Das bin ich und so war`s...

  • Freue mich auf die Fortsetzung.

    Leider hat jede Reise auch mal ein Ende und es kommen nur noch zwei Tage ;(

    Folgende Frage hätte ich aber: Hat Deine Madame auch mal den Fahrersitz eingenommen? Oder durftest Du die ganze Strecke genießen?

    Nein, Sie sitzt lieber vertäumt daneben. Da mir Autofahren aber generell Spaß macht, passt das schon.

    "Sekundärziele"

    Das ist ein treffender Begriff. Angesichts der Diskussion um steigende Touristenzahlen ist es doch toll, dass es noch diese kleinen einsamen Schätze gibt. Wobei ich sagen muss, dass weite Teile des Hochlands eher touristenfrei sind.

  • Tag 10


    Ungeduldig laufe ich nach dem Aufstehen zum Fenster und hoffe uns nicht wieder dem Wetter fügen zu müssen. Doch was ich sehe, bescheinigt uns beste Bedingungen für das heutige Unterfangen. Am letzten Tag vor unserer morgigen Rückreise setzen wir nochmal alle Karten aufs Hochland und wollen über einige Nebenstrecken zum Langisjor. Dafür düsen wir zunächst die F208 Richtung Norden, auf der wir uns durch eine abwechslungsreiche Landschaft entlang des mächtigen Gletscherfluss Skafta bis zur Hütte Holaskol schlängeln. Hier legen wir unseren ersten Stopp ein und merken, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Trotz wolkenlos blauem Himmel bläst uns der Wind gehörig um die Ohren. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten einige Meter durchs Lavafeld zu spazieren bis wir an einem Wasserfall ankommen. Es sind die Wassermassen der Sydri-Ofaera, die hier, als Silfurfoss bezeichnet, etwa 20 Meter in die Tiefe donnern. Nach diesem schönen "Sekundärziel" :) (von dem es kein Foto gibt?) setzen wir unseren Weg einige Kilometer nordwärts fort, ehe wir zu einem Spot kommen, den wohl die meisten Hochlandreisenden auf ihrem Zettel haben dürften. Anders als die meisten nehmen wir jedoch nicht die F223 zur Eldgja, sondern wählen die Ansicht von oben. Dazu wollen allerdings Stangakvisl und Nordari-Ofaera gefurtet werden. Während ich mich im ersten Fluss etwas verfahre und er wohlmöglich dadurch eine stattliche Tiefe erreicht, peile ich beim zweiten sofort die 50 Meter flussaufwärts liegende Ausfahrt an. Anschließend winden wir uns sanft den Berg rauf, wobei wir schnell spüren, dass hier oben nochmal ein anderer Wind weht, der beim Aussteigen für den einen oder anderen Ausfallschritt sorgt, um auf den Beinen zu bleiben. Trotzdem treten wir furchtlos den Weg zu einer naheliegenden Aussichtsplattform an. Obwohl es steil bergab geht, müssen wir unsere Beine dabei nicht bemühen zu bremsen, denn das übernimmt der Sturm für uns, dem wir frontal ausgeliefert sind. Mit langer Brennweite zur Hand halten wir den in die eindrucksvolle Schlucht stürzenden Ofaerufoss fest, verzichten angesichts der Umstände auf eine weitere Annäherung und lassen uns stattdessen zurück den Berg hochschieben.


    Hektisch suchen wir Schutz in unserem fahrbaren Untersatz, mit dem es nach einem kleinen Abstecher zum Aussichtspunkt Gjantindur wieder talabwärts geht. Wir folgen der Skafta gen Osten und erreichen nach fünf Kilometern die Hütte Skaelingar. Nachdem wir unsere Neugier mit einen Blick in den Wandererunterschlupf befriedigt haben, erkunden wir noch etwas die Umgebung. Bizarre Lavasäulen in allen Formen und Lagen verteilen sich hier auf der sonst idyllisch anmutenden Wiese. Einige Trollportraits später machen wir uns auf den nächsten Streckenabschnitt.


    Als wäre ich durch meine Recherche nicht schon aufgeregt genug der Dinge die jetzt kommen, weist ein informatives Warnschild auf die Besonderheiten der bevorstehenden Kilometer hin.


    Moderat anspruchsvoll geht es zunächst voran bis wir auf einen Weggabelung treffen. Neben der Ausschilderung eines Aussichtspunkts wecken zwei parkende Autos hier im Nirgendwo unser Interesse. Das Gefühl einen phänomenalen Blick verpassen zu können, lässt uns anhalten und wir werden prompt überrascht empfangen. Ein Mann steigt aus einem der beiden Pickups, klopft an unsere Tür und flüstert in feinster Andreas-Kieling-Manier, dass wir uns bitte ruhig verhalten und im Auto bleiben sollen. Was nach dem ersten Satz wie ein Überfall wirkt, entpuppt sich nach dem zweiten als Schafabtrieb. Er kündigt an, dass gleich eine Menge Schafe gefolgt von einigen Treibern über den Berg kommen würden. Wer nun eine Kavallerie an Reitern und hunderte Schafe erwartet hätte, wäre beim Anblick der sich nähernden zwei Quads und einer Handvoll Schafen sicher enttäuscht worden. Nach einem eindeutigen Handzeichen dürfen wir die Szene verlassen. Während es im weiteren Verlauf sandiger wird und etliche frische Quadspuren die Fleißarbeit der Schaftreiber verraten, können wir schon bald in der Ferne unsere bisher mental herausforderndste Hürde sehen. Es ist der Blautulon, der wie sonst nur der Horizont unsere Piste verschlingt. Selbst ausgesucht muss ich da jetzt durch, denke ich mir. Den nett gemeinten Tipp des Hinweisschilds folgend halte ich mich möglichst rechts, checke links die Wassertiefe des glasklaren Sees und pfeife das Kinderlied „Eine Seefahrt, die ist lustig..“ vor mich hin.


    Endlich wieder Land unter den Rädern machen wir noch ein Erinnerungsfoto und setzen die Fahrt Richtung Langisjor fort. Wenig später dort angekommen, entscheiden wir einstimmig, dass es heute keine gute Idee ist, den am Fuße des Sees liegenden Berg Sveinstindur zu besteigen. Um trotzdem einen Überblick über den 30 Kilometer langen See zu erhaschen, erklimmen wir einen anderen Berg-per Auto. Bis auf 300 Meter über dem See geht es sehenswert durch ein wüstenartiges Hochtal zum Breidbakur. Majestätisch schön, bilden hier oben der Vatnajökull im Osten , die Lakikrater im Süden, das Fjallabak im Westen und der See unter uns den Blick des Urlaubs.


    Es ist einer der Momente, die man am liebsten mit seinen Liebsten teilen würde und so bin ich froh, dass Madame in den selben Genuss kommen darf und nebenbei den Moment so ausdrucksvoll verewigt.



    Schweren Herzens reißen wir uns los, fahren noch ans Ende des Sees und machen uns dann auf den Rückweg. Wieder runter vom Berg entscheiden wir uns für die Faxasund-Piste und erreichen nach einer ordentlich tiefen Furt zu Beginn und heftigen Geschüttel am Ende Stunden später wieder die F208, die uns in unsere Cottage bringt.

  • wow was für ein Bild am Ende, da bin ich wirklich neidisch!
    Ein schöner Bericht, schade das es bald keine mehr gibt... die lesen sich so gut


  • Ja es war der 6.September. Woher weißt du das?


    Daher:


    Endlich ist es soweit, der 27.08.2016, die Reise ins Abenteuer beginnt.

    wenn man da 10 Tage dazu zählt kommt der 6. September heraus ;)


    Wenn ich meine Bilder von dem Tag betrachte, habe ich einen Großteil der Zeit bei regen-grauem Regen-Smiley Wetter am Selfoss und Dettifoss verbracht. Und Du zeigst hier das Hammerbild Respekt--Smiley mit klarem Himmel und tiefblauen See vom selben Tag.



    Dieter

  • Tag 11


    „Heute ist es so weit, es geht nach Hause“-schon oft habe ich diesen Satz in freudiger Erwartung in den letzten Jahren gesagt. Heute nicht, denn Island zu verlassen fällt bekanntlich schwer. Drum wollen wir den Tag nochmal voll auskosten, schließlich hebt unser Flieger erst gegen Mitternacht ab. Wir starten mit einem reichhaltigen Frühstück in unserer liebgewonnen Unterkunft und trödeln angesichts des langen Tages ungewohnt rum.




    Erst gegen zehn Uhr setzen wir uns in Bewegung und fahren erstmal dieselbe Strecke wie vorgestern. Wahrscheinlich deshalb haben wir Zeit, uns beim Pläneschmieden für das nächste Jahr zu überbieten. Vor lauter Träumerei vergeht die Zeit wie im Flug und wir stehen bald am Anfang der F249-jene Piste auf der wir vor zwei Jahren mit dem Dacia das Handtuch geschmissen haben. Der Ehrgeiz ist also geweckt und bewegt Madame die Flüsse mitzuzählen. Eins-zwei..-dreizehn, dann biegen wir erstmal Richtung Gigjökull ab. Waren es bisher eher Rinnsale, sind die zwei Durchfahrten auf dem kurzen Stück zum Gletscher beachtlich tief. Dass das kein Wunder ist, sondern eher den spätsommerlichen Temperaturen geschuldet ist, sehen wir als wir wenig später den Ursprung der Wassermassen ausmachen. Wir stehen direkt am Gigjökull, staunen über die Dimensionen der Felsspalte und wollen uns nicht ausmalen, was für Naturgewalten hier beim Eyjafjallajökullausbruch wirkten.




    Wir wollen uns gerade auf dem Weg zurück zum Auto machen und sehen aus der Ferne unser Jeep vor lauter Bäumen Landrover nicht. In der Zwischenzeit sind auf dem Parkplatz etwa zehn Defender in voller Besatzung gelandet. Der einer Klassenfahrt ähnelnde Aufmarsch ist für uns das Aufbruchzeichen. Nach kurzem Anbaden im schon bekannten Gletscherfluss geht es durch die mehrfach so breite Steinsholtsa.




    Jedem Fahrer eines Nissan Qashqai, den ich jetzt noch zu Gesicht bekomme, bescheinige ich durchaus ein hohes Maß an Risikobereitschaft. Einige Kilometer später wird das wohl auch der ein oder andere Beobachter gedacht haben, als er unseren kurzen Jeep zwischen den Armen der Krossa hat stehen sehen. Vorm Hauptarm, dann das erstmal Übliche: „da fahren wir nicht durch“ von Madame. Nachdem ich erstmal still bin und ihre Meinung damit bekräftige, verleiht sie der gleichen Aussage mit einem Ausrufezeichen und forschem Ton mehr Nachdruck. Irgendwann laufe ich eher planlos den Fluss entlang und wünsche mir einen Vorturner aus dem Camp Langidalur. Glück und Pech zugleich kommt wenig später ein Dodge Ram daher und fährt als wäre es das normalste der Welt einfach durch. Das Eintauchen seiner fußgängerfreundlichen Motorhaube signalisiert mir eine Wassertiefe über einem Meter. Hätte ich allein nach diesem Anblick die rote Fahne gehisst, warnt der weise Isländer noch vor Regen am Nachmittag und einem weiteren Anschwellen des Flusses. Wir parken also das Auto und nehmen die Fußgängerbrücke. Mit Blick auf das schlechter werdende Wetter und etwas Kraftlosigkeit wollen wir nur eine kleine Runde wandern und auf den Aufstieg zum Valahnukur verzichten. Flott sind wir in Husadalur, suchen die Sönghellir und machen entgegen aller Planungen plötzlich viele Höhenmeter. Da ich die Höhenangaben in der Karte falsch deute und Umdrehen sowieso zu einfach wäre, sehnen wir uns schnell danach einfach am obersten Punkt des Rundwanderwegs zu seien, wonach es dann wieder bergab gehen sollte. Jeder Schritt fällt schwer, drückt auf die Stimmung und in allem Überfluss bewahrheitet sich der Wetterbericht des alten Isländers. Der zunehmende Regen, der steile Berg und ein Tropfen Wehmut mixen sich zu einem Cocktail, der bei Madame zu einem emotionalen Breakdown führt. Sie kann nicht mehr, will nicht mehr und merkt dabei garnicht, dass sie es eigentlich schon geschafft hat. Folglich geht es mit den Füßen zwar bergab, mit der Stimmung aber wieder schnell bergauf.




    Am Auto angekommen ist dann auch wieder alles vergessen und wir freuen uns nun auf unser standesgemäßes Abschlussessen im Kaffi Krus. Zwei Stunden später sitzen wir dann auch schon in Selfoss am Tisch, lassen die Gedanken in den Erlebnissen der zurückliegenden Tage kreisen und sagen vor den obligatorischen letzten Stunden auf der Insel schon mal „BIS BALD ISLAND!“

  • Danke für den sehr interessant geschriebenen Bericht. Das hat Spaß gemacht zu lesen. Und viel Freude bei der Planung der nächsten Reise!


    Lothar

  • So und nun auch von mir ein herzliches dankeschoen1 an meine Fans. :D
    Es hat mir riesig Spaß gemacht das Erlebte für mich/uns und euch in ein paar geschriebenen Worten festzuhalten.
    Im März nehmen wir euch wieder mit auf die Insel und wenn ihr wollt nochmal im August. Da müsst ihr dann aber u.a. den Reykjavik-Marathon mit mir laufen.


    wirsindbest

  • Liebe Foristen, der isländische Sommer steht allmählich vor der Tür und erst jetzt komme ich dazu die Erinnerungen an unserem Winterausflug niederzuschreiben. So war`s...


    Anreise


    Oft wurden wir in den Wochen vor dem Abflug gefragt, warum es denn ein drittes Mal nach Island gehen würde. Statt in akzeptabler Zeit dem Gegenüber die Vielfältigkeit Islands und die Symptome unseres Virus zu erklären, war die Antwort diesmal kurz und bündig: „Wir wollen uns das mal im Winter ansehen“. Und so starten wir am 4.März für eine Woche auf die Insel. Mit Wow-Air geht es zu menschlicher Zeit in die Luft und ohne besondere Vorkomnisse (Essen, Trinken, Entertainment) drei Stunden später zurück auf die Erde. Der Anblick der Winterlandschaft beim Anflug lässt meine Gedanken das erste Mal kreisen und ich mache mir zunehmend Sorgen, was die vielfältigen Straßenzustände auf den Karten von road.is in die Realität übersetzt heißen. Doch bevor wir in der eigenen Realität ankommen, müssen erstmal die obligatorischen Dinge erledigt werden. Koffer greifen, Auto holen und ab. Was bei den letzten Malen so reibungslos geklappt hat, strapaziert erstmal das Gemüt, denn vergebens suche ich am Ausgang der Flughafenhalle jemanden, der meinen oder den Namen unserer Mietwagenfirma auf einem Schild spazieren trägt. Nachdem -ein Telefonat und 10 Minuten später -beim Eintreffen der Shuttle-Bus-Fahrerin schon Freude ausbrechen will, wird nochmal unsere Geduld gefragt. „Sie müsse noch weitere Personen suchen“, sagt sie und hat am Ende soviele gefunden, dass wir eine Person zu viel für den Bus sind. Jetzt war es an ihr zu entscheiden, wer zurück bleibt. Doch anstatt meinen Vorstellungen nachzukommen, die irgendwo zwischen „wer zuerst kommt, malt zuerst“ und „wer zuletzt kommt, den…“anzusiedeln waren, überließ sie der Gruppe die Entscheidung. Während alle Fahrer quasi einen Freifahrtsschein hatten, guckt sich der Rest verdutzt an. Einer von Ihnen solle zurückbleiben und vom Partner später abgeholt werden. Ohne, dass wir oder jemand anderes einen Gegenvorschlag äußerte, löste sich die Situation erst auf als sich meine Madame erbarmte. Am Klang ihrer Stimme höre ich ihren Unmut, denke mir, dass das vermeidbar war, aber sie trotzdem meine Heldin ist. Immerhin werde ich durch ihren couragierten Auftritt im 5km entfernten Büro als erster abgefertigt und hole sie wie versprochen ab.


    Fortsetzung folgt...

  • Eigentlich Tag 1 :(


    Fest davon überzeugt, dass der Urlaub jetzt Fahrt aufnimmt, kommt unsere Euphorie kurz hinter Reykjavik prompt ins Stoppen. Viel habe ich im Vorfeld recherchiert, um Ziele zu finden, die man selbst noch nicht gesehen hat, die nicht überlaufen, aber hoffentlich im Winter erreichbar sind. Und so war es der Helgufoss, der auf dem Plan stand. Ungeachtet Madames Skepsis weckt der gut verschneite aber nicht jungfräuliche Weg dorthin die Herausforderung in mir. Mit einem schwungvollen Antritt will ich ihr, will ich mir und dem Auto zeigen, was es kann. Als Ergebnis weiß ich nach 3 Metern wie sich ein Kapitän fühlt, der auf Grund gelaufen ist. Während sie in diesem Moment wohlmöglich schon daran denkt hier übernächtigen zu müssen, lege ich erstmal den Rückwärtsgang ein. Doch rien ne va plus. Nachdem ich mich versichert habe den „Allrad-Knopf“ des Subaru Forester nicht übersehen zu haben, steht auch für mich fest: wir stecken fest. Von meinem Optimismus getrieben, zweifel ich keine Sekunde daran uns hier eigenständig rauszubekommen und so schaufel ich was die bloßen Hände hergeben. Doch nach unzähligen gescheiterten Befreiungsversuchen, muss auch ich konstatieren, dass das so nix wird. Im Moment als ich darüber nachdenke mir am nahegelegenen Hof eine Schüppe Schaufel auszuleihen, steht Madame schon mit gehobenen Daumen am Straßenrand. :help:Es muss an ihrem Charisma liegen, dass es keine 3 Autos dauert bis ein älterer Isländer anhält. Ohne viele Worte zu verlieren, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, beginnt er seine Anhängerkupplung zu montieren. Was dann folgte sah schon fast nach Routine aus und so haben wir bald wieder Asphalt unter den Rädern. Per Schulterklopfer meinerseits und mit Freudentränen in den weiblichen Augen, bedanken wir uns bei unserem Retter und setzen unseren Weg fort. Die Stimmung ist am Boden. Madame ist mittlerweile verstummt und ihre Gefühlslage nur noch durch starke Kopfschmerzen und einen seelenlosen Blick geprägt. Just als wir uns beim malerischen Anblick des Thingvallavatn etwas aufmuntern können und ich sogar das einzige Foto des Tages schieße, gibt es noch das i-Tüpfelchen auf den ohnehin bereist verkorksten Tag.


    Als ich vom Fotografieren zurückkomme, stockt mir kurz der Atem. Bedröppelt, den Tränen nah sitzt mein Mädel mit blutverschmiertem Taschentuch auf dem Beifahrersitz. Sie hat sich beim Aufräumen des Chaos, welches im Kofferraum bei der Bergungsaktion entstanden war, am Reißverschluss der Reisetasche geschnitten. Nach dem abgebrochenen Zahn beim letzten Islandurlaub, ist jedoch der Riss an ihrem Finger nicht weiter schlimm. Das eigentliche Drama sind jedoch die Blutflecken auf ihrer einzigen noch dazu hellen Jeans, die sie für ein bedarfsgerechtes zivilisiertes Erscheinungsbild mit hat. Ab diesem Zeitpunkt will ich sie einfach nur noch so schnell wie möglich ins Hotel bringen, denn sie tut mir leid. Ich trete für sie aufs Gaspedal , sodass wir 45 Minuten später in unserer Unterkunft ankommen. Wir checken ein und lassen anschließend jeder für sich den bisher überflüssigsten Islandtag hinter uns. Während sie im Reisetagebuch das Erlebte verarbeitet, ordne ich meine Gedanken im Kopf: „Unnötige, gefährliche, peinliche Aktion, die zum Glück am Straßenrand passiert ist. Beim nächsten Winterurlaub kommt ein Klappspaten ins HandGepäck“ ;)

  • Herrlich ^^...also für uns Leser, für euch glaube ich eher nicht...:S

    Ich hoffe, es geht im Aufwärtstrend weiter...thx1 und gutebesserung1

  • Vielen vielen Dank für die lieben Worte.

    Auch bei mir läuft es nicht immer flüssig :)

    Dennoch sollte am Ende des heutigen Tages die Zusammenfassung vom 2.Urlaubstag herausspringen.


    Bis denne

  • Tag 2


    Nach einem Tag wie dem gestrigen wünscht man sich nichts sehnlicher als „zurück auf los“ zu gehen und so kann ich es kaum erwarten nach dem Augenöffnen zu sehen, ob die Zutaten für einen besseren Tag in der Luft liegen. Am Horizont geht die Sonne eindrucksvoll auf und auch in unserem Zimmer kann man wieder strahlen. Es mag die Vorfreude aufs Frühstück sein, denn nach dem ausgefallen Abendessen sind wir sehr hungrig. Pünktlich wie die Maurer stehen wir um 8 am Frühstücksbüffet, was uns mit Skyr aus eigener Produktion und selbstgebackenem Brot empfängt. Eine freundliche Angestellte, ein verrückter Papagei und der Blick vom Essensaal in den Kuhstall noch dazu, sorgen dafür, dass wir uns sofort pudelwohl fühlen. Wir tun es den Erzeugern unserer Milch gleich und hauen uns die Bäuche voll um einen hoffentlich ereignisreichen Tag meistern zu können. Dieser sollte nun gleich beginnen, denn draußen war es mittlerweile hell. Von Ausflugszielen schier umzingelt steht fest, dass wir zum Haifoss wollen, denn dieser kam letztes Jahr etwas zu kurz und schwirrt seither in unseren Köpfen herum. Selbst die Highlights des Golden Circle in Steinwurfnähe halten uns nicht davon ab, schnurstrax den Weg zum 3. Höchsten Wasserfall Islands einzuschlagen. Die Ungeduld, ob wir es bis dorthin schaffen, treibt uns flott die Straße 35 Richtung Süden runter. Nachdem wir am Faxifoss vorerst vorbei düsen, machen wir den ersten Halt irgendwo an der Straße 32. Hier kann man, so wissen wir es noch aus dem Vorjahr, auf eine kleine Anhöhe hochfahren und hat von dort aus einen wunderbaren Blick über das weitläufige Tal der Þjórsá.


    Zum ersten Mal in diesem Urlaub funkeln unsere Augen wie das Glitzern des zugefrorenen Flusses zu unseren Füßen. Da ist es wieder dieses Islandgefühl, so friedvoll und wild zugleich. Während die Landschaft im Sonnenlicht schimmert, zieht der Wind hier oben, sodass man sich nicht entscheiden kann seine Finger dem Erfrierungstod zu opfern oder mit Handschuhen alle Tasten der Kamera gleichzeitig zu drücken. Ich zähle 1 und 1 zusammen und hege jetzt bereits erste Zweifel, ob uns die Kombination aus Sturm und Schnee den Weg zum Haifoss freigeben werden. Bereits ab dem Hjalparfoss, dem wir eine halbe Stunde Aufmerksamkeit schenken während er einsam und halb zugefroren vor sich hin plätschert, wird der Straßenzustand ab hier zunehmend schlimmer.



    Laut Navi nähern wir uns dem Abzweig zur Straße 332 Richtung Haifoss und rauschen glatt vorbei. Bei genauerem Hinsehen lässt sich der Weg erahnen, doch bereits am Einstieg wartet eine Schneewehe darauf, dass sich ein furchtloser Touri darin festfährt. Ich will es jedenfalls nicht (schon wieder) sein und versuche unser Glück 2 Kilometer weiter am Kraftwerk. Kaum noch überraschend geht es auch hier nicht weiter, signalisiert durch ein „Staff only“-Schild. Nachdem ich mich noch schnell überzeugen lasse, dass ein 12–Kilometer-Spaziergang bei diesem Sturm und kniehohen Schnee was für Überlebenskünstler ist, ist das Thema für heute durch und wir versuchen unseren Trost in anderen Wasserfällen zu finden. So ziehen wir weiter um einige Fallstufen der Þjórsá anzusteuern. Dazu biegen wir auf die Straße 26 ab. Die ohnehin teils vereisten Straßen werden nun regelmäßig von etwa 5 Meter langen Schneewehen gesäumt. Nachdem ich die erste mit ausreichend Schwung durchfahren habe, hat auch Madame begriffen, dass hier gemäß Energieerhaltungsansatz die Geschwindigkeit über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Als es gerade anfangen will, Spaß zu machen schwieriger zu werden, sehen wir am Horizont ein Auto stehen. Es ist ein Portugiese, der sich mit seinem Hundefänger an einer Steigung ein einer Schneewehe festgefahren hat. Aus den Erfahrungen des Vortags ist mir sofort klar, dass hier nur ein Abschleppseil helfen kann. Schade nur, dass weder er noch wir eins haben. Wie der Zufall es so will, kommt -hier irgendwo im nirgendwo- plötzlich ein VW Amarok von einen der Kraftwerkversorgungswege. Als die 4 jungen Männer auch noch anhalten und das ersehnte Seil von der Ladefläche zücken, scheint die Befreiung greifbar nah, würde der Portugiese doch nur sein Abschlepphaken im Ordnungssystem seines Minicampers finden. Als auch das Vorhaben die Haken der anderen Autos zu montieren scheitert, ist es zumindest einen Versuch wert, die Karre mit der Kraft von 5 mehr oder weniger ausgewachsenen Kerlen aus der misslichen Lage zu schieben. Obwohl sich der Wagen mit aller Mühe 5 Meter bewegen lässt, verlässt die 4 jungen Pickupfahrer die Lust oder der Glaube, das hier anständig zuende zu bringen. Der ohnehin informierte Mietwagenvermieter solle den Südeuropäer rausziehen. Während sie über ihre Charakterschwäche mit einem prolligen Abflug über die ab hier stark verschneite Straße ablenken wollen, bleibt uns nur noch die Frage nach ausreichend Essen, Trinken und Kraftstoff ehe wir den Portugiesen zurücklassen müssen. Wir wählen dazu die Richtung aus der wir gekommen sind und planen erneut um. Wir streichen die Wasserfälle der Þjórsá und wählen zum Versorgen mit Postkarten, Souvenirs und Süßkram Hella als Ziel. Kurz vor der Ortschaft besuchen wir noch den Ægissíðufoss.


    Dieser wird wohl weniger wegen seiner Erscheinung in Erinnerung bleiben, als dass wir uns am Rande auf einer zugefrorenen Fütze austoben- bis Madame mit guten Haltungsnoten von der Schwerkraft angezogen wird. Der Schmerz und die blauen Flecken begleiten sie bis zum Urlaubsende. Weniger spektakulär verläuft der Rückweg ins Hotel. Wir nehmen noch den Faxifoss mit und lassen den Tag mit einem Gaumenschmaus ausklingen.