu sein, die Umwelt zu beobachten und zu geniessen. Kurze Zeit später setzte ich mich in das Restaurant Gamli Bakur, wo mich Thomas erwartete.



    Mit verschmitzten Lächeln auf beiden Seiten begrüssten wir einander und tauschten unsere Erlebnisse der letzten zwei Tage aus.
    Unsere Pläne unterschieden sich nach wie vor. Er plante, erst von Asbyrgi zum Dettifoss zu wandern und danach als Abschluss den Kjalvegur zu gehen. Wir machten uns danach auf zum örtlichen Leuchtturm, welchen er zwar anscheinend bereits besucht hatte, allerdings nicht ohne von mehreren Möwen angegriffen zu werden, die wohl in der Nähe des Turmes brüteten.



    Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als ich mich verabschiedete und mich aufmachte zur Ausfahrt der Ortschaft, um erneut als Tramper mitgenommen zu werden. Nach einer Stunde brach ich das Vorhaben jedoch erfolglos ab und entschied mich dazu, den letzten öffentlichen Bus nach Akureyri zu nehmen. Eigentlich wäre ich gerne hier geblieben, doch ohne Zelt machte dies leider wenig Sinn. Ein bisschen wehmütig schaute ich mir die im Abendlicht der Sonne liegende, vorbeiziehende Landschaft an.
    Die Vorstellung, hier in den Ruhestand zu treten, gefiel mir gar nicht mal so schlecht.

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    Tag 12: Reorganisation


    Am Samstag war eine ganztägige Busfahrt angesagt. Bereits am frühen Morgen ging es von Akureyri los nach Reykjavik. Die Strecke führte durch das westliche Hochland zwischen den beiden Gletschern Langjökull und Hofsjökull hindurch. Zwei drittel der Strecke fuhren wir auf ungeteerten Lava-Pisten und es schien den Busfahrer eine grosse Menge an Vorsicht, Konzentration und Geschicklichkeit zu erfordern, den Bus geschmeidig über die sich teilweise schlängelnde und unvorhersehbare Wege zu manövrieren.



    In Hveravellir machten wir einen ersten Halt. Das Geothermalgebiet war eng verknüpft mit dem Vulkan, welcher den gleichen Namen trug und unter dem Gletscher Langjökull lag. Die Sonne schien und es war ein wunderbarer Tag. Farbenprächtige Steine und viele kleine Geysire wollten besichtigt werden. Hier war auch der Endpunkt des Kjalvegur, dem populäreren Wanderweg. Ein hübscher Camping-Platz befand sich hier und auch eine Quelle, in welcher man baden konnte.



    Gerne wäre ich hier eigentlich geblieben, aber inzwischen hatte ich meine Pläne präzisiert: Am Montag soll es los gehen auf die nächste Wanderung, welche ich weiter unten noch erläutern werde.


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    Wir fuhren also bald weiter und hielten erst wieder bei einem weiteren Campingplatz, welcher direkt an einem Fluss lag. Der Name ist mir leider entfallen. Allerdings gab es hier etwas auch in einer besonders grossen Menge: Fliegen. Viele Fliegen. Die Camper zelteten direkt am Fluss und viele hatten ein Tuch in der Hand, welches sie ständig hin- und her wedelten. Als der Bus los fuhr, hatten wir ungewöhnlich viele neue Passagiere: Lauter Fliegen, glücklicherweise waren sie auf die Fenster fokussiert und krabbelten komischerweise ständig ganz an das obere Ende des Fensters, ehe sie wieder in die Mitte fielen und die Aktion wiederholten. Wir tuckerten weiter und die nächste Station war der sagenumwobene Gullfoss.
    Gehalten wurde hier nicht irgendwie ein wenig Abseits der Strasse im Schotter, sondern auf einem asphaltierten Bus-Parkplatz. Es wimmelte vor Touristen und die Infrastruktur war hier auch deutlich auf Touristen ausgelegt: Neben diversen Geschäften gab es eine Kantine, wo man sich mit Fastfood eindecken konnte.
    Nicht nur begeisterte Wanderer und Naturliebhaber trotteten die Wege zum Wasserfall hinauf- und hinunter, sondern auch rotzige amerikanische Teenies und Hip-Hopper. Ich warf aus der Ferne einen kurzen Blick auf den Wasserfall und setzte mich dann gleich wieder in den Bus.
Dasselbe dann auch ungefähr 45 Minuten später bei Geysir.



    Ich hatte einfach keinen Bock auf diese Masse von Touristen und hielt mich davon fern.
    Versteht mich nicht falsch. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich selbst bloss einer dieser Touristen bin. Und ob man nun in Trainer und Sportschuhen oder Wanderklamotten aufkreuzt, ist natürlich jedem selbst überlassen. Den enormen Wachstum des Tourismus in Island muss man wohl oder übel einfach akzeptieren, schliesslich will jeder dieses wundervolle Land erfahren und jeder hat auch das Recht dazu. Mich stört einzig und alleine, dass diesem Land die Einsamkeit einfach fantastisch steht und die riesigen Ströme von Touristen dieses Bild ein wenig zerreissen. Jedoch muss ich auch sagen, dass ich bisher eigentlich durchaus zufrieden war mit einer geringen Anzahl an Touristen. Wenn man sich ein wenig organisiert und auf die Hot-Spots wie Geysir oder Gulfoss verzichtet, kann man sich wunderbar in der Einsamkeit winden und auf endlose Weiten blicken, ohne menschliches Leben. Hat man dann erst noch ein Auto zur Verfügung, ist man noch viel freier. Juni halte ich somit auch für die perfekte Reisezeit, trotz den Risiken bezüglich Wetter, Temperatur und somit Verfügbarkeit des Strassennetzes. Nun aber zurück in den Bus.
    Wir fuhren danach noch ungefähr zwei Stunden, ehe wir in Reykjavik waren. Der Zeiger der Uhr stand bereits bei sechs. Ich packte meinen Rucksack und lief zum Camping Platz. Willkommen zurück! Ich befand mich wieder am Ausgangspunkt meiner Reise.
    Während die Sonne noch schien und eine angenehme Wärme herrschte, stellte ich mein Zelt auf und fing an, meine nächste Wanderung vorzubereiten.



    Tag 13: Präparation




    Die Wanderung mit dem Namen Hellismannaleid soll bei Camp Rjupnavellir starten und dann bis zu Landmannalaugar führen. Die Strecke hat eine Gesamtlänge von ungefähr 45 Kilometer. Ich würde sie wie in meinem Guide vorgeschlagen in drei Etappen aufteilen:


    Etappe 1: Rjupnavellir - Afangagil (17km)
    Etappe 2: Afangagil Landmannahellir (22km)
    Etappe 3: Landmannahellir - Landmannalaugar (16km)


    Ich würde also drei Tage unterwegs sein. Am Montag Morgen plante ich, mit dem Bus bis Camp Rjupnavellir zu fahren und von da an die Wanderung zu beginnen. Je nach Zeitpunkt der Ankunft bei Landmannalaugar würde ich dann noch ein wenig bleiben oder gleich wieder nach Reykjavik zurückkehren. Die Wetterprognosen waren mässig. Am Montag soll es stark regnen. Doch dies war mir egal. Ich war nur schon glücklich, dass ich die Wanderung überhaupt durchführen konnte und nahm alle Wetterbedingungen in Kauf.
    Am Sonntag ging ich in den örtlichen Bonus einkaufen. Ich rüstete meine Fertigmahlzeiten auf ungefähr 5 Stück auf und kaufte mir unzählige Schokoladenriegel und andere Zwischenverpflegungen. Dazu natürlich auch ein wenig Obst.
    Ansonsten gab es nicht mehr wirklich viel vorzubereiten. Ich hatte die Route bereits zu Hause auf meinem GPS mit ungefähr 40 einzelnen Wegpunkten gesteckt und wusste, dass mich auf dieser Wanderung keine wirklich gefährlichen Abschnitte erwarten würden. Natürlich, gefährlich konnte es immer werden, wenn jedoch das Wetter einigermassen passt sollte ich problemlos durchkommen.

  • Tag 14: Erste Etappe


    Am Montag Morgen musste ich natürlich wieder den Bus nehmen, somit verliess ich den Camping-Platz bereits um halb sieben und fuhr danach zum BSI-Terminal. Heute fuhr der erste Bus von Reykjavik Excursions nach Landmannalaugar. Andere Unternehmen fuhren schon seit einer Woche dahin.
    Ich löste ein Ticket bis Rjupnavellir und gab dem Busfahrer gleich vor Beginn der Fahrt mithilfe einer Karte bescheid, wo er mich rauslassen soll. Im Bus selbst lernte ich einen ziemlich schrägen Deutschen kennen. Er hatte vor, den Laugavegur von Thorsmoerk bis Landmannalaugar innert drei Tagen zu wandern, da er bloss eine Woche hier auf Island war. Ich runzelte die Stirn, aber hielt mich zurück. Als er mir beim ersten Stopp völlig aus dem Kontext gerissen mit einem Augenzwinkern den Tipp gab, ich solle mein Geld doch so wie er mit Medikamentenversuchen an mir selbst verdienen, denn das wäre eine gute Sache, fasste ich mir endgültig an den Kopf und wandte mich von ihm ab.




    Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis der Busfahrer mich auf der Strasse vor Camp Rjupnavellir rausliess. Mein Rucksack war so schwer wie bei der Ankunft auf Island, also ziemlich schwer. Ich schätzte ihn um die 25kg. Da ich erstmal noch meine Wasserreserven auffrischen wollte, trabte ich den Schotterweg entlang Richtung Camp und sah in kurzer Entfernung bereits einige Hütten.
    Nur etwa eine halbe Minute war ich aus dem Bus gestiegen, als ich umschwirrt wurde von Fliegen. Es waren bloss drei oder so. Ich hatte eine böse Vorahnung. Als ich zu der Hütte mit Rezeption kam und unter dem Plastikdach stand, dachte ich, es würde nun plötzlich regnen, denn es war ein schnelles Prasseln zu hören. Doch, das konnte gar nicht sein. Kein Regen, nein. Wie gelähmt schaute ich nach oben. Mehrere Hunderte, wenn nicht gar Tausende Fliegen stiessen in panischer Wucht immer wieder gegen das Dach und verfingen sich im Ende einer Ecke. Die gesamte Länge des milchigen Daches flimmerte schwarz. Kurz daraufhin kam ein Isländer aus der Hütte. Er bat mich herein und ich fragte ihn sogleich, was hier los ist. Er bestätigte mir ein hohes Aufkommen von Fliegen und merkte an, dass dies jeden Sommer für ungefähr eine Woche der Fall sei, ehe die meisten von den Fliegen wieder sterben. Ich schluckte leer und bedankte mich. Er fragte mich noch nach meiner Route und ich antwortete ihm. Er merkte an, dass dieser Weg noch sehr unbekannt wäre und ich wohl bloss auf wenige Wanderer treffen würde. Gestern jedoch, da übernachtete eine 10er Gruppe lauter hübscher Mädchen bei ihm in der Hütte, welche den Weg von der anderen Seite gegangen. Er bezeichnete mich als Unglücksrabe, weil ich nicht schon gestern hier gewesen war. Ich lächelte, verabschiedete mich und ging.



    Das Lächeln jedoch verging mir bald. Meine Mundwinkel hingen ziemlich schnell ganz weit unten. Ich zog nach kurzer Zeit das Moskitonetz über. Was für eine weise Entscheidung es doch war, dieses zu kaufen! Ich lobte mich selbst und wurde für einen Augenblick ein wenig zuversichtlicher. Als ich dann jedoch etwa 10 Minuten gegangen war, entfloh bereits jede Zuversicht wieder. Es waren nicht drei oder zehn Mücken, es handelte sich hier um hundert Mücken gleichzeitig, welche um mich herum schwirrten. Sie hängten sich an mein Moskitonetz, an meine Kleidung, an meinen Rucksack. Sie waren überall! Ein ständiges Summen umgab mich. Meine Moral sank entgegengesetzt der steigenden Anzahl an Fliegen. Ich überlegte mir bereits, die Wanderung abzubrechen, lief aber trotzdem immer weiter.




    Das Wetter war inzwischen entgegen dem Wetterbericht unglaublich toll, die Wolkendecke riss auf und zum Vorschein kam ein klarer und blauer Himmel legte sich über die wunderschöne Gegend. Rechts des Weges schlängelte sich ein Fluss namens Yrti-Ranga, das Terrain bestand vor allem aus Lavasteinen, allerdings waren hier nicht bloss schwarze Steine, sondern auch weisse vorhanden. Immer wieder, besonders in Flussnähe, gab es grössere Grünflächen. Bald überquerte ich eine Brücke, bald lief ich entlang eines steilen Hanges, bald ging es in unmittelbarer Nähe des Flusses weiter. Die Strecke war tatsächlich vollständig ausgesteckt mit Holzpfählen, welche die Richtung wiesen. Somit hätte ich mein GPS nicht einmal gebraucht eigentlich.



    Trotzdem, die Gegend konnte noch so schön sein, die Fliegenplage blieb bestehen und sie nahm auch nicht ab. Es war nicht so, dass ständig die selben Fliegen mir nachstellten, nein: Überall, an jeder nur möglichen Stelle des Weges und wohl des gesamten Terrains im Umkreis von hundert Quadratkilometer erhoben sich Fliegen vom Boden und gingen direkt auf mich los. An der Nähe des Flusses war es natürlich besonders schlimm. Ganze Schwärme erhoben sich bei meiner Ankunft und klebten an mir. Ich musste meine Flasche durch das Moskitonetz hindurch trinken, da ich sonst wahrscheinlich mehr Fliegen als Wasser im Mund gehabt hätte.



  • Beim herausnehmen meiner Flasche aus dem Rucksack stellte ich fest, dass die Fliegen bis zum Inneren dessen vorgedrungen waren. Ich verschloss ihn noch besser. Nein, das war echt nicht mehr witzig und irgendwie provozierten mich diese Viecher total! Ich wurde beinahe wütend, ehe ich zur Vernunft fand. Eigentlich war es nämlich ganz einfach. Ich befand mich hier völlig alleine auf einer tollen Wanderroute in mehr oder weniger abgelegener Natur, es gab keine sonstigen Wanderer und das Wetter war prächtig. Und da die Natur nunmal auch Fliegen beinhaltete, musste ich diese wohl oder übel akzeptieren, auch wenn es viel schöner und praktischer wäre, ohne Moskitonetz rumzulaufen. Somit beruhigte ich mich selbst und stärkte meine Moral, auch wenn ich immer wieder kurz in Zweifel verfiel. Schlussendlich musste ich ja auch schlafen und mein Zelt aufbauen! Bei so einer Plage wäre vielleicht ersteres möglich, da es meiner Annahme nach den Fliegen auch hier in der Nacht zu kalt werden würde, allerdings müsste ich damit rechnen, dass beim Aufbau des Zeltes ein ganzer Schwarm ins Innere kommt.




    Nun, ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder der wunderbaren Landschaft. Ich passierte einen attraktiven Wasserfall. Er war nicht wirklich hoch, allerdings ungefähr 200m breit. Das dunkelblaue Wasser rauschte direkt in den Fluss, welcher sich weiter in meine Richtung bewegte. Ich füllte nochmals meine Wasserreserven. Die paar Fliegen im Wasser störten mich dabei nicht so sehr. Inzwischen war es richtig heiss geworden. Mittagszeit war angesagt. Der Weg führte mich vom Fluss weg. Ehe ich mich versah, befand ich mich in einer Art Lavawüste. Hier gab es nichts als kleine Steinchen aus Lava. Hin- und wieder lag auch ein grosser Brocken da. Weiter rechts konnte man nun einen Blick auf den Vulkan Hekla werfen, ein äusserst aktiver Vulkan, welcher vor 13 Jahren das letzte mal Ausbrach. Glaubte man dem Abstand zwischen den Ausbrüchen in den letzten 20 Jahren, wäre nun wieder mal einer angesagt. Während auf seiner Spitze noch eine dicke Schneedecke zu liegen schien, flimmerte hier unten bei mir die Luft über den Lavasteinen. Es war nun sehr heiss und ich fühlte, wie die Hitze sich an meinen Kräften zu schaffen machte. Mittagszeit in der Lavawüste. Mein herz sprang vor Freude. Ich fühlte mich wie ein Entdecker, welcher sich gerade auf einer möglicherweise lebensgefährlichen Expedition befand. Schliesslich war ich doch alleine hier. Ganz alleine. Ich ass einen Schokoladenriegel, um ein wenig Energie zurück zu erhalten. Dieser synthetische Protein-Riegel stillte meinen Hunger oder vielleicht eher, er verdarb mir den Appetit, weil er so eklig war.




    Als ich ein wenig weiter in die Ebene vorgedrungen war, gab es plötzlich sporadisch auftretende Windböen, welche manchmal jedoch minutenlang anhielten. Diese Windböen waren die Lösung für das Fliegenproblem: Da es sich um junge und kleine Fliegen handelte, waren diese zu wenig stark, um dem Wind entgegen zu fliegen. Sie wurden einfach weggeweht. Natürlich, wenn der Wind nachliess, kamen auch die Fliegen zurück. Ich liess mich hinter einer Lava-Formation nieder. Hier hatte es überall Spinnennetze. Wohl kaum würden die Spinnen hier in Hungersnot kommen. Zumindest nicht in diesen Tagen.
    Je weiter ich lief, desto öfters blies ein angenehmer Rückenwind, der mich nicht nur voranbrachte, sondern mich auch schützte. Die Landschaft war, um es nochmals zu erwähnen, sagenhaft! Was für eine tolle Wanderroute das war! Und ich war alleine. Völlig alleine. In der Ferne sah ich ungefähr zwei Mal einen 4x4-Wagen umherfahren. Damit hatte es sich aber.




    Die Zeit schritt unglaublich schnell voran. Erst war es noch Mittag, befand ich mich schon im spätem Nachmittag und kurz vor vier Uhr. Ich näherte mich den Hütten von Afangagil. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Das letzte Stück ging kräftig bergauf. Ziemlich erschöpft kam ich oben an. Es blies ein besonders starker Wind. Ich warf meinen Rucksack zu Boden und setzte mich darauf. Endlich konnte ich das Netz ausziehen und die Aussicht in Ruhe geniessen. In weiter Ferne konnte man einige Windräder erkennen. Ansonsten sah alles ziemlich einheitlich aus. Die Farbe grün war jedoch am dominantesten, jedoch in einer sehr subtilen Form.




    Nachdem ich ausgiebig geruht hatte, begab ich mich den Berg abwärts und befand mich dann bald im Tal. Hier gab es ungefähr 4 Hütten. Gleich bei meiner Ankunft fuhr ein Wagen heran. Ein Engländer mit seiner Tochter stieg aus. Er hatte eine Menge Gepäck dabei und erklärte mir auch gleich den Zweck dessen. Er zeigte auf eine Hütte und meinte, in ungefähr zwei Stunden würde eine Gruppe mit Franzosen hier ankommen, welche von Landmannahellir losgelaufen waren und hier übernachten würden. Um die Last erträglicher zu machen für die scheinbar schon älteren Wanderer würde das Hauptgepäck immer mit dem Auto zur nächsten Übernachtungsstation gebracht.
    Nicht wenig stolz knallte ich darauf hin meinen riesigen Rucksack auf die Bank, nickte grinsend und setzte mich hin.
    Er verstand mich schon und merkte sogleich an, dass dies zwar weniger abenteuerlich wäre, dafür würden die Leute am Abend auch nicht völlig „wasted“ sein. Ich blickte auf meine zitternden Beine und muss zugestehen, dass er in diesem Punkt absolut recht hatte.



    Danach eröffnete sich die Diskussion über die Fliegen, welche für mich aber keinen neuen Informationsgehalt trug ausser der Bestätigung, dass sie in der Nacht definitiv verborgen blieben. Mein Körper fühlte sich gut an, wenn auch ziemlich erschöpft. Schliesslich entschied ich mich trotz den Fliegen, mein sofort Zelt aufzubauen. Dies gelang eigentlich auch problemlos. Im Inneren des Zeltes musste ich dann einige Fliegen erstmal loswerden. Zufrieden und erschöpft legte ich mich auf den blanken Zeltboden, während das Geräusch von landenden Fliegen auf dem Aussenzelt von Minute zu Minute lauter wurde. Zum Glück war mein Zelt völlig dicht und mit Moskitonetzen versehen. Ich war äusserst zufrieden mit meiner Ausrüstung und es war eine hundertprozentig richtige Entscheidung, nicht knausrig mit den Ausgaben zu sein dafür,
    denn eine gute Ausrüstung war hier wirklich das A und O.
    Ich kochte danach Nudeln und ass meine erste richtige Mahlzeit heute. Zum Nachtisch gab es deutschen Rührkuchen. Ich kuschelte mich in meinen Schlafsack und wendete mich meinem Buch zu. Ungefähr um acht war es bereits deutlich kühler und die Fliegen schienen sich zu verziehen.
    Inzwischen waren die Franzosen eingetroffen. Da es sich um ältere Menschen handelte, war kaum Lärm zu vernehmen. Vielleicht waren sie aber auch einfach zu fertig von der Wanderung, um noch grossen Lärm zu verursachen oder sie verzogen sich gleich in die Hütten.
    Die erste Etappe war vollbracht und ich war äusserst zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Trotz den unvorhergesehenen Schwierigkeiten lief alles glatt. Ich freute mich schon auf den nächsten Tag und schloss bald die Augen.

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    Tag 15: Zweite Etappe
    Nach dem anstrengenden gestrigen Tag liess ich am nächsten Morgen nichts anbrennen und schlief ordentlich aus. Glücklicherweise konnte ich bei den Hütten auf sanitäre Anlagen zurückgreifen, es gab sogar fliessendes Wasser. Das Wetter war deutlich trüber und die Sonne versteckte sich hinter einer dunklen Wolkendecke. Ich nahm rasch mein Zelt auseinander und packte meine Sachen. Die Franzosen befanden sich ungefähr zeitgleich im Aufbruch. Von den Fliegen fehlte bisher jede Spur. Die Luft war aber auch deutlich kühler und es wehte ein starker Wind.



    Der erste Teil der heutigen Strecke erwies sich gleich als besonders anstrengend, denn es ging steil bergauf, wobei das Terrain sandig und somit schwer zu begehen war. Die Franzosen bewegten sich in entgegengesetzter Richtung fort und nahmen den Hügel in Anspruch, welchen ich gestern herunter kam. Als sie am höchsten Punkt waren, riefen sie mir zu und schwenkten mit den Armen. Ich war mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob sie mich einfach verabschieden wollten oder ob das wilde Herumfuchteln mit den Armen irgend eine Warnung sein sollte. Schliesslich ging ich aber unbeschwert weiter. Kurz nach dem ersten Hügel befand ich mich auf einer grossen Ebene.


    [video]http://www.youtube.com/embed/oKjytkubv9Q[/video]


    Ohne eine Menschenseele weit und breit stapfte ich entgegen der Windrichtung durch den Lava-Sand. Die Landschaft war genauso traumhaft wie gestern, und doch komplett anders: Von grün war jetzt nur noch wenig zu sehen, die Umgebung wurde dominiert von schwarz, grau und weiss.
    Es war bereits Mittag, als ein erster leichter Regenschauer einsetzte. Vorsorglich zog ich mich mal wetterfest an, nicht zuletzt weil auch der Wind deutlich stärker wurde. Durch die geschwungenen Hänge schien der Wind zusätzlich an Schub zu erhalten.



    Ich ass meinen ersten Schokoladenriegel und setzte mich dabei auf meinen Rucksack. Nicht allzu weit von mir flog ein grösserer Hubschrauber über das Tal, in dem ich mich gerade befand. Wohin dieser wohl fliegt? Womöglich war er drauf und dran, jemanden zu retten. Oder es war bloss eine Touristen-Tour. Der Rhythmus des Weges war nun einige Male ähnlich, erst ging es einen Hang rauf, dann wieder abwärts zu einer grösseren Ebene mit schwarzem Lavasand. Natürlich konnte man wie gewohnt in extreme Ferne blicken. Man fühlt sich ganz schnell klein und unwichtig in dieser scheinbar endlosen Einsamkeit.



    Ungefähr zwei Stunden später kam ich an einen Fluss, welcher von mir gefurtet werden wollte. Dies kam ein wenig überraschend für mich, denn eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, einen Fluss durchqueren zu müssen.
    Der Weg war immer noch deutlich markiert und auf der anderen Uferseite warteten bereits die nächsten Holzpfähle auf meine Ankunft. Als ich den Fluss jedoch ablief, bekam ich im ersten Moment schon ein mulmiges Gefühl, denn es gab mehrere Flussläufe und die ganze Situation gestaltete sich als relativ unübersichtlich, zumal das Wasser eigentlich überall den Eindruck machte, als wäre es ziemlich tief. Nachdem ich mehrmals dem Ufer entlanglief entschied ich mich für eine Stelle, welche wohl eigentlich nicht für eine Furt gedacht war, denn der Pfahl, welcher die Fortsetzung des Weges anzeichnete, befand sich anderswo.



    Hier schien die Strömung schwach zu sein. Die Tiefe des Wassers konnte ich trotzdem nicht eruieren, ich besass keinen Stock oder ähnliches. Zudem war nicht klar, aus was sich der Grund zusammensetzt. Erwarteten mich hier etwa spitze Lavasteine? Egal, nun kamen meine Crocs im Ernstfall zum Einsatz. Sobald ich den Rucksack abgeworfen hatte, zog meine Wanderschuhe sowie auch meine Socken aus und hing sie mir über die Schultern, danach machte ich meine Beine frei, schlüpfte in die Crocs und zog den Rucksack wieder an. Ich schwankte einige Male hin- und her. Die grösste Gefahr war es natürlich im Wasser umzufallen. Der Rucksack würde nass werden und auch ein Aufstehen erheblich erschweren. Ich watete langsam in das Wasser. Meine Schuhe waren sofort voller kleiner Lavasteine und das Wasser hatte eine kniehohe Tiefe. Mein Herz pochte. Ich kehrte nochmals um, leerte meine Schuhe und versuchte es dann erneut. Als ich am anderen Ende des Flussbettes aus dem Wasser watete, sendete mir mein Gehirn erstmal einen ordentlichen Schub Endorphine. Glücklich zog ich meine Crocs aus und wechselte zurück zu den Wanderschuhen.
    Meine Beine waren bereits müde, als ich den nächsten Teil der Strecke in Angriff nahm. Hier gab es einen riesigen, erstarrten Lavastrom. Die Luft darüber flimmerte bedrohlich.




    Es folgten weitere Täler und Ebenen, wobei sich jeder Abschnitt in seiner Schönheit übertraf. Im letzten Teil der Etappe lockerte sich die Wolkendecke und die Sonne zeigte sich. Nun ging es nochmals ziemlich stark bergauf, ich bewegte mich im Schneckentempo vorwärts und machte immer mal wieder völlig ausser Atem eine Pause. An zwei kleinen Seen vorbei, galt es auch noch eine ziemlich grosse Decke mit Altschnee zu überwinden.
    Dies war nicht ungefährlich, denn durch den wahrscheinlich warmen Grund und das Schmelzwasser geschah es, dass der Schnee erst unten wegschmolz und sich sozusagen eine Schneebrücke bildete, welche schon bei der geringsten Berührung einbrechen konnte. Besonders wenn es darunter weit abwärts geht, kann dies Gefährlich werden. Glücklicherweise holte ich mich bei meinem ersten Einsturz einer solchen Brücke bloss dreckige Schuhe, ich landete nämlich im Matsch.


    [video]http://www.youtube.com/embed/Z0ugLeoJ7gM[/video]


    Auf der Ebene in weiter Ferne, es war bereits die Ebene, auf der Camp Hellimannasleid lag, bewegte sich in Galopp eine Gruppe Pferden mit ihren Reitern voran. Der Staub wirbelte wild durch die Luft, es ergab sich ein eindrückliches Bild.
    Um fünf Uhr betrat dann auch ich diese Ebene, allerdings in einem ziemlich desasrösten Zustand. Diese Etappe war die längste der gesamten Wanderung und wohl auch eine der anstrengendsten. Auch hier gab es wieder mehrere Hütten. Ich entschied mich jedoch für einen Zeltplatz in freier Natur, ein wenig abseits der ersten Hüttengruppe. Hellismannaleid lag, so wie ich das glaube, noch weiter hinten. Vielleicht gehörte auch alles zusammen.



    Ich staunte nicht schlecht, als mir ein Jogger entgegenkam. So wie es schien, liessen sich hier auch Leute nieder, welche mehrere Tage an diesem Ort verweilen. Das Innere der einen Hütte, an welcher ich vorbeilief machte jedenfalls einen adretten Eindruck. Die Reiter, welche ich vor einer Weile gesehen hatte, machten hier auch Rast mit den ganzen Pferden. Ich baute mein Zelt auf und ruhte mich ordentlich aus.



    Danach dasselbe Prozedere wie am Vortag mit Kochen, Essen und Lesen. Ziemlich bald schlief ich ein. Das Wetter hielt sich soweit noch gut, in der Ferne liessen sich jedoch dunkle Wolken erkennen. Ich fürchtete, dass es bald regnen würde. Ich hatte ja keine Ahnung, was da auf mich zukommen würde.

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    Alles rüttelte um mich herum. Meine Füsse fühlten sich an, als würde etwas darauf drücken. Es war laut. Das Flattern des Zeltes und der ungestüm darauf prasselnde Regen bildeten eine lärmige Geräuschkulisse. Plötzlich hellwach, erkannte ich den Ernst der Situation. Mein Zelt wehte wild und wurde auf einer Seite total eingedrückt durch den Wind. Ich hatte den Eindruck, als würde das Zelt in kürzester Zeit wohl einfach weggeblasen. Hastig warf ich einen Blick nach draussen und beobachtete die hektisch tanzenden Grashalme, welche ständig darum kämpften, aufrecht in die Höhe zu ragen, während der Regen wild durch die Luft peitschte, bald nach links, bald wieder nach rechts, jedoch immer in einer ungeheuerlichen Menge. Mühevoll schloss ich das Aussenzelt wieder. Ich hatte das Gefühl, dass der Regen und der Wind jeden Moment zunahmen. Ich lag mich zurück auf meine Matratze und starrte an die Zeltdecke, wo sich immer wieder Wassertropfen bildeten, welche nach kurzer Zeit die Seiten herunterliefen. Innen war jedoch alles trocken. Ich war zuversichtlich, dass dies auch so bleiben würde. Einzig der Wind bereitete mir Sorgen. Um sich die Situation vorstellen zu können, muss man das Video unten einfach kurz ansehen.


    Unwetter - YouTube


    Ich war jedoch alles andere als beunruhigt. Würde das Zelt nicht halten, könnte ich immer noch in einer der Hütten um Asyl bitten. Und falls es nicht aufhören würde zu regnen, würde ich halt im Zelt bleiben. Zeit hatte ich ja mehr als genügend. Ich widmete mich meinem Rührkuchen und erfrischte meinen Geist mit ein wenig Dostojewski.
    Das Wetter schien sich dann langsam zu beruhigen. Immer wieder spähte ich nach draussen und beobachtete meine Umwelt. Spärlich holperten Geländewagen vorbei, ansonsten war es ruhig. Ich beobachtete eine ganze Familie, welche sich gerade in einer der Hütten gleich vor mir häuslich einrichteten. Plötzlich stapfte jemand auf mein Zelt zu, hob das Aussenzelt und klopfte an das Innenzelt. Ich öffnete. Ein junger Mann stand davor, in gebückter Haltung. Er fragte, wie lange ich noch hier bleiben würde und wie lange ich schon hier sei.
    Ein wenig verdutzt gab ich ehrliche Antworten, worauf er mir klar machte, dass dies hier kein Campingplatz sei, der Campingplatz würde sich nämlich weiter vorne befinden. Er bat mich zudem, sobald ich alles aufgeräumt hatte, für meinen Aufenthalt hier zu bezahlen. Satte 1200 ISK!
    Ich wähnte mich im falschen Film und fühlte mich ein wenig verarscht. Natürlich war mir klar, dass hier nicht jeder kommen soll und sein Zelt hinter den Hütten aufstellen darf. Allerdings hatte ich weder irgendwelche sanitären Einrichtungen benutzt, noch wusste ich überhaupt davon, dass es hier einen Zeltplatz gibt!
    In meinen Wanderführern war immer die Rede von „Zelten in der Nähe der Hütten“, allerdings niemals etwas von „Zelten in der Nähe von Hütten auf einem Zeltplatz, welcher mit einem hohen Preis zu Buche schlägt“!
    Irgendwann liess der Regen nach und auch der Wind schien sich zu beruhigen. Ich packte mein Zelt zusammen und ging. Lange war ich hin- und her gerissen, ob ich nun bezahlen soll oder nicht, doch schliesslich setzte sich das kleine Teufelchen in mir durch und ich ging schnurstracks den Wanderweg in Richtung Landmannalaugar.



    Wie gestern schon erwartete mich zu Beginn ein sehr starke Steigung. Der Boden war durch den ergiebigen Regen völlig aufgeweicht. Ich stapfte verkrampft hinauf und geriet bloss wenige Minuten nach Beginn der dritten Etappe völlig ausser Atem. Der Wanderweg war auch hier ausgezeichnet markiert. Einen Schokoladenriegel später ging es ein Stück abwärts und ich befand mich auf einer Ebene, auf der ein grösserer See lag. Der Weg führte links am Ufer des Gewässers vorbei.



    Auf dem Boden liessen sich die Abdrücke von Hufen erkennen. Wahrscheinlich waren hier die Reiter durchgeritten, welche gestern mit mir das Camp erreichten. Einige Fliegen erhoben sich, um mein Haupt mit ihrer Anwesenheit zu beglücken, jedoch störte mich das kaum mehr. Am Himmel waren einige blaue Wolkenlöcher zu sehen. Trotzdem, die mehrheitlich trüben Farben und der starke Wind liessen eigentlich nichts gutes vermuten. Trüb am Himmel, jedoch mehrheitlich saftig grün war hier der Boden. Im Vergleich zu anderen Flecken, welche ich durchquerte, könnte man den Graswuchs hier als ergiebig bezeichnen.



    Auch auf dieser Etappe war die Gegend wunderschön. Mal kreuzte ein kleines Bächlein mit Schmelzwasser meinen Weg, dann gab es eine Fläche mit Schnee, einige hundert Meter weiter ging es wieder bergauf. So wechselten sich die Abschnitte auf abwechslungsreiche Art ab.
    Irgendwann kam ich dann zur Piste, welche nach Landmannalaugar führte. Ich befand mich eben auf einem Hügel und sah weiter unten in kurzen Abständen Geländewagen und Bus der Piste entlang fahren.
    Innerhalb von 5 Minuten verdunkelte sich der Himmel in beängstigender Weise, von Rechts zog eine Regenfront in rasantem Tempo heran, welche sich dann ergiebig über mich entleerte. Ich machte mich wasserfest und lief tapfer weiter. Kaum 10 Minuten später, ich hatte soeben die Piste überquert, schienen alle Wolken zu verschwinden und der Himmel wurde völlig blau. Die Sonne schien schräg in mein Gesicht.



    Gleich nach der Strasse kam der wohl steilste und anstrengendste Teil der ganzen Tour. Ich nahm mir jedoch die nötige Zeit dafür, setzte mich immer wieder hin und betrachtete das Farbenspiel, welches die Sonne herzauberte.
    Einmal kämpfte sich ein typischer Hochland-Bus mit riesigen Rädern die steile Piste hinauf. Von weitem sah dies fast schon lebensgefährlich aus. Die Strasse war weder wirklich breit, noch irgendwie gesichert. Nach mehrmaligen Ächzen des Motors schaffte der Bus jedoch dieses Stück.
    Ich ging weiter hinauf und erfreute mich dann oben über einen grandiosen Ausblick auf die ganze Umgebung. Viele Berge und Hügel waren noch mit Schnee bedeckt. Es war faszinierend zu erleben, wie umfangreich die Auswirkungen einer vielleicht nur knapp unterschiedlichen Höhendifferenz auf Temperatur und Wetter waren.
    Bald schon sah ich in der Ferne Hügel vor mir, dessen Gestein mehrfarbig war. Landmannalaugar war also nicht mehr weit entfernt, dies bestätigte auch mein GPS. Nachdem ich noch einige Schneefelder und Bäche überquert hatte, war ich ungefähr um 17 Uhr beim Abstieg ins Tal, welches zu diesem Zeitpunkt wundervoll sonnendurchtränkt war.



    Die unzähligen Farben der Steine kamen so besonders gut zur Geltung. Hier gab es eine Menge Wasser, eine grosse Anzahl von Bächen und kleinen Flüsschen überzog die ganze Fläche. Von etwas weiter hinten drangen ununterbrochen Dampfschwaden in den Himmel. Ich wurde neugierig und wollte die Ursache dafür wissen. Ein dampfendes Loch klaffte in dem Hügel, aus dem mit grossem Druck beständiger Dampf herauskam.



    Natürlich handelte es sich um eine heisse Quelle. Auch auf dem Boden gab es eine Stelle, wo ständig Wasser kochte. Diese Fläche war vielleicht etwa so gross wie ein Autorad. Die Steine um diese Stelle herum waren besonders vielfarbig.
    Welch schöner Ort das hier war! Kein Wunder, glauben die Isländer an Fabelwesen. Bei solch einer mystischen Natur ist so etwas ja naheliegend.

  • Ich war erschöpft und müde, schoss einige Bilder von der Umgebung und machte mich dann daran, die Wasserströme zu überqueren. Bei den kleineren Strömen ging das mit einem einfachen Sprung, bei grösseren jedoch landete ich mehrmals im Wasser, meine Schuhe und Hosen bekamen dadurch einiges an Nässe ab. Schliesslich kam ich zum Ausgangspunkt des Laugavegurs. Der Weg war nach wie vor anspruchsvoll, grosse Pfützen und viel Matsch stellten sich mir in den Weg. Einige Touristen erkundeten das Gebiet, hin- und wieder liefen Wanderer mit entschlossener Miene den Wanderweg entlang, entweder vom Campingplatz weg oder zu ihm hin.
    Hier war es übrigens deutlich kälter als an anderen Orten, an denen ich die letzten Tage war. Kein Wunder, man befand sich hier auch in einem Tal, welches wohl nicht allzu viel Sonne abkriegte, bereits jetzt war sie nämlich hinter den Hügeln verschwunden.
    Ich beeilte mich und durchlief einen stark durchtrampelten Pfad entlang, bis ich mich dann beim Campingplatz von Landmannalaugar einfand.

    Ich hatte die Wanderung also geschafft! Glücklich, aber erschöpft ging ich in das Häuschen, welches mit „Rezeption“ angeschrieben war. Bald kam eine junge Frau und bediente mich, ich bezahlte für eine Nacht. Erfreut sah ich ein Plakat, welches für den Reiseführer von Uwe Grunewald warb. Aus diesem Reiseführer entnahm ich nämlich die Wanderung von Camp Rjupnavellir bis hier hin. Daher spreche ich an dieser Stelle einen grossen Dank aus an Uwe, der mich auch vor meiner Reise persönlich beraten hatte und mir einige Tipps gab. Seine Guide über das südliche Hochland Islands kann ich wärmstens empfehlen.



    Auf dem Campingplatz herrschte angeregter Betrieb. Der ganze Platz war mit Zelten übersät, alle Zelte waren mit Steinen befestigt. Wohl war der Boden zu ungeeignet, um ihn mit Heringen zu durchbohren. Ich versuchte es trotzdem, und zwar mit Erfolg.
    Die ganze Anstrengung und Müdigkeit machten sich bemerkbar. Ich fror und fühlte mich erschöpft. Unschlüssig sass ich erst in meinem Zelt und kochte mir etwas zu Essen. Schliesslich ging ich baden in dem berüchtigten Hop Pot von Landmannalaugar. Eigentlich war es hier wundervoll, doch ich fühlte mich nun echt ein wenig verloren, einsam. Nach der dreitägigen Wanderung, auf der ich sehr gerne alleine unterwegs war und bloss ein Mal mit jemandem sprach, hätte ich mir jetzt jedoch jemanden gewünscht, mit dem ich meine Gedanken austauschen hätte können.
Es schien hier kaum Menschen zu geben, welche alleine reisten. Überall sah man Gruppen oder Pärchen. Meine eher introvertierte Wesensart liess zudem auch kein Vorpreschen in Form eines spontanen Gesprächsbeginn mit einem Fremden zu. Jedenfalls nicht hier und jetzt.
    Wenigstens konnte ich ein Telefongespräch führen mit einer guten Freundin, allerdings war das hier alles so anders und aussergewöhnlich, dass es irgendwie wenig Sinn machte, dies mit jemandem zu teilen, der sich irgendwo zu Hause befindet und seinem stumpfen Alltag nachgeht. Später fand plötzlich ein Aufruhr auf dem Camping Platz statt: Ein Bus mit einer Reisegruppe kam an. Lärmend stieg die Gruppe mit riesigen Koffern und Taschen aus, machte sich daran ein riesiges Zelt aufzubauen. Es wurde nun rasch kälter und ich entschied mich, schlafen zu gehen.

  • Hallo Mario,
    ich freue mich immer, wenn es wieder eine weitere Folge von Deinen Erlebnissen gibt. Liest sich gut. Vielleicht solltest Du auch mal über ein kleines eBook mit Deinen Erlebnissen nachdenken. Material hast Du ja einiges.


    thx1

  • Hallo Mario,
    sehr schöner Reisebericht man fühlt sich wie live dabei auch die Sturmnacht im Zelt kann ich gut nachvollziehen. Ich war dieses Jahr auch alleine in Island unterwegs allerdings nur mit Zelt und Mietwagen für 10 Tage mehr freie Tage hat mir die Fam. nicht gestattet ;) .

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    Tag 17: Rückkehr nach Reykjavik





    Am nächsten Tag ging es zurück nach Reykjavik. Es war ein regnerischer Tag und auf dem Camp von Landmannalaugar war die Luft äusserst kalt. Ich zog mich doppelt so warm an wie normalerweise und begab mich zum Kiosk, wo ich einen Kaffe kaufte. Danach setzte ich mich in den ausrangierten Bus und wärmte mich auf. DIe Zeit bis zur Abfahrt des Cars verging somit recht schnell.




    Die Fahrt war teilweise äusserst aufregend, denn es gab mehrere Wasserläufe zu furten, die gar nicht mal so harmlos aussahen und oft eine starke Strömung besassen. Es wurde nochmals deutlich, wie karg und trostlos das südliche Hochland eigentlich ist. Minutenlang fuhren wir einfach durch eine Wüste schwarzer Lava. Durch den Regen und die schlechte Sicht wurde der Eindruck verstärkt, dass man sich gerade irgendwo in diesem Universum befand, auf keinen Fall jedoch auf unserer Erde.
    Zurück auf der Ringstrasse, dauerte die Fahrt nur noch etwas mehr als eine Stunde.
    In der Hauptstadt grüsste die Sonne und mit ihr angenehme Temperaturen. Der Busfahrer war so freundlich und liess mich, sowie einige andere Passagiere direkt beim Campingplatz von Reykjavik raus. Es war Donnerstag Abend, am Dienstag der nächsten Woche würde ich zurückfliegen. Ich hatte nun eigentlich keine wirklichen Pläne mehr. Vergnügt stellte ich mein Zelt auf und tankte einige Sonnenstrahlen.



    Am Abend startete ich im Hostel mit einem öffentlichen Computer bereits einige Anfragen auf couchsurfing.com, um Leute für gemeinsame Aktivitäten zu finden. Dies wollte erst jedoch nicht so ganz gelingen. Das schlechte Wetter erreichte indes auch Reykjavik, allerdings verweilte es bloss für kurze Zeit.




    Tag 18: Integration in die Zivilisation


    Ich schlief lange, machte mich nach dem Aufstehen erneut alleine auf die Socken und erkundete Reykjavik ein wenig genauer. Ich kaufte mir dabei auch eine Garnitur „normaler“ Klamotten. Nachdem man fast drei Wochen in den selben Kleidern und Schuhe verbrachte und sich so automatisch immer gleich als Tourist outete, war es ein Segen, mal wieder Jeans zu tragen und etwas leichtere Schuhe.
    Ich hatte dann wirklich noch Glück mit dem Wetter, es war meistens sonnig und warm. Dies machten meine Spaziergänge in der Stadt natürlich einiges angenehmer.
    Reykjavik selbst ist wirklich unglaublich klein. Das florierende Leben des Ortes konzentriert sich eigentlich auf eine grosse Strasse, wo sich gleichzeitig alle Bars und Clubs, jedoch auch die meisten Einkaufsmöglichkeiten finden. Witzig jedoch ist, dass sich auf dieser Strasse mehrheitlich Touristen befinden und nicht etwa Einheimische



    Tag 19: Erneuter Stadtbummel & Nachtleben Reykjavik's



    Am Abend des vorherigen Tages ergab sich dann doch noch etwas auf Couchsurfing und ich verabredete mich am heutigen Samstag mit einer Finnin, welche eben erst auf Island ankam. Jedoch kam bloss sie auf Island an, ihr Gepäck wurde wahrscheinlich falsch verladen und somit war Heidi ziemlich aufgeschmissen, jedoch keineswegs schlecht gelaunt. Wir verbrachten einen angenehmen Tag, ich erzählte ihr von meinen Erlebnissen, gab ihr Tipps, wir tranken Kaffee, besuchten die berüchtigte Kathedrale, schlichen uns ohne zu Bezahlen in den Lift und genossen den schönen Ausblick auf die ganze Stadt. Abgerundet wurde alles mit einem Besuch im Nationalmuseum von Island. Da gab es eine Menge interessantes zu entdecken. Besonders die alten Fotografien von Island gefielen mir ausserordentlich.



    Zuletzt trennten wir uns für eine Weile, um abends ein wenig das Nachtleben von Reykjavik zu erfahren.
    Ich schlief bestimmt zwei Stunden in meinem Zelt. Es war 19 Uhr als ich aufstand.
    Alkohol hatte ich bereits am Vortag gekauft in einem der staatlichen Shops. Natürlich war ich ein wenig perplex wegen den horrenden Preise, wenigstens erntete ich beim Bezahlen an der Kasse einen mitfühlenden und hilflosen Blick des Verkäufers.



    Ich traf mich mit Heidi, der Finnin beim Opernhaus und setzte mich da mit ihr auf einen Steg. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich unten im Wasser eine Qualle in Echt. Ganz schön erstaunt war ich, dass diese so leicht sichtbar waren. Wir zogen weiter in die erste Bar und ich lernte dort eine Schweizerin kennen, welche hier ein wenig verzweifelt nach Arbeit suchte.
    Anscheinend gestaltete sich diese Suche als gar nicht mal so einfach, da die isländischen Arbeitgeber ihrer Aussage nach Personal vorzogen, welches einheimisch ist, nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen, da beispielsweise ihre Ausbildung als Kindererzieherin in Island gar nicht existierte oder zumindest nicht in einer Form wie in der Schweiz und sie somit viel mehr erhalten müsste als eine Einheimische.
    Ob dies nun wirklich so ist, kann ich an dieser Stelle nicht bestätigen.


    Ein nettes Gespräch mit dem Türsteher des Clubs verriet einige Details über die Isländer und ihr Verhalten im Nachtleben. Laut und johlend seien sie und leider oft auch aggressiv, besonders wenn der Alkohol in grossen Mengen fliesse. Er sei schonmal mit einem Messer angegriffen und auch mit einem Stuhl niedergeschlagen worden. Warum dies so sei, konnte er mir nicht wirklich beantworten. Ein wenig verlegen bemerkte er, dass sie halt Wikinger seien. Er betonte, dass es ihm jeweils nicht anders ginge.



    Wir zogen weiter, die Sonne verschmolz mit dem Horizont und das Licht hatte eine zauberhafte Farbe. Bei einem kleinen Bänkchen, auf welches wir uns setzten, folgte eine weitere Kuriosität, ein älterer Herr mit aufgesetztem Headset tanzte anscheinend zu Musik, bot uns Zigaretten an. Wir schenkten ihm dafür ein paar Schlücke Bier. Freundlich zwinkerte er uns zu.
    Den restlichen Abend fasse ich einfach mal kurz zusammen. Irgendwann ging die Finnin zurück in ihr Hostel, ich machte mich alleine auf die Pirsch und versuchte, den Isländern ein wenig näher zu geraten. Dies gestaltete sich jedoch als ziemlich schwierig und anstrengend. Die Clubs und Bars, es gab nicht unbedingt viele davon, waren meist bis zum Bersten voll. Bereits um zwei Uhr waren die Strassen übersät mit Müll, überall standen junge Menschen, redeten, rauchten und tranken. Grosser Vorteil war, dass kein Eintritt verlangt wurde. Dies wäre bei den horrenden Alkoholpreisen jedoch fast schon grotesk gewesen.
    Mit den Isländern selbst ein wirklich anhaltendes Gespräch zu führen war ziemlich schwierig. Alle befanden sich in Gruppen, jeder schien sich zu kennen und jeder gab sich auch damit zufrieden, bloss mit Leuten zu reden, die ihm bekannt waren! Ich kam mir manchmal fast ein wenig belächelt vor: Der kleine, junge Tourist, welcher den Mut besitzt, sich unter das isländische Volk zu mischen und denkt, er könne einfach so Kontakte knöpfen. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass mir die Zeit davonlief. Die Nacht wollte einfach nicht kommen und kaum versah ich mich, war es bereits 5 Uhr Morgens, alles machte zu und die Masse drängte auf die Strasse.
    Ziemlich betrunken holte ich mir eine riesige Pizza, unterhielt mich noch mit einigen Isländern, genoss den Sonnenaufgang und machte mich dann zu Fuss auf den langen Weg zurück zu meinem Zelt.



    Natürlich war diese Situation ein wenig absurd, ich kehrte gerade um 6 Uhr Morgens nach einer durchzechten Nacht alleine auf einen Zeltplatz zurück. Mir sollte es gleich sein, ich schlief einige Stunden, wurde dann aber bald wach durch die Sonne, welche mein Zelt stark erwärmte.

  • Tag 20: Kaffee, Hot Dog und Faulenzen



    Die ersten paar Stunden nach dem Aufstehen räkelte ich mich bloss, lag im Gras herum und genoss das grandiose Wetter. Ich hatte natürlich noch Nachwehen von gestern. Als ich geduscht hatte, machte ich mich auf und besorgte mir etwas zu Essen im Nahegelegenen Supermarkt, welcher glücklicherweise 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche geöffnet hatte.
    Die Angestellten da waren sehr sympathisch und bereits bei meinem ersten Besuch vor zwei Wochen führte ich nette Gespräche.
    Zurück auf dem Campingplatz, telefonierte ich mit meinen Eltern und loggte mich danach wieder bei couchsurfing.com ein. Spontan meldete ich mich auf ein Inserat hin von einer Tschechin, welche erst kürzlich auf Island landete und nun als Au-Pair Mädchen bei einer Mutter mit zwei Kinder wohnte. Nur ungefähr eine Stunde später befand ich mich bereits wieder beim Harpa und traf die junge Frau. Es gefiele ihr leider überhaupt nicht gut bei der Mutter und sie beklagte sich über die starken Stimmungsschwankungen derer.
    Ich sprach ihr ein wenig Mut zu. Wir tranken einen Kaffee und sie erzählte mir schwärmerisch von dem Weltbesten Hot Dog, welcher am Hafen von Reykjavik erhältlich sein soll. Bereits J. F Kennedy posierte vor dem Bæjarins Beztu Pylsur, was übersetzt soviel bedeutet wie „Der Beste Hot Dog in der Stadt“.
    Wir gingen vorbei, bestellten einen Hot Dog und assen ihn.
    Ich empfand ihn als ziemlich lecker, wohl aber ist es heutzutage mehr die Tatsache, dass der Stand seit 1938 existiert und bereits prominenten Besuch bekam, welche Kunden und Touristen anlockt.



    Kurz darauf verabschiedete ich mich. Auf dem Rückweg verabredete ich mich zu meiner eigenen Überraschung mit Heidi zum Pferdereiten am Montag.
    Sie schwärmte bereits Samstags davon und wollte mich da schon dazu überreden.
    Da ich eh nicht wusste, was ich am vorletzten Tag tun soll, erschien mir diese Idee, welche ich anfänglich skeptisch ablehnte, eigentlich als ziemlich spannend und unterhaltsam. Ich war zuvor bloss als Kind einmal geritten und war somit völlig unerfahren.



    Tag 21: Auf dem Pferd


    Eines sollte man sich unbedingt bewusst sein: In Island steht man als Tourist ohne eigenes Verkehrsmittel immer früh auf. Vielleicht ist das aber auch an anderen Orten so. Dies galt jedenfalls auch für die vorher genannte Pferdetour. Bereits um 8 Uhr sollte der Bus vor einem Hotel nahe des Campingplatzes bereitstehen und uns abholen. Ich war somit bereits um halb sieben wach und trottete erstmal ziemlich übermüdet unter die Dusche und machte mich so gut es ging frisch. Beim nahegelegenen Bäcker kaufte ich mir ein Croissant, welches mit Schinken und Käse belegt war.
    Unter einem mit Wolken bedeckten Himmel traf ich Heidi und wir mussten erst eine Weile warten, bis der Bus kam.
    Mit Heidi verstand ich mich sehr gut und ich war einmal mehr absolut überzeugt von dem Konzept, welches couchsurfing.com seinen Nutzer bietet. Heidi hatte bloss die ersten beide Nächte bei einem Hostel gebucht, nun übernachtete sie bei einem Isländer zu Hause, den sie über couchsurfing.com fand, erhielt sogar einen Schlüssel für die Wohnung. Sie machte einen glücklichen Eindruck und teilte auch mit, dass sie sich sehr wohl fühle.
    Es ist eine einzigartige Art des Reisens, welche mich hoffentlich mein ganzes Leben begleiten wird.



    Heidi hatte die Tour bereits am Vortag gebucht. Zwei Stunden würden wir auf dem Pferd verbringen, danach gab es ein kurzes Stück zu wandern. Schliesslich befänden wir uns bei einer heissen Quelle, würden da Lunch essen und ein wenig im heissen Wasser baden.
    Nach ungefähr 40 Minuten Fahrt befanden wir uns auf einer Pferderanch. Was wir da noch nicht wussten war, dass die Zuteilung der Anwesenden nicht korrekt erfolgte.
    Erst später stellte sich heraus, dass wir auf unserer Tour nun nicht wandern werden, sondern die ganze Zeit auf dem Pferd verbringen! Eigentlich war uns das aber ganz recht so. Die Leiterinnen entschuldigten sich und versprachen, dass wir bloss den Preis für die Wandertour bezahlen.
    Die Pferde waren sehr pflegeleicht. Erst hatte ich ein wenig Angst, aber als ich auf meinem Gaul dann sass und nichts erschreckendes passierte, war ich gut gestimmt und freute mich auf die Tour. Das Pferd gehorchte mir dabei nur mässig. Die Leiterinnen der Tour wiesen uns sehr professionell an und führten uns dann auch. Wenn ein Pferd mal nicht gehorchte, dann bestimmt auf eine Leiterin.
    Der Weg führte dann in ein Gebirge, welches jedoch nicht unweit von der Ranch lag. Wir waren ungefähr 20 Leute in unserer Gruppe, was sich vielleicht nach viel anhört, trotzdem aber angenehm war.
    Die schnellste Gangart war der spezielle Tölt, welcher schon relativ schnell war, sich jedoch ziemlich unbequem anfühlte als Reitanfänger.
    Bei den heissen Quellen gab es ein Sandwich und eine Wasserflasche für jeden. Die Pause war mit bloss einer Stunde sehr begrenzt. Hier war es jedoch ziemlich kalt und es regnete immer wieder ein wenig. Viele Wanderer badeten bereits in dem heissen Bach, ich hielt zumindest meine Füsse hinein.



    Bald befanden wir uns auf dem Rückweg, welcher über eine andere Route zurück zur Ranch führte. Nachdem ich ungefähr 20 Minuten am Stück Tölt geritten war, fühlte ich mein Hintern fast schon nicht mehr. Der Schmerz war wirklich nicht zu unterschätzen.
    Mit dem Bus ging es dann zurück nach Reykjavik.


    In etwas mehr als 12 Stunden würde ich bereits fliegen, nämlich am nächsten Morgen um 7.30.
    Das Wetter in der Hauptstadt war wieder ein wenig besser. Ich hatte Kontakt mit dem Deutschen, welchen ich beim Myvatn kennenlernte. Wir trafen uns auf ein Sandwich und tauschten erneut Erfahrungen aus. Es ergab sich eine interessante Gesprächsrunde. Ich hatte mein Zelt bereits zusammengepackt und war bereit dazu, schon am Vorabend an den Flughafen zu fahren.
    Ich hatte nämlich grosse Angst davor, den Flug zu verpassen oder aus irgend einem Grund den Transfer zum Flughafen nicht zu erwischen oder ganz einfach den Abflug zu verschlafen. Dem wollte ich entgegenwirken, indem ich am Flughafen übernachtete.



    Ich nahm also den Flybus zum Flughafen, es war bereits 10 Uhr abends. Eigentlich hatte ich vor, irgendwo vor dem Flughafen zu zelten. Dieses Vorhaben brach jedoch erst ein wenig auseinander. Ich betrat ein Hotel vor dem Terminal, um mich nach den Preisen zu erkundigen. Nachdem ich mich jedoch hinten anstellen musste und bereits mehrere Minuten wartete, änderte ich meine Meinung doch und flüchtete aus der Hotel Lobby.



    Nun hatte ich 20 Nächte in meinem Schlafsack verbracht, da werde ich es die letzte doch auch noch irgendwie schaffen. Ich überquerte die Hauptstrasse und lief ein wenig auf dem Moosüberwachsenen Feld. Irgendwann stiess ich auf eine praktische Grube. Dort baute ich mein Zelt auf, stellte den Wecker und schlief dann auch recht zügig ein.



    Tag 22: Ab nach Hause!



    Frühzeitig und ziemlich übermüdet begab ich mich zum Flughafengebäude. Es war ziemlich kühl und windig, doch die Luft war klar und der Regen blieb aus.
    In wenigen Minuten hatte ich meinen Rucksack eingecheckt und befand mich auch schon in der Abflughalle.
    Ein Sandwich und ein Getränk weiter sass ich bereits im Flieger und rollte auf dem Flugfeld herum. Es war erstaunlich, wie kurz die Abfolge der startenden Flieger war. Bestimmt 15 Flugzeuge hoben innerhalb einer Stunde ab, alle der Flotte von Icelandair angehörig.
    Der Flug kam mir sehr lange vor.



    Als ich in Zürich landete, erwarteten mich bereits einige meiner Angehörigen. Die warme Luft machte mir schon nach wenigen Minuten zu schaffen. Es war bestimmt mehr als 25 Grad.
    Während ich auf der ganzen Reise eigentlich nie Sehnsucht nach meiner Heimat hatte oder mich speziell nach jemandem von da sehnte, so bekam ich beim Warten auf mein Gepäck einen kleinen Gefühlsausbruch, ich weinte heftig und brauchte einige Minuten, um mich zu beruhigen.
    Ich konnte jedoch nicht beurteilen, wieso ich eigentlich weinte. Ich fühlte mich grandios und war überglücklich. War es, weil die Reise vorbei war und weil ich mich nun wieder in der „langweiligen“ Schweiz befand? Oder waren es über die 3 Wochen angestaute Gefühle?
    Meine erste grosse Reise war beendet. Was für ein Erlebnis. Ich konnte schon jetzt kaum erwarten, wann es wieder soweit ist und ich mich alleine in die weite Welt wage. Hoffentlich das nächste Mal noch einiges länger als bloss drei Wochen.

  • Die schnellste Gangart war der spezielle Tölt, welcher schon relativ schnell war, sich jedoch ziemlich unbequem anfühlte als Reitanfänger.

    Tölt unbequem? Dann hast du etwas falsch gemacht. Der Tölt ist etwa die komfortabelste Gangart die es gibt. Das Pferd spürt man fast nicht.

  • Super Reisebericht mit tollen Fotos, Stargazer :) daumenhoch !

    Tölt unbequem? Dann hast du etwas falsch gemacht. Der Tölt ist etwa die komfortabelste Gangart die es gibt. Das Pferd spürt man fast nicht.

    Klaufi: Stargazer schrieb ja, dass er Reitanfänger ist. Ich denke, da ist es durchaus legitim, auch den Tölt als ungewohnt zu empfinden...

  • Klaufi: Stargazer schrieb ja, dass er Reitanfänger ist. Ich denke, da ist es durchaus legitim, auch den Tölt als ungewohnt zu empfinden...


    Unbequem. Nicht ungewohnt.


    Klar ist dass für Reitanfänger speziell. Ich rechne auch nicht damit das Neulinge 12 Stunden auf dem Pferd sitzen. Aber der Tölt ist nunmal der bequemste Gang. Auch wenn ich den Galopp bevorzuge.

  • Hello,


    ich möchte auch demnächst wieder mal nach Island fliegen und wollte mich mal so ganz grob erkundigen, wie das denn generell mit Gelsen und Mücken aussieht. Es ist ja davon die Rede, dass sich sehr schnell irgendwelche Insekten breit machen. Kann man das vielleicht ein bisschen genauer spezifizieren und wie schützt ihr euch davor?


    Ist es ausreichend, wenn ich von dort meinen Stichheiler mitnehme oder sollte ich mich auch noch irgendwie anders schützen.


    Bin wirklich für jeden Tipp dankbar.

  • ist nicht gleich Tölt.
    Manche Pferde haben tatsächlich einen furchtbaren Tölt, der eher einem unbequemem Trab ähnelt.