Das bin ich und so war`s...

  • Tag 5


    Heute beginnt der zweite Abschnitt unseres diesjährigen Trips. Wir freuen uns auf Hochland, F-Straßen und Wasserdurchfahrten. Letztere gibt´s sogar als wir uns über die Straße 690 auf den Weg machen. Wohl auch deshalb begrüßt uns zu Beginn dieser herrlich einsamen Straße ein Hinweisschild mit einer 4x4-Empfehlung. Sie führt uns durch ein solch enges Tal, dass dieses trotz durch die Wolkendecke drückende Sonne im Schatten versinkt. Als wir wieder am Meer ankommen, ändern sich die Sichtverhältnisse schlagartig. Wolkenlos blauer Himmel und ein Fernblick bis zum Langjökull prägen nun das Bild. Der Gletscher könnte als Orientierung dienen, um unser heutiges Tagesziel in der Nähe Husafells zu erreichen. Etwas langsamer als gedacht kommen wir voran, geht es doch gelegentlich auf Schotter einige Höhenmeter rauf und runter. Wahrscheinlich deshalb gehen mir bei Auffahrt auf die Ringstraße für sechs Sekunden die Pferde durch und ich lasse den Jeep ungezügelt auf 90 km/h galoppieren. Nach den Erfahrungen der letzten Tage fühlen sich die 30 Kilometer nach Hvammstangi wie Autobahn an. Dort angekommen gehen wir unserer Lieblingsbeschäftigung nach. Nachdem wir in der Post einige schöne Postkarten bekommen, geht es in die Wollfabrik. Ohne jemals hier gewesen zu sein, kommen uns einige Motive vertraut vor. Dem Online-Versandhandel sei Dank trage ich doch nichtsahnend eine Mütze von hier, die mir Madame zum Geburtstag geschenkt hat. Die Dame an der Kasse ist erfreut darüber, konnte sie unser Getuschel doch sofort verstehen. Wir Plaudern etwas mit der netten Deutschen, die zugleich Chefin der Fabrik ist. Anschließend laufen wir durch die Produktionshalle, nicken und grüßen freundlich und verlassen den Laden natürlich nicht mit leeren Händen. Nun geht es zum Kolugljufur. Während auf der Ringstraße mehr Verkehr als auf der A71 herrscht, ist man hier 10 Kilometer abseits nahezu allein. Lediglich zwei selfie-schießende Grazien, die an der Fallkante der zahlreichen Rinnsale turnen, sind einfach nicht aus dem Bild zu bekommen.



    Nachdem wir sie uns einfach wegdenken, sind wir zufrieden und machen uns weiter südwärts.



    Es werden die letzten Menschen sein, die wir in den nächsten Stunden zu sehen bekommen. Denn genau hier steigen wir ein in die westlichen Ausläufer des Hochlands. Während uns Anfangs einige Schafsgatter etwas Abwechslung bieten, fahren wir fortan durch eine karge, schier endlose Landschaft. Ein Geduldsspiel bei teils ruppigen Untergrund. Von den zahlreichen Seen und Wasserdurchfahrten, die die Karte zu versprechen mochte, ist keine Spur. Es scheint als zollt die Gegend dem trockenen Sommer Tribut. Dennoch gibt es hin und wieder Lichtblicke. Etwas Wollgras hier, ein Schaaf da und der Langjökull in der Ferne sowieso.



    Und so treibt es den Punkt auf dem Navi langsam aber stetig voran bis wir auf die Ost-West-Verbindung zwischen F578 und F35 treffen. Zwar wird auch hier nicht höher als in den zweiten Gang geschalten, aber wir merken anhand der Spuren, dass die Verkehrsdichte hier höher ist. Und so dauert es nicht lange bis ein roter Punkt am Horizont auftaucht- ein Iveco Daily. Der mürrisch daherschauende Fahrer lässt uns freundlich vorbei. Wenig später erreichen wir den Rettarvatn, wo es durch eine unscheinbare Furt geht. Kaum länger war sie doch mindestens so tief wie eine randvolle Badewanne- ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Unmittelbar nach der Unterbodenwäsche entdecken wir ein Grassodenhaus am Wegesrand. Da wir unseren roten Verfolger noch nicht abschütteln konnten, wollen wir nicht als Hindernis auf dem einspurigen Track auffallen. Wir fahren ohne Stopp weiter und bereiten uns mental auf die nächste Prüfung vor- die Durchquerung der Nordlingafljot. Besonders Madame hat nun einige Kilometer Zeit sich mit dem 30 Meter breiten Fluss anzufreunden, der uns nicht mehr von der Seite weicht. Habe ich mir gelegentlich vorgestellt, wie es ist vorm ersten richtigen Fluss zu stehen, schleppt sie den Gedanken mindestens den ganzen Tag schon mit sich rum. Habe ich ihr immer gesagt, dass wir notfalls umdrehen, hat sie auch begriffen, dass es dann eine Nachtschicht gibt. Und so stehen wir nun da am Fluss.



    Ich steige aus, stelle meine meterfünfundsechzig auf einen großen Fels und nicke ihr, mir und dem Publikum auf der Gegenseite selbstsicher zu. Aufgeregt steige ich ein, lege alle Hebel um und fahre in störrischer Ruhe durch das Wässerchen. Obwohl es sich leicht tanzend bis leicht treibend anfühlt, fühle ich auf den ersten Metern, dass sie fühlt, dass ich fühle, dass wir es schaffen. Drüben angekommen lass ich mich vom einzigen Zuschauer feiern. Er lobt das geringe Tempo und zeigt mir genug Fotos um daraus ein Daumenkino zu machen. Er selber tut das, was ich auch am drittletzten Tag einer dreimonatigen Islandtour machen würde und dreht mit seinem Pickup-Camper um. Freundlicherweise lässt auch er uns den Vortritt, damit ich mich noch etwas austoben kann. Wir lassen die Höhlen rechts liegen, treffen den versteinerten Hraunakarl, verzichten auf alte Bekannte namens Hraunfossar und Barnafoss und checken im Hotel-A ein.



    Wir legen uns bei herrlichen Sonnenschein noch ein bisschen aufs Gras vorm Hotel um Postkarten zu schreiben und genießen bei tollem Blick in das Tal der Hvita ein leckeres Abendessen.

  • Ein superschöner Bericht :nummer1:
    Die Westfjorde sind ein Traum. Wir waren im Juni mit einem Camper dort. Eine ganz spontane Entscheidung. Das Wetter war traumhaft und so haben wir direkt nach unserer Ankunft alle Pläne (es sollte eigentlich einmal rum gehen ;) ) über Bord geworfen und sind einfach der Sonne hinterher gefahren.
    Die Westfjorde haben mich total fasziniert. Es war eine verdammt gute Entscheidung daumenhoch .
    Nun freuen wir uns auf den 30.10. Dann geht es wieder los GoIceland

  • ein toller Bericht und sehr schöne Fotos. Das macht viel Spaß zu lesen und lässt mich mit großer Vorfreude auf meinen ersten Islandurlaub im kommenden Jahr weiterplanen.
    viele Grüße
    Lothar

  • Tag 6


    Während so mancher Islandveteran über unsere zurückliegende Flussdurchquerung nur müde lächeln mag, sind für uns die Eindrücke des Vortages noch so präsent, dass wir gespannt sind, was uns heute auf den Pisten erwartet. Folglich ist es unser Auto, das als Erstes vom Hof rollt. Bei Kaiserwetter geht es durch die verhältnismäßig üppige Vegetation Husafells auf die Straße 550. Grün wird zu Grau und der Langjökull ist hier fester im Blick denn je. In bewundernswerter Ödnis wird der Straßenzustand jedoch mehr und mehr zum Ärgernis. Zwar trübt die Erwartungshaltung nach einer SUV-Autobahn die Wahrnehmung, aber in Fakt werden wir durch die Waschbrettprofile an den Steigungen ständig unseres Schwungs beraubt. Doch schon bald ist Besserung in Sicht. Unverkennbar deuten Strommasten In der Ferne an, dass hier der Abzweig zur F338 sein muss. Die sogenannte Strommastenpiste zeigt sich umgehend von einem anderen Charakter. Schwarzer relativ fester Sand und schwungvolle Richtungswechsel sind nun eine Wohltat für den Steuermann. Obendrauf wird es landschaftlich nicht schlechter. Umgeben von Sand und erstarrter Lava, der Langjökull in seinem weißen Gewand links und der Schildvulkan Skjaldbreidur rechts, lassen die Stromleitung zu einer speziellen Requisite in einer naturprächtigen Kulisse verkommen. So geht es kurzweilig bis zur Abbiegung auf die F337 weiter. Kaum auf der neuen Straße teilt sich diese kommentarlos auf. Wir entscheiden uns für die westliche Variante und werden prompt belohnt. Weit verstreut liegen teils einfamilienhaus-große Brocken herum, die Mutter Natur anscheinend vom angrenzenden Berghang hat purzeln lassen.


    Ein gleichzeitig bizarres wie auch angsteinflößendes Bühnenbild. Als wir uns gerade wie auf einem anderen Planeten fühlen wollen, kommen zwei Lichter über den Berg, noch zwei und noch zwei usw…Es sind rund ein Dutzend VW Touareg der Volkswagen-Driving Experience. Individualtourismus für gut zahlende Hemdträger. Ich suche mir ein Plätzchen am Wegesrand und lasse die Kollegen vom Klassenfeindprimus vorbei. Nachdem mir der Fahrer des letzten SUVs signalisiert der letzte seiner Art zu sein, geht es in zunehmend wüstenartigem Gebiet weiter.



    Der Sand wird tiefer, der Weg endloser und am Horizont flimmern die ersten Fata Morganas. Unsere Augen entdecken einen Superjeep, der zwei Fahrräder hinter sich herzuziehen scheint. Mit jedem Meter, den wir näher kommen, trügt unsere Wahrnehmung weniger. Wieder werden wir Zeugen von besonderer Dienstleistung für Islandreisende. Während sich die zahlende Klientel per Fatbike durch den Sand strampelt, genießen zwei hippe Guides das Schweißtreiben im Rückspiegel. Mindestens so ungewöhnlich wie die Fortbewegungsart der Jungs ist ihr Ziel, welches auch unser nächster Anlaufpunkt ist. Wir befinden uns an der Bruararskord, dem Quellgebiet der Bruara, die flussabwärts mittlerweile zum beliebten Fotomotiv geworden ist.


    Selten treibt es Leute hierher, wo das glasklare Wasser der Bruara aus der Wand kommt, sich in tiefblauen Becken sammelt ehe es über mehrere Fallstufen Richtung Süden fließt. Das volle Spektrum des Naturschauspiels ist heute allerdings nur zu erahnen, denn auch hier hinterließ die Trockenheit ihre Spuren. Ein Weilchen folgen wir zu Fuß dem Fluss, bevor wir weiter Richtung Zivilisation rollen. Schon bald sind der Laugarvatn und die stark frequentierte Straße 37 zu erspähen. Ohne Popcorn aber am Trockenfisch knabbernd erleben wir bei langsamer Bergabfahrt das Landschaftskino von oben. Plötzlich stoppt ein Knacken die Freude am Ausblick. Das Poltern der letzten Kilometer und die Härte des Trockenfischs waren wohl zuviel für einen von Madame´s Zähnen. Es ist Freitagmittag, wir haben keinen Plan wo der nächste Zahnarzt ist und so bleibt ihr nichts anderes übrig als auch dies mit Bravur zu überleben. Nach kurzer Aufregung sind wir wieder in der Spur und nähern uns dem Bruarafoss. Wir parken vorm ersten Hinweisschild auf Privateigentum und laufen zehn Minuten durch Ferienhaussiedlung und Gestrüpp, um uns den Wasserfall mit zwei bis drei anderen zu teilen.


    Wir fotografieren eifrig und machen uns nun auf unseren Hunger zu stillen. Dazu steuern wir die Tomatenfarm Fridheimar an. Wir entscheiden uns für Tomatensuppenflatrate und einen sonnigen Platz auf der Terrasse. Jeweils zwei Teller später sind unsere zarten Körper satt und wir ziehen weiter, schließlich gibt es heute noch einige Highlights zu sehen. Nach kurzem Versorgungsstopp in Fludir erreichen wir nach knapp 50 Kilometern das Erste davon. Es ist der Hjalparfoss, dessen zwei Flussarme irgendwie idyllisch in ein gemeinsames Becken fallen.


    Zusammen mit einigen Anglern am Uferrand ergibt sich eine stimmungsvolle Szenerie, die zum Verweilen einlädt. Doch irgendwann müssen wir weiter, denn wir haben entschieden, uns das auf der Route liegende Biotop Gjain und den Haifoss nicht entgehen zu lassen. Dabei habe ich die Rechnung nicht mit der zeitverschlingenden Anfahrt gemacht. Nichtsdestotrotz vergessen wir die Zeit als wir im Biotop angekommen sind. Sofort fühlen wir uns wie auf einem Spielplatz für Naturbegeisterte und hüpfen umgeben von vielfältigsten Wasserfällen und saftigen Grün freudig von Stein zu Stein. Als wie aus dem Nichts eine Busladung von Heranwachsenden auftaucht und die Situation durch im-Schlüpper-durchs-Wasser-planschende-Kids eher in einen Kindergarten gewandelt wird, ergreifen wir die Flucht. Mit Blick auf die fortgeschrittene Tageszeit ist das nicht die schlechteste Entscheidung. Bei tief stehender Sonne holpern wir zum donnernden Haifoss.


    Trotz überwältigenden Fernblick und der Kraft des Wassers, knipsen wir ihn, geschafft vom Tag, einfach nur noch weg. Etwas unglücklich darüber, erhöhen sich jedoch just in diesem Moment die Chancen auf ein nächstjähriges Wiedersehen. Getrieben von dieser Einstellung lassen wir uns die letzten Kilometer ins Hotel Hrauneyjar treiben. Wir beziehen ein kleines aber feines Zimmer und beenden den langen Tag bei saftigen Burger und köstlichen Lachs.

  • Tag 7


    Heute ist Ruhetag. Das gönnen wir uns zur Halbzeit des Urlaubs einfach mal. Auf uns übersetzt heißt das: wir nehmen uns vor nicht mehr als hundert Kilometer zu fahren, wollen ein bisschen Wandern und abends ins gleiche Bett fallen aus dem wir morgens aufgestanden sind. Mit diesen Aussichten nehmen wir heute den Raudfossar und seine Quelle als Ausflugsziel ins Visier. Kaum auf der Piste bekommen wir zum ersten Mal einen Eindruck davon, was das zentrale Hochland hier zu bieten hat. Schwarzer Sand und das satte Grün der Berge bilden einen majestätischen Kontrast, ständig wechselndes Licht sorgt für eindrucksvolle Schattenspiele der Wolken und die sparsame Vegetation sorgt mancherorts für zusätzliche Farbtupfer. Farbenreichtum könnte auch das Schlagwort des Tages werden. So zeigt sich der tiefblaue Kratersee Ljotipollur umschlungen von rot-schwarzem Gestein, die Gegend um Landmannalaugar gewohnt farbenfroh und der bald erreichte Wasserfall, unweit der Straße F225 in rot-weiß. Zeitloser unterwegs denn je laufen wir entspannt mit dem Blick für die schönen Kleinigkeiten etwa eine halbe Stunde, ehe wir am Wasserfall ankommen.


    In aller Seelenruhe bauen wir das Stativ auf, suchen den besten Bildausschnitt und nehmen uns sogar Zeit für gestellte Fotos.


    Langsam aber sicher machen wir uns auf Teil zwei des Tages in Angriff zu nehmen. Um zur farbenprächtigen Quelle zu gelangen, müssen wir den gleichen Höhenunterschied überwinden, wie es der Raudfossar soeben geschmeidig am roten Hang tat. Für uns allerdings geht es auf losem Geröll steil nach oben. Jeder Schritt hinauf wird durch ein sanftes Zurückrutschen begleitet. Der so entwertete Wirkungsgrad lässt die Oberschenkel brennen und den Schweiß laufen. Halb entkleidet kommen wir oben an, atmen durch und schauen erleichtert zurück auf die uns nun zu Füßen liegende Landschaft. Wir folgen für etwa zwei Kilometer dem Flussverlauf. Dabei überspringen wir gelegentlich kleine Nebenflüsse, versinken knöcheltief im Sumpf und machen einen großen Bogen um einige Schafe. Wenn der Fluss abbiegt, biegen auch wir ab; wenn er unter einem Schneefeld verschwindet, hoffen wir auf baldiges Wiedersehen. So sind wir total aufgeregt als plötzlich die ersten Verfärbungen des Flussbettes auf das Quellgebiet hindeuten.


    Als hinter einer Kurve wie aus dem Nichts ein kleiner Wasserfall auftaucht, halten wir zum ersten Mal den Atem an.


    Wir nutzen dieses feine Stückchen Erde für ein Päuschen bevor wir den letzten kleinen Hügel hochkraxeln. Dahinter ist sie nun, die Krönung des Tages, die Quelle in Gestalt eines Auges. Bevor ich in Freudentränen ausbreche, überlege ich mir, wie man diese Schönheit überhaupt im Bilde festhalten kann. Mit Polfilter vor der Linse suche ich nach möglichst perfekter Draufsicht. Schnell wird mir klar, dass mit meinem Zwergenmaß kein Weiterkommen ist. Wir verzichten auf die Option des Huckepacks und verlängern unsere Arme mithilfe des Stativs. Immer wieder halten wir es hoch, lassen den Selbstauslöser für uns abdrücken und treffen irgendwann ins Schwarze-guteTeamarbeit.


    Nebenbei vergessen wir nicht, dass das wohl einer dieser unvergesslichen Momente im Leben ist und so inhalieren wir noch mal die Atmosphäre ein, bevor wir den einstündigen Rückweg zum Auto antreten. Dort angekommen stärken wir uns erstmal, um anschließend vielzuviel Energie dafür zu verschwenden, den doofen Filter vom Objektiv zu bekommen. Nach erfolgloser Operation wird sich der weiteren Tagesplanung gewidmet. Es ist früher Nachmittag und eigentlich zu früh zum Beinehochlegen. Es ist toll nicht zu müssen aber zu können. Dementsprechend fügen wir uns unserem Tatendrang und wählen ein neues Ziel aus. Hoch hinaus soll´s gehen-zum Hrafntinnusker. Kurz nach dem Abzweig von der F225 wird die Piste fortan rauer. Schon bald finden wir uns in Steigungen wieder, die dafür sorgen, dass unsere umgelegte Rückbank in ihre Ausgangslage schwingt. Tiefe Furchen tun sich auf und unser Jeep dürfte sich erstmals artgerecht behandelt fühlen.


    Wir kreuzen einige Flüsse und wissen schon bald nicht mehr, ob wir Himmel oder Hölle näher sind. Die Erde beginnt zu dampfen und zu spucken. Ein Hauch von Schwefel manifestiert, dass die Erde hier am Leben ist.


    Am Abzweig zu den "Eishöhlen" biegen wir rechts ab und sind am Ende der herausfordernden Sackgasse angekommen. Ein Ritterschlag für einen Mietwagen hier oben zu sein wo sich 4x4-Freaks, Expeditions-LKW und natürlich die Isländer gute Nacht sagen. Ein unheimlicher Ort empfängt uns mit wenig Kontrast zwischen tiefhängenden Wolken und dem weißgrauen Schneefeld. Warme Flüsse und blubbernde Töpfe sorgen für das Extra an Schaurigkeit. Wir tasten uns behutsam vor bis wir im Respektabstand vorm ausgehöhlten Schneefeld stehen.


    Neben Treibhauseffekt und Klimawandel zehrt hier die Energie der Erde am Schneehäubchen des Gipfels. Während Schnee und Eis durch die wärmende Unterstützung dahinschmelzen, lassen uns Temperaturen um den Gefrierpunkt schon bald abdampfen. Gute zwei Stunden später erreichen wir unser Hotel, was sich nach dem Hotelhopping der letzten Tage wie heimkommen anfühlt.

  • Ahhhh... Dein Bericht tut schon fast weh, denn wir sind in der Nähe des Rauðufossar durch unsere erste Furt überhaupt gefahren, und haben beschlossen, den Wasserfall bei einer der nächsten Islandreisen genauer zu untersuchen. Wir wollten Landmannalaugar erreichen.


    Die Quelle ist ja der Hammer, und der andere Wasserfall erst. Woher wusstest Du davon?


    Überhaupt ist Dein gesamter Reisebericht super und eine wahnsinns Quelle der Inspiration. Vielen, vielen Dank dafür.


    Dieter

  • Also erstmal allen vielen Dank für das überwältigende Feedback. dankeschoen1


    Die Quelle ist ja der Hammer, und der andere Wasserfall erst. Woher wusstest Du davon?


    Überhaupt ist Dein gesamter Reisebericht super und eine wahnsinns Quelle der Inspiration. Vielen, vielen Dank dafür.


    Dieter

    Nun zur Quelle der Quelle :) : ich glaube, das erste Mal wurde ich auf den Rauðufossar aufmerksam, als ich ihn auf Nord63 seiner grandiosen Homepage www.nordbilder.com sah. An dieser Stelle vielen Dank für die vielen Inspirationen.


    Als ich dann auf GoogleEarth zwecks Anfahrt recherchierte, sah ich in der Nähe des Wasserfalls ein Foto der Quelle. Damit hatte ich dann auch die Position.


    Dass ich jetzt meinerseits für Inspiration sorgen kann, freut mich sehr. Trotzdem ist das GPS-Koordinaten-Thema immer sehr sensibel. Zum Einen sind Koordinaten ungemein behilflich, zum Anderen haben sie dafür gesorgt, dass manche Sehenswürdigkeit der Menschenmassen nicht mehr Herre wurde. Auch wenn ich letzteres bei der Quelle nicht glaube, verzichte ich darauf und bin mir sicher mit den o.g. Informationen könnt ihr euch vom Wasserfall entlang der Karte zur Quelle hangeln. Ich hoffe das ist eine diplomatische Lösung. peace

  • Ja liebe Leute,
    eigentlich wollte ich gerade Tag 8 preisgeben. Aber leider funktioniert tinypic gerade nicht bei mir.
    Ich versuch´s morgen nochmal und hoffe ihr könnt euch noch gedulden schreib1

  • Vor lauter Kummer und Gram, weil es nichts zu lesen gibt, hab ich mich sinnlos mit einem Becherowka betrunken. cheers1 Mach das nicht nochmal! Hicks.

    Grüße aus dem schönsten Bundesland Schleswig-Holstein

    Island Mai 2016 und dann immer wieder

  • Tag 8


    Sorglos könnten wir in den Tag starten, schließlich waren die Erlebnisse gestern einzigartig. Trotzdem haben wir etwas Bauchweh. Nicht etwa vom Hotel Hrauneyjar, was uns im Übrigen positiv überrascht hat, sondern wegen dem Filter, der noch immer gegen unseren Willen vorm Objektiv hängt. Man(n) kennt das: man hat nicht wirklich ein Problem, hat aber den Ansporn es zu lösen. Da die Lösung gestern Abend auf sich warten ließ, geben wir dem Ehrgeiz heute noch eine Chance. Dazu planen wir den Tag kurzerhand um. Landmannalaugar zu Beginn und unsere Unterkunft in Giljaland bleiben gesetzt. Der Weg dazwischen wird auf den Kopf gestellt, um eventuell in Hella oder Hvolsvöllur nach Werkzeug für die Mission Objekttuning fündig zu werden. Soweitsogut machen wir uns an die Praxis und kommen eine Stunde später in Landmannalaugar an. Nachdem beide Flüsse vor den Kameras einiger Schaulustiger durchquert sind, werden wir vom Flair eines Musikfestivals empfangen. Aus hunderten Zelten schlüpfen zu Hauf relativ verkaterte zumeist junge Leute. Wir begrüßen dieses Verhalten, denn so zieht es uns mit einer Dusch/Frühstückslänge Vorsprung ziemlich allein auf die Wanderwege. Während wir zunächst recht emotionslos das Lavafeld durchqueren, wartet an dessen Ende eine Gefühlsexplosion in Form einer Reizüberflutung. All die Fotos, die ich von diesem Ort kannte und für künstlerisch geschönt hielt, werden plötzlich zur authentischen Dokumentation dieses Farbenspiels. Wie in einem Gemälde zieht die mit Wollgras geladene Wiese den Blick in die Ferne. Dort runden Berge mit allen Farben aus dem Tuschkasten der Natur das Kunstwerk ab.


    Schon in diesem Moment wird mir klar, dass mir die Worte fehlen werden diese Eindrücke wiederzugeben und so nehme ich meinen Finger förmlich nicht mehr runter vom Auslöser der Kamera. Daran ändern die zunehmend rauchende Erde und der mit jedem Höhenmeter gigantischere Weitblick nichts. Im Gegenteil- spätestens am Anstieg zur Brennisteinsalda muss ich aufpassen den Anschluss nicht zu verlieren. Immer wieder bleibe ich stehen, drehe mich knipsend im Kreis und lege dann einen lockeren Sprint hin.


    Erst beim Wiederabstieg ins Tal setze ich neue Prioritäten und stehe Madame kameradschaftlich bei. Ein letztes Mal genießen wir die Einsamkeit, bevor wir uns angesichts der nun heranströmenden Wanderfreunde im Lavafeld wie in einer Sackgasse fühlen. Hat sich das antizyklische Vorgehen beim Wandern bis hierhin gelohnt, rächt es sich auch bei der Abfahrt über die Piste F225, wo ich häufiger denn je im Fairplay-Modus bin um andere durchzulassen. Wenn doch alle so wären wie ich. :D Ebenso vorbildlich geht es dann auf Asphalt weiter. Tempomat auf 90km/h stellen, zurücklehnen und schon eine halbe Stunde später erfreuen wir uns am Ortsschild Hellas mal wieder in der Zivilisation zu sein. Aufgeregt betreten wir den Supermarkt. Diesmal jedoch nicht wegen des Süßigkeitenregals sondern im Glauben was Brauchbares für/gegen unseren Filter zu bekommen. Doch hier, wie auch an der Tankstelle haben wir keinen Erfolg und suchen unsere letzte Chance in Hvolsvöllur. Doch es ist und bleibt überraschenderweise Sonntag und so ist der vielleicht rettende Baumarkt verschlossen. Damit haken wir dieses Pseudoproblem ab und widmen uns den Dingen warum wir Urlaub machen, in Island sind und einen begnadeten Offroader gemietet haben. Ich wäre nicht ich, wenn ich der Ringstraße nicht die Nordumfahrung des Myrdalsjökull vorziehen würde. Wir fahren entlang des mächtigen Markarfljot, besuchen den überraschend kraftvollen Gluggafoss und strahlen mit der Sonne um die Wette.


    Wir hoppeln vorbei am einhörnigen Berg die Piste hoch und werfen in der Nähe der Hütte Mosar einen Blick in die tiefe Schlucht des Markarfljot.


    Ab hier sind wir wieder auf Kurs. Hatte ich doch geplant ursprünglich für heute diverse Nebenpisten zwischen F225, F210 und F261 zu nehmen. So ist mir der nächste Wegpunkt auch kein unbekannter. Mit Besorgnis hatte ich in den letzten Wochen die Meldungen über einen hohen Wasserstand des Blafjallakvisl verfolgt. Als wir am Fluss ankommen, habe ich zum ersten Mal auf diesem Trip das Gefühl gestoppt zu werden, während bei ihr das Thema ohnehin durch ist. „Eine braune reißende Brühe durch die wir nicht durchfahren“.


    Bevor sie meine Angst Respekt sehen kann, entledige ich mich Schuhen und Hose und schnappe mir den für diese Zwecke mitgenommen Wanderstock. Ich setze meinen ersten Fuß ins eiskalte Wasser und fühle mich besiegt. Mit stechenden Schmerz in Knöchelhöhe und seelisch umgeknickt und abgetrieben, stochere ich mich trotzdem Schritt für Schritt bis zur Mitte. „Wenn ich es bis hier hin zu Fuß packe, schaffe ich mit dem Jeep auch den Rest“, rede ich mir gut zu. Schnell zurück, abgetrocknet und warmgerieben leite ich das übliche Spiel ein-Allrad rein, Untersetzung rein und nochmal durchatmen. Mit 60 bis 70 Zentimeter Wasser vor, unter und neben dem Auto sowie mittlerweile einigen Regentropfen geht es unspektakulärer auf die andere Seite als die Farbe und das Geräusch des Wassers es scheinen lassen. Auch nach dieser feuchten Erfahrung bleibt es nass, und zwar von oben. Der graue Himmel setzt sich kaum noch vom schwarzen Lavasand ab und lässt etwas später sogar den Maellifell verblassen.


    Darüber hinaus spielt die angrenzende Sanderfläche nicht annährend ihr Potential aus sich ins Gedächtnis einzubrennen, ist sie nämlich komplett ausgetrocknet. So bedröppelt die Stimmung auch seien mag, ist ihr positiv anzurechnen, dass sie uns die Entscheidung abnimmt auf welcher Seite der Holmsa wir heute ins Ziel fahren werden. Wir entscheiden uns dafür keinen Meter zu viel zu fahren und kreuzen den hundert Meter breiten Fluss. Schlimmer als sich das liest, können wir uns von Insel zu Insel hangeln, ringen hin und wieder nach Orientierung und erwischen nur eine Untiefe. :)


    Nachdem auch die steile Uferböschung genommen ist, fahren wir noch eben etwas flussabwärts beim Axlafoss vorbei und erreichen wenig später unsere Unterkunft.

  • schöne Fotos mit tollen Farben. So etwas habe ich bis jetzt nur im Yellowstone gesehen. Freue mich auf die Fortsetzung deines Berichts.
    Gruß
    Lothar

  • Tag 9

    Nach den vorherigen drei Nächten in Hotelbetten sitzen wir nun in trauter Zweisamkeit am Frühstückstisch unserer Cottage. Schön ist es hier. Nur zwanzig Quadratmeter klein aber mit großem Wohlfühlfaktor. Nur eines passt heute mal so gar nicht- das Wetter. War die Wetterfee bisher deutlich gnädiger als wir uns hätten träumen lassen, plätschert es schon seit Stunden auf unsere Terrasse. Mit der Routine vom Vortag Etappen auch mal spontan anzugehen, suche ich das Wolkenloch auf der isländischen Wetterseite vedur.is. und finde es westlich von Vik. Zwar passt die Richtung zur ursprünglichen Tagesplanung, aber Thakgil und den Blick über den sich zurückziehenden Gletscher Huldujökull verschieben wir auf…das nächste Jahr. Mit diesem Plan geht es erstmal volle Fahrt voraus nach Vik. Wir ergattern den letzten Parkplatz vorm Souvenirshop und rennen als wären wir aus Zucker vom Auto ins Trockene. Obwohl es hier nach Tourinepp riecht, kommen wir mit mehr wieder heraus als wir rein sind-ausgenommen der Scheine im Portmonä Portemonnaie. Auf der Spur nach gutem Wetter zieht es uns folglich weiter nach Westen. Wir sind gerade vorbei am Inselberg Petursey als sich plötzlich die Wolkendecke auseinander zieht. Perfektes Timing, denn es ist nicht mehr weit bis zur ersten Attraktion, dem Kvernufoss. Wir staunen noch schnell über die drei Dutzend Autos „am“ Flugzeugwrack und erreichen das Museum Skogar, an dessen Hinterseite entlang wir den Weg in die Schlucht der Kverna suchen. Als wir eine viertel Stunde später am Wasserfall ankommen, beginnen wir zu grübeln. Unweit des völlig überlaufenen Skogafoss stehen wir mutterseelenalleine an diesem Wasserfall, der mit der gleichen Besonderheit wie der Touristenmagnet Seljalandsfoss glänzt. Denn auch hier darf man anschauen ob das Wasser von hinten wie von vorne aussieht und zwar ohne frisch geduscht zu werden.


    Nachdem wir den Wasserfall von allen Seiten verewigt haben, geht es raus aus der grünleuchtenden Sackgasse. Getrieben von der heranziehenden Wolkenfront geht es weiter westwärts. Am Abzweig zur Straße 249 biegen wir ab, werfen dem Seljalandsfoss einen grüßenden Blick zu und steuern die nächste sehenswerte Schlucht an. Diente ich doch vor zwei Jahren als bestes Beispiel, dass man dieses kleine Highlight auf dem Weg nach Thorsmörk leicht übersehen kann, wundert es mich sehr, dass doch heute sage und schreibe zwei Autos auf dem kleinen Parkplatz stehen. Kaum können wir in den Nauthusagil gucken, sehen wir ein älteres Ehepaar abenteuerlich von Stein zu Stein balancieren. „Genau das Richtige für uns“ denke ich mir und teste prompt mangels Aufmerksamkeit ob meine Schuhe am Schaft ordentlich verschnürt sind. Während der Fehltritt im schlimmsten Fall mit einem nassen Fußklima hätte enden können, birgt die anschließende Kletterpartie ein leicht gehobenes Risiko. Um einen kleinen Wasserfall hochzukraxeln, müssen wir uns eng an die Felswand kuscheln und mit Hilfe einer Kette die zwei Meter Höhenunterschied überwinden. Obwohl ich mit gutem Beispiel vorangehe, zeige wie meine Füße mit der Felswand verschmelzen und mich wie ein Schimpanse nach oben schwinge, erstarrt Madame in Ehrfurcht.


    Einiges Zureden später meistert sie unter Ganzkörperzittern diese Prüfung ohne zu wissen wie sie je zurückkommt. Der Augenblick als wir wenig später am Ende der Schlucht sind, lässt sie diese Sorgen vergessen. Eng umgeben von moosbegrünten Steilwänden fällt uns ein no-name-Wasserfall vor die Füße, dessen Echo manch Großen in den Schatten stellt. Es ist wieder einer dieser Momente, wo man sich so klein aber glücklich in Islands großartiger Natur fühlt. Ein Moment, in dem man alles andere um einen vergisst- außer der Frage, wie ich ein Foto hinbekomme ohne Wasserspritzer auf der Linse. Ich nutze die erste Chance und treffe sofort ganz gut, sodass wir uns nach einem Weilchen auf den Rückweg machen.


    Die Kletterpassage läuft souveräner als erwartet und einmal auf den Geschmack der Gleichgewichtsakrobatik gekommen, verlassen wir die Schlucht seitwärts über einen steilen Hang. Oberhalb des Canyons versuchen wir zu sehen, wie der Wasserfall in die Tiefe stürzt. Mit mäßigem Erfolg aber schönen Fernblick über den Markarfljot geht es schließlich zurück zum Auto.


    Wohlwissend, dass wir übermorgen Thorsmörk anfahren werden, drehen wir ab und beschließen in Vik essen zu gehen. Mit jedem Kilometer, den wir uns der kleinen Stadt annähern, ernten wir eine leichte Steigerung des Schlechtwetters vom Vormittag. Die Windanzeige am Reynisfjall zeigt mittlerweile 30m/s und so bekommen die fünfzig Meter zwischen Parkplatz und Restaurant einen extra Platz in unserer Erinnerungssammlung. Nach einem Geht-so-Essen geht der ansonsten wunderbare Alternativtag zu Ende und wir fahren mit maximaler Scheibenwischerleistung in unsere Hütte.

  • thx1 erstmal für diesen tollen Bericht. Ich lese und schaue laufend in der Karte nach wo ihr ward. Unsere erste Island Reise steht fest und wird im kommenden Jahr (Juni) sein. Freue mich auf die Fortsetzung. :)

  • Auch ich bin immer mehr begeistert vom Schreibstil und der Originalität der gewählten Route. Meine nächste Islandreise wird u.a. auch aufgrund dieses Berichtes mehr Zeit für die "Sekundärziele" vorsehen, wenn nicht sogar ganz darauf ausgerichtet sein. Nur der aktuell gewünschte Zeitpunkt - Anfang Mai - kollidiert etwas mit der Hochlandlastigkeit Deiner Route.


    Folgende Frage hätte ich aber: Hat Deine Madame auch mal den Fahrersitz eingenommen? Oder durftest Du die ganze Strecke genießen?


    Vielen Dank für den tollen Bericht.


    Tadi