Reisebericht Island Süd-Ost

  • Ich könnte jetzt schreiben: Wir waren in Höfn, Djupivogur, Reykjavik und Stykkisholmur und jetzt sind wir wieder zu Hause. Aber ich finde, ihr habt mehr verdient, viel mehr. Als Dank für die zahlreichen hilfreichen Antworten und guten Ideen, die unseren Urlaub so besonders gemacht haben. Wie ich schon häufig geschrieben habe, bewundere ich all die Super-Fotografen, zu denen ich leider nicht zähle.
    Dennoch sollt ihr wissen, wie es in Island aussieht, was wir alles entdeckt haben, wie es sich anfühlt, was uns besonders gefallen und wo es uns sehr gut geschmeckt hat. Deshalb wird mein Reisebericht lang und sehr ausführlich. (Vielleicht weiß der Ein oder Andere das noch vom letzten Jahr / und auch dieses Mal wieder Entschuldigung fürs Worte Eindeutschen)


    1. Tag Karfreitag:


    Heute ist es so weit, es geht wieder los! Die Arbeitskollegen fragen schon gar nicht mehr nach meinem Urlaubsziel und wenn ich es ungefragt herausposaune, kommt als Antwort nur ein gelangweiltes „Ach so...“ Grad gestern so geschehen – nein, was sind die Kollegen doch abgestumpft. Nach fast 20 Jahren Islandurlaub heucheln sie nicht mal mehr Interesse.


    So mache ich mich mit meine Mann und unserem elfjährigen Sohn auf den Weg nach Amsterdam-Schiphol. Karfreitag morgens ist die Autobahn frei – dachte ich! Jetzt wo wir im Stau stehen weiß ich: In den Niederlanden ist kein Feiertag und alle Westfalen wollen über die Grenze zum shoppen. Warum gerade heute? Gibts morgen nix mehr? Was sind tausende Menschen so vergrellt, Holland leerkaufen zu müssen. Die ticken doch, wir, wir haben einen Grund hierhin zu fahren, wir müssen zum Flughafen, wir müssen nach Island!
    Der Flug geht erst um 21.30 Uhr, also Zeit genug für eine Grachtenfahrt. So fahren wir noch in die Innenstadt. Wenn ich die letzten Jahre den Eindruck hatte, Reykjavik und „Golden Circle“ sind überfüllt, weiß ich in diesem Moment, was das Wort wirklich bedeutet. Hier wimmelts schlimmer als bei den Ameisen, ich werd wahnsinnig, raus, ganz schnell raus hier.


    Wir haben zum ersten Mal bei WOW Air gebucht -und das noch über last-minute-com. Mein Mann hatte arge Bedenken, ob alles gut ausgeht und wir mitfliegen dürfen. Die Bewertungen auf bekannten Portalen lasen sich eher, ähm, abwechslungsreich. Aber absolut nichts zu meckern. Auch der vorgebuchte Parkplatz am Park-Inn-Hotel mit Flughafen-Shuttle ist perfekt.
    Ok, die Sitze in Flugzeug sind nicht geeignet nach ein paar üppigen Mahlzeiten zu viel. Keine Ahnung, wie das dann funktionieren soll. Also mein Mann - mit 87 kg nicht grad ein Schwergewicht - hat nicht mal mehr Platz zum tief einatmen zwischen sich und dem runtergeklappten Tablett. Taschen und sogar Jacken müssen unter die Vordersitze geklemmt werden, doch wohin mit den Füßen? Allerdings ist der Flug ab Amsterdam fast eine Stunde kürzer als ab Frankfurt. Ein Bordprogramm gibt es nicht, aber bekaspern kann ich mich auch alleine. Mein Mann gönnt sich das erste Island-feeling: Der Duft von Fladenbrot mit geräuchtem Lammfleisch umweht mich, dazu zischt ein „Egils Gull“ Bier. Das Baguette meines Sohnes ist riesig wie ein Baseballschläger, frisch und warm.
    [Nachtrag Fazit: WOW -Air ist für den Preis völlig in Ordnung, wir haben uns vollkommen wohl gefühlt]


    Wir landen Ortszeit ca. 22.30 Uhr, unsere Körper fühlen noch die deutsche Zeit 0.30 Uhr. Wir torkeln der Menge nach. In der Flughafenhalle werden wir von einem Procar-Mitarbeiter abgeholt und mit dem Bulli zur Station nach Keflavik gebracht. Es geht alles ganz fix und wir sitzen in einem nagelneuen, superbequemen, schneeweißen Combi.
    Erst jetzt realisieren wir: Wir sind da. Wir.sind.da.! Wirsindda!
    Die altvertraute Straße Richtung Reykjavik. Sternklare Nacht, die Landschaft kann man nur erahnen, allein das langfaserige Gras am Straßenrand schimmert silbern im Licht der Straßenlaternen. Wirklich silbern. Schön. Schon von Weitem leuchtet ein Lichtermeer. Ich kann es nicht fassen: Das soll Reykjavik sein? Fassungslos stammele ich „Das sieht aus wie Los Angeles“ Beleuchtung von rechts nach links so weit das Auge reicht. Riesig! Tagsüber ist mir das noch nie so aufgefallen. Genauso gigantisch zieht sich die Schlange der Autohäuser am Straßenrand. Gefühlt von Keflavik bis Hafnarfjördur, nur unterbrochen vom Aluwerk.


    Doch dann stellt sich der WOW-Faktor ein. Mit dem Fosshotel „Baron“ haben wir das große Los gezogen. Gebucht als Doppelzimmer mit Zustellbett bekommen wir quasi eine ganze Wohnung. Ein großes Wohnzimmer mit Schlafsofa, Essecke, Kühlschrank, Tee-Kaffeebar usw. ein geräumiges Schlafzimmer, ein sauberes, neues Badezimmer und ein Balkon. (Und das im Internet zum Schnäppchenpreis gebucht) Zu schade, dass wir nur zwei Nächte bleiben.
    Das Frühstücksbüffet ist der Knaller! Da wurde Alles aufgefahren, was Reykjavik zu bieten hat. Einzig mein Mann vermisst diesen isländischen Kuchen, ähnlich wie Kaffeestreifen mit Vanillepudding und rosarotem Zuckerguß drauf. Jammern auf höchstem Niveau.

  • 2. Tag Ostersamstag


    Strahlende Sonne! Mein Kind stürmt aus dem Hotel, (vorsichtig) über die Saebraut ans herrlich blau-türkise Wasser. Die Morgensonne glitzert, der Schnee im gegenüberliegenden Esjagebirge funkelt – ein Urlaubstraum. Obwohl es nur 4° Grad sind, fühlt es sich viel wärmer an, so genießen wir einen spontanen Spaziergang entlang der Promenade, an der Solfar-Skulptur vorbei Richtung Hafen. Dort biegen wir ab Richtung Innenstadt und bummeln ziellos über die Bankastraeti, Adalstraeti und Laugarvegur.. Am Ende ist mein Sohn stolzer Besitzer eines original Islandtrikots – ich fürchte, das wird er mit mir teilen müssen!


    Unfassbar, wie hier gebaut wird. Das ganze Viertel neben Kolaportid ist eine riesige Baustelle, ebenso weiter oben an der Hverfisgata bis Busbahnhof Hlemmur. Überall stehen Bauplakate mit futuristischen Bildern von Geschäfts- und Wohnkomplexen.


    Unseren Mittagsstop an der berühmtesten Hotdogbude der Welt verbringen wir hinter einem meterhohen Bauzaun. Sieht schon witzig aus: Alles wird abgerissen, nur dieser klitzekleine Imbisswagen hält verbittert stand.



    Natürlich darf der Besuch im Zoo nicht fehlen. Er ist nicht spektakulär, aber wer mit Kind reist, muss einfach hier her kommen. Im angrenzenden Familienpark laufen Kinder in Tshirt und barfuß! Wir Weicheier tragen Softshellhose und Fleecejacke.


    Für den späten Nachmittag haben wir Karten für ein Konzert „Pearls of Iceland“ (oder so) in der Harpa. ! Fasziniert vom Ausblick durch die gläsernen Wände über die silberglänzende Bucht im Sonnenschein. Ein Moment für die Seele, das Bild wird mich nie wieder loslassen.



    Auf der einen Seite die schneebedeckten Berge, dazwischen das türkis-petrolfarbene Meer, spiegelglatt, auf der anderen Seite vorne die putzigen kleinen Häuschen der Altstadt, weiter hinten reflektieren die verglasten Hochhäuser das Sonnenlicht. Ich kann gar nicht beschreiben, wie schön das ist.
    Das Konzert habe ich mir etwas – sagen wir mal – rustikaler vorgestellt. Mein Sohn meint, wir wären in der Oper, dabei sollte es isländische Volksmusik sein. Die Sängerin ist das Abbild einer nordischen Walküre: bildhübsch, groß, kräftig, lange blonde Locken, der Sänger guckt immer dramatisch grimmig wie ein Troll. Aber gut singen können sie.


    Schade, dass ich nicht alles kaufen kann. In der Harpa werden die tollsten Souvenirs angeboten, kein Plastikplunder, sondern Schnickschnack vom edelsten und ausgefallensten Design.


    Das kleine Restaurant „Saebaron“ am Hafen ist brechend voll und auf keinen Fall mehr ein Geheimtip.
    Am Abend fahren wir zum „Pufa“, einem Kunstprojekt, dem grünen Hügel am Hafen. Keine Ahnung, warum ich den noch nie gesehen habe, ich bin erst durch einen Fernsehfilm darauf gekommen. ( Danke an diejenigen Forumsmitglieder, die mir den Weg beschrieben haben)
    Das Schild „Wegen Renovierung geschlossen“ wird leider von den Meisten mißachtet. Ich bin überglücklich, hier gewesen zu sein.
    Natürlich will unser Sohn noch nicht ins Bett, so schlägt er vor, noch zum Leuchtturm „Grotta“ am Rand von Reykjavik zu fahren. Klar, wird gemacht. Was ist denn hier los? Party? Der Parkplatz ist proppevoll. Was wollen die alle hier? Wie es scheint ist das der allabendliche Sonnenuntergangswahnsinn. Menschenmassen mit Stativmassen und Handymassen drängeln sich aufgereiht auf einem Schotterhügel. Der Weg zum Leuchtturm ist mit Wasser überspült, aber selbst da wird noch halb draufgekrochen, als würden sie dort der Sonne entschieden näher kommen. Naja, wir waren dabei.

  • Du schreibst so wunderbar locker von der Seele weg und so natürlich. Es macht richtig Spaß deinen Bericht zu lesen.
    Auch ohne Bilder ein Genuss. Ich freue mich auf die Fortsetzung.
    Vielen Dank!

  • Also mein Mann - mit 87 kg nicht grad ein Schwergewicht - hat nicht mal mehr Platz zum tief einatmen zwischen sich und dem runtergeklappten Tablett.


    Einzig mein Mann vermisst diesen isländischen Kuchen, ähnlich wie Kaffeestreifen mit Vanillepudding und rosarotem Zuckerguß drauf.


    Er soll mal lieber froh sein, dieser Kuchen, dieses Teufelszeug hat mich glatt 2 Kilo gekostet :D


    Liest sich toll, ich freu mich auf mehr :)

    • Tag Ostersonntag



    Die Sonne strahlt, die Straßen sind
    frei. Also steht nichts dagegen, heute ca. 450 km bis Höfn zu
    fahren. Wir haben schließlich den ganzen Tag Zeit. Ostersonntag, die
    Straßen sind leer, wir kommen schnell aus Reykjavik raus. Der
    ursprüngliche Plan war, erstmal bis Vik durch zu fahren, aber schon
    am Seljalandsfoss halten wird an. Menschenmassen! Über eine aalglatt
    vereiste Brücke gehen wir gleich weiter zum Gljufrafoss, hier ist es
    schon entschieden ruhiger. Leider führt der Fluß so viel Wasser,
    dass ich Bangebüx mich nicht bis in die Höhle reintraue und mein
    Kind darf auch nicht.


    Wir sehen auch so genug. Es sieht schon
    interessant aus, wenn das Wasser wie durch einen Schornstein oder
    Kaminabzug nach unten fällt. Vielleicht versuchen wir es auf dem
    Rückweg noch einmal.





    rechts vom Foto auf die kleinen Kästchen klicken, dann dreht sich das Bild




    Irgendwo, ich weiß nicht mehr wo, habe
    ich vom Kvernufoss gelesen. Beim Skogarmuseum frage ich nach dem Weg
    ( so stand es auch in meiner Informationsquelle geschrieben), doch
    die freundliche Empfangsdame erklärt mir, der Kvernufoss läge auf
    Privatgrund und man müsse einen Zaun übersteigen, was der Besitzer
    nicht gerne sähe. Verständlich. Beinahe entschuldigend sagt sie
    noch, es gäbe doch so viele Wasserfälle in Island, da müsse es
    dieser Eine nicht auch noch sein.


    Recht hat sie, denken wir uns und
    fahren weiter. Würde mich auch nerven, selbsternannte Abenteurer
    durch meinen Garten laufen zu haben. Ganz zu schweigen davon, wenn
    sie nicht mehr laufen und hocken bleiben...



    Vorbei geht’s an Thorvalds
    Eyjafjallajökull-Museum. Da halte ich nicht noch mal an. Letztes
    Jahr habe ich dort aus Mitleid mit den Leidtragenden des Ausbruchs
    Rotz und Wasser geheult, das reicht fürs ganze Leben. Wer das noch
    nicht hinter sich hat, sollte unbedingt reingehen.



    Mein Mann ist glücklich! Endlich
    stimmen Zeit und Wetterbedingungen, um zum Kap Dyrholaey hoch zu
    fahren. Wir waren mindestens 15 Jahre nicht mehr hier. Ich muss
    diesen steilen Schotterpatt überhaupt nicht haben, aber wenn man
    erst mal oben ist, sind die stressigen Minuten vergessen.


    Da stehen wir hoch oben auf einem
    Felsplateau und schauen auf den endlosen, kilometerweiten und breiten
    schwarzen Lavastrand der Südküste hinab. Heute ist kein Tag für
    die berühmten schwarz-weiß Fotos. Der Himmel so unsäglich blau wie
    das spiegelglatte Meer. Die bemoosten Berge saftig grün, die
    Sonnenstrahlen funkeln wie Diamanten auf dem Wasser. Eine
    Farbexplosion.



  • Endlich wieder ein Reisebericht. Danke! Das lässt die Vorfreude doch noch ordentlich ansteigen. Wunderbar zu lesen und zu träumen.

    Grüße aus dem schönsten Bundesland Schleswig-Holstein

    Island Mai 2016 und dann immer wieder

  • Danke euch, dann gehts jetzt weiter mit:


    Der Rest des 3. Tages Ostersonntag am Kap Dyrholaey ( die Fotos sehen alle so bläßlich aus, wie Milch und Spucke, in Wirklichkeit war alles viel bunter und strahlender)


    Hier ist ein mit Beton- und
    Eisenpfählen abgesperrter Rundweg angelegt. (Seit wann gibt’s
    den?)


    Eigentlich kein Problem, dem zu folgen.
    Für diejenigen, denen es schwer fällt, stehen da Schilder und sogar
    Piktogramme, die Wege nicht zu verlassen. Aber natürlich trauen sich
    die Allercoolsten bis vorne zur Spitze über dem Felsentor. Prima
    Leistung! Island ist stolz auf euch!



    Man kann es verteufeln oder genießen,
    nach dem ersten Schreck liebe ich es: das „Black Beach Restaurant“.
    Die Fleischsuppe, die Skyrtorte! Ja, es ist eine Touribude, aber ich
    komme nicht daran vorbei, es ist einfach zu lecker und zu einladend
    hier. Anschließend rollen wir uns pappsatt noch ein bißchen am
    proppevollen Strand, es kommt schon fast Sommerfeeling auf, so sonnig
    und warm ist es. Letztes Jahr Ostern saßen wir hier und die Leute
    draußen flogen wie Papierdrachen vorbei.





    So sieht es aus, wen man die
    Zivilisation verläßt. Ab Vik wird die Landschaft schwarz und grün,
    grün-braun und schwarz, Kilometer um Kilometer.


    [Nachtrag: wie sich die Landschaft
    verändert und Besonderheiten beschreibe ich auf dem Rückweg]





    Wir dachten, wir wären schon daran
    vorbei gefahren, aber plötzlich sehen wir das Hinweisschild
    „Fjarargljufur“ Schlucht. Ich hatte im Internet hübsche Fotos
    davon gesehen, so biegen wir ab. Der Parkplatz befindet sich direkt
    vor der Schlucht - sehr touristenfreundlich - obwohl die Anzahl der
    Besucher hier im Vergleich zum Südwesten sehr gering ist.


    Schon nach wenigen Schritten bin ich
    sicher: Noch nie hat eine Landschaft so sehr meine Seele berührt!


    Mitten aus dem Nichts tut sich die Erde
    auf und die schwarzen Felsen geben eine Schlucht frei, in der unten
    ein flacher Fluß plätschert. Nicht so schroff und rauh wie der
    Grand Canyon, sonder viel abgerundeter, grüner und weicher,
    stellenweise mit einer leichten Schneeschicht wie mit Puderzucker
    bestäubt. Mehrere Felsvorsprünge ragen wie ausgestreckte Finger in
    die Mitte der Schlucht hinein, teilweise kaum mehr als 40 cm breit.
    Jetzt sind sie abgesperrt, aber die Fußspuren darauf sind noch gut
    zu erkennen. Puh, so mutig oder irre müsste ich jetzt nicht sein,
    rechts und links geht es viele viele Meter steil in die Tiefe. Sieht
    aber spektakulär aus. Der Weg die Steigung hinauf ist mit
    Gummimatten ausgelegt, also sehr bequem zu gehen, auch wenn wir nach
    einer relativ kurzen Weile vor Anstrengung keuchen. Der Weg führt an
    der Schlucht weiter in den Katla-Geopark, aber so weit wollen wir
    heute nicht gehen. Ich kann mich einfach nicht losreißen, hier ist
    etwas Magisches, Mystisches Unbeschreibliches, das mich gefangen
    hält. Wahrscheinlich für den Rest meines Lebens. So hat sich ein
    Sehnsuchtsort in mein Herz dazugeschlichen – neben dem Strand von
    Vik am Seemannsdenkmal ( Nicht Reynisfjara!) und Djupavik. Wir
    schauen sehr lange an den schwarzen Felsen hinunter in das glasklare
    Wasser. Selbst aus dieser Höhe kann ich jeden noch so kleinen Stein
    im Fluß erkennen.. Klar, Wasser ist durchsichtig, aber dieses ist
    wirklich durchsichtig, ohne den kleinsten Partikel drin.


    Ich will hier nie wieder weg! Hätte
    ich nicht meine Familie, würde ich mich einfach versteinern und ein
    Teil dessen hier bleiben. Auf dem Rückweg am Donnerstag werden wir
    wiederkommen.





    Die Landschaft wird karger und trister.
    Das Grün verwandelt sich in schwarz. Der Boden ist bedeckt von
    enormen Lavafeldern. Hier ist er also: Der A... der Welt! Die Berge
    werden schroffer und höher, riesige Geröllbrocken liegen bis ans
    Wasser verstreut. Kein Haus, kein Mensch, kein Auto weit und breit.
    Geschweige denn eine Tankstelle oder Rastplatz. Die sanitären
    Anlagen am ( oder im?) Fjarargljufur sind zu dieser Jahreszeit noch
    geschlossen und ich glaube, bis Skaftafell kommen auch keine mehr.
    Das können die doch nicht machen! Und zu Essen gibt’s auch Nichts!
    Zum Glück hat der Osterhase heute Morgen viel Süßes gebracht und
    unser Sohn gibt großzügig ab.



    Wir fahren und fahren und fahren durch
    schwarz-grüne Monotonie – wäre blöd, wenn hier der Sprit
    ausgeht.



    Den Skaftafell-Nationalpark lassen wir
    links liegen, den werden wir morgen in aller Ruhe und Ausführlichkeit
    besuchen. Vor vielen Jahren waren wir schon mal an der
    Gletscherzunge, aber noch nie am Svartifoss, der steht ganz oben auf
    meiner Liste.


    Kurz danach weist ein unscheinbares
    Schild am Straßenrand auf den Svinafellsjökull hin. Die 2 km lange
    Schotterpiste reizt meinen Mann unsäglich, da muß er hin. Was uns
    hinter dem Parkplatz erwartet, kann sich niemand auch nur annähernd
    in seinen idyllischten Träumen vorstellen. Ein See, knallblau,
    unwirklich blau, mit sanften runden Eishügeln drin. Nicht so
    scharfkantige, zackige, bizarr geformte Biester wie im Jökulsarlon,
    sonder weich, rund, ebenmäßig – darf man das sagen? Wie
    mütterliche Brüste.


    Und wieder die Farben Islands: Blauer
    Himmel, blaues Wasser, weißer Schnee durchzogen von schwarzen
    Ascheschichten, schwarze Felsen und ringsrum grünes Moos.





    Seitlich am See vorbei kann man einen
    unpräparierten Pfad am Berg entlang kraxeln, Schon nach wenigen
    Metern gebe ich auf, Nutzen-Risiko abgewogen. Safety first.


    Andere Besucher, auch mein Mann,
    klettern weiter, aber schöner als hier vorne kann es weiter hinten
    auch nicht sein, ich muss das nicht ausreizen. Drüben am Parkplatz
    wurde eine Gedenktafel errichtet. Darauf erinnern die Angehörigen an
    zwei seit 2007 vermisste junge deutsche Männer, die hier am
    Svinafellsjökull klettern wollten.



    Auch wenn es jetzt Schelte gibt: ich
    bin einfach kein Jökulsarlon-Fan. Wahrscheinlich war ich deshalb
    erst einmal hier. Warum mich diese allgemein bekannte Faszination
    nicht gepackt hat, weiß ich nicht. Auch heute reicht es mir
    vollkommen, die Pracht vom Auto aus zu bestaunen.


    Es ist wohl Flut, das Wasser drängt
    die Eisberge unter der Brücke hindurch zurück in den See, dort
    entsteht ein dichtes Gedrängel. Es soll hier Seehunde geben, aber
    für mich machen sie sich nicht die Mühe aufzutauchen. Der Parkplatz
    ist bis zum letzten Platz voll, als die Sonne hinter den Bergen des
    Breidarmerkurjökull versinkt.




    Die Toiletten sind ungepflegt; und
    trockenes, schlabbriges Toast mit schon gewelltem Gummikäse
    dazwischen für 900 ISK muss ich auch nicht haben. Dann hungere ich
    lieber oder esse Schokoeier. Ist ja auch nicht mehr weit bis zum
    Hotel.



    Hatte ich eigentlich schon erwähnt,
    wie viele Enten und Gänse hier in den überschwemmten Mooswiesen
    landen? Tausende über tausende schweben über uns und lassen sich
    wie eine gigantische wabernde Masse in den Tümpeln am Wegesrand
    nieder. Die Wiesen sind schon seit hunderten von Kilometern voll von
    Federvieh, das ich aber nicht genau benennen kann. Biologen würde
    das Herz aufgehen, ich staune nur über die gewaltige Anzahl.



    Wir umrunden den Hornafjord vor Höfn
    und da liegt es, farblich perfekt an die fahlbraune Landschaft
    angepasst, das Fosshotel Vatnajökull.


    Die Fotos im Internet hatten mich schon
    so beeindruckt, dass ich spontan buchen musste, aber real sieht es
    noch viel besser aus. Im Stil der uralten Bauernhäuser mit mehreren
    kleinen Giebeln gebaut und die Front mit Holz verkleidet, schmiegt es
    sich unauffällig in die Landschaft. Von innen ultramodern, nordisch
    kühl und minimalistisch mit nackten Betonwänden und schwarzem Stein
    ausgebaut. Das Zimmer groß und geräumig, leider sehr unsauber. Ich
    hab schon viel erlebt und kann im Urlaub auch in dieser Beziehung
    Kompromisse machen, aber was hier so an den Wänden und Einrichtung
    peekt und klebt, verlangt dem Gast Einiges ab.


    Dafür unschlagbar der Blick aus dem
    Fenster. Die Sicht erstreckt sich über endlose vermooste Flächen
    bis zu den schwarzen Bergen und auf drei Gletscherzungen. Die
    Fensterfläche ersetzt die Wand und wir möchten nur rausstarren.
    Sollte es Nordlichter geben, wäre hier die perfekte Aussichtstribüne
    dafür. Für diesen Ausblick nimmt man auch den Schmodder im Zimmer
    in Kauf. Was ist schon perfekt?


  • Du schreibst und beschreibst immer besser.
    Ironie--Smiley schade, dass Eure Fahrt bis zum Hotel so kurz war. Nun ist der Bericht schon wieder zu Ende. Einziger Trost - bald bin ich dran.
    Danke nochmals für die Mühe des Schreibens.

    Grüße aus dem schönsten Bundesland Schleswig-Holstein

    Island Mai 2016 und dann immer wieder

  • Hallo Vielseher,


    mein Reisebericht ist noch lange nicht zu Ende, da wird noch eine Menge kommen. Die letzten Tage war die Seite gesperrt, aber sobald weiß wie jetzt die Fotos hochgeladen werden, geht es weiter. Grad hatte ich es auf der alten Seite geschafft, schon warten neue Fallen auf mich.

  • Ich habs, jetzt geht es weiter:



    4. Tag Ostermontag

    Auch aus dem Frühstücksraum in der Etage unter uns ist der Ausblick sowohl aufs reichhaltige Büffet als auch auf die grandiose Umgebung durchaus erfreulich.Und wieder ist Odin mit uns. Herrlichster Sonnenschein, genau der richtige Tag für den Skaftafell-Nationalpark.

    Wieder 130 km zurück durch diese unglaubliche Gegend, dieses Mal bei Tageslicht. Heute ist Schwanenseetag. Ich glaube, hier hat sich die komplette Weltpopulation an Schwänen zusammengefunden.


    Noch in der kleinsten Pfütze dümpeln Schwäne – die pure Idylle. Wie auf der kitschigsten Hochzeitstorte, immer zwei Schwäne, die ihre Hälse zum Herz geformt zusammenstecken und friedlich durchs Wasser gleiten.


    Im Skaftafell-Nationalpark erklärt uns ein Sahneschnittchen von Ranger die Wanderwege, Laufzeiten und Schwierigkeitsgrade. Leider bin ich vom hinsehen so abgelenkt, dass ich nicht richtig zuhören kann. Dieses Wikingermodel könnte locker mein Sohn sein, aber so bildhübsch, dass ich selbst mit meinen 50 Jahren gerne einen zweiten Blick nehme.


    Nun aber zum eigentlichen Grund unseres Hierseins:

    Schon nach wenigen Schritten auf dem Wanderweg Nr. 2 zum Svartifoss können wir uns vor Begeisterung kaum einkriegen. Das Erste, was mir einfällt: „Wie lieblich“ als ein kleiner Bach unaufgeregt unter einer Holzbrücke hindurchfließt. Klitzekleine Eiszapfen hängen an niedrigen Grashalmen, der Boden ist stellenweise ausgehöhlt und vom Wasser ausgewaschen. Natürlich sind diese kleinen Höhlen Elfenwohnungen, eine kleine Zauberwelt für sich.









    Die Wege sind gut ausgebaut und mit Gummimatten rutschfest ausgelegt, so auch für Ungeübte leicht zu schaffen wenngleich sehr steil. Auf dem Weg liegen drei sensationelle Wasserfälle kurz hintereinander. Als letztes der Svartifoss. Schon von Weitem hört man das Rauschen der gigantischen Fälle. An verschiedenen Stellen sind Aussichtsplattformen errichtet, die den perfekten Blick gewähren. Immer wieder bleiben wir stehen, drehen uns um und staunen über die schier endlosen schwarzen Lavafelder unter uns, die von Horizont zu Horizont reichen. Was ein Panorama! Und zum krönenden Abschluß der Svartifoss. Die letzten Meter gestalten sich etwas mühsam, denn wir wollen nicht am Aussichtspunkt stehen bleiben, sondern stolpern einen ausgewaschenen, glitschigen Pfad hinunter zum Fuß des Falls. Hier ist, ähnlich wie am Öxarafoss, ein Kletterparadies für Kinder. Große und kleine Steine liegen im ungefährlich flachen Wasser. Unser Kind kriegt gar nicht genug, Stunden und Lichtjahre würden nicht reichen, jeden Stein zu bekrabbeln und drüber zu hüpfen.

    Und dann der Wasserfall! Ich hatte schon unzählige Bilder gesehen, aber live ist das noch mal was ganz anderes. Die Basaltsäulen hängen in schwindelerregender Höhe fast u-förmig um den Wasserfall herum. Es ist in echt viel viel größer, als es auf Fotos scheint. Diese kantigen Stelen sehen schon irreal aus, wie eine Fantasy-Film-Kulisse.

    Es ist eben erst Vormittag und wir sind fast allein hier, nur wenige hochwichtige Fotografen haben ihre mannshohen Stative über die Absperrung geschleppt, Kameraobjektive lang wie Baguettebrote über die Zäune gehievt und positionieren sich auf abgesperrtem Terrain. Hochwichtig, aber strunzdoof. Hier kann man gar kein schlechtes Foto schießen, selbst ich kaum, egal wo man steht.






    Auf dem Rückweg hinab, vorbei an niedrigen Bäumchen und winzigen Weiden mit flauschigen Weidekätzchen übersät, kommen uns Horden von Wanderern entgegen. Es gibt auch einen längeren Rundweg, aber der schöne Ranger hatte uns wegen Matsch und Rutschigkeit davon abgeraten.

  • Ich hab mich aus Versehen selbst gelöscht. Neuer Versuch:



    Wieder unten freuen wir uns auf eine angenehme Mittagspause, aber auch hier gibt’s Nichts zu Essen. In einer Kühltruhe stehen drei armselige Becher Skyr und Skaftafell-Rentier-Carpaccio oder so. Nee, dann wieder Schoko-Ostereier.

    Der Himmel hat sich ein wenig zugezogen, es ist aber immer noch angenehm warm. Daher wollen wir noch den Weg zur Gletscherzunge gehen. Wir entschließen uns für den rechten der zwei möglichen Wege. Zuerst fängt es gut geschottert und ausgebaut an, dann geht es über Stock und Stein und mehrere Hügel auf und ab weiter. Gelb markierte Pflöcke weisen den Weg. Nicht, dass es nötig wäre, die Gletscherzunge als Endziel ist weithin zu erkennen.




    Als wir über die letzte Kuppe geächzt kommen, verschlägt es uns die Sprache. Vor uns breitet sich ein großer blauer See mit Eisbergen aus. Herrlich!

    Genau wie am Svartifoss geht auch hier das Drama erst nach dem Aussichtspunkt los. Man kann noch bis zum Gletscher laufen, aber was so nah aussieht, zieht sich wie Kaugummi. Die körnige Masse am Boden tritt sich breit und scheint die Füße festhalten zu wollen. Ich quäle mich weiter, aber ganz ans Eis kommen wir nicht. Zwischen uns und der Abbruchkante fließt ein breiter Graben mit ordentlicher Strömung. Wenn auch nicht tief, würde sie uns von den Füßen reißen. Also alle Qual umsonst.

    Ich habe die Faxen dicke! Dieser Schönling, dieser elende Lügner „short and easy“ hatte der Ranger den Weg genannt. Jau!


    Ich schleppe mich vorwärts, das Kind quengelt auch schon. Immerhin läßt er sich von seinem Genörgel durch hundertfaches Steine-ins-Wasser-werfen-aufditschen-lassen-und-platschen-hören ablenken. Stunden später.

    Der Rückweg zieht sich elendig, bis wir Trolle in den Felsen entdecken. Einmal einen gesehen, finden wir immer mehr und fotografieren sie, ich hoffe, das hat kein Nachspiel...







    Und zu Essen gibt’s immer noch Nichts.

    Im Hotel läuft ein Fernsehprogramm „Glacier TV“, da wurde Werbung für „Glacier Goodies“ gezeigt, einem Imbisswagen auf dem Campingplatz hier im Skaftafell, der hat aber leider noch Winterpause.

    Ich bin platt wie ein Butt auf dem Schlick!

    Doch weil es so schön war, halten wir noch mal am Svinafellsjökull mit dem herrlichen, malerischen Gletschersee.



    Natürlich will mein Mann noch mal zum Jökullsarlon und zum Diamant beach gegenüber. Thor, der Wettergott, hat meine Gebete erhört und läßt es regnen. Danke! Ich will nicht mehr aussteigen und keinen Eisklumpen mehr sehen. Irgendwann ist es auch mal gut gewesen.


    Mit letzter Kraft schleppen wir uns ins Hotelrestaurant. Für ein „nur“ 3-Sterne-Hotel gibt es ein Toprestaurant.Ich finde es schon reichlich 6+d überkandiedelt hier. Die Karte umfaßt ganze 4 Gericht: Fisch, Lamm, Rinderfilet oder Gemüserisotto. Die Kinderteller bestehen aus jeweils einer kleinen Portion davon, obwohl die Speisen wenig kindgerecht sind. Mein Sohn bekommt das Rinderfilet mit glasierten roten Zwiebeln, da hat ein Küchenchef mal gar nicht nachgedacht. Allein das Kinderessen für knapp unter 4000 ISK ( ca. knapp 35 €) ist auch nicht wirklich kindgerecht. Egal, Hauptsache satt – obwohl mir heute in meiner Verfassung auch Tütensuppe recht wäre.


    [ Nachtrag: wenn ich hier über Preise schreibe, will ich nicht jammern und klagen. Sie dienen vielleicht als kleiner Hinweis für all die Ersttäter und Islandplaner: Ein günstiger Flug bedeutet nicht gleich ein günstiger Urlaub. Seid euch sicher, das dicke Ende kommt]

  • 5. Tag Dienstag


    Heute machen wir uns auf Richtung Ostfjorde. Wir haben kein festes Ziel vor Augen und lassen auf uns zukommen, wohin und wie weit es uns treibt. Wir folgen der Ringstraße Richtung Djupivogur.

    Ich habe das Gefühl, wir fahren in ein Paralleluniversum! Ja, wir sind noch auf Island, aber es scheint so, als würde sich hinter Höfn eine neue Galaxie auftun. Die Berge werden höher und schroffer, verschneite Geröllabhänge reichen bis an die Straße und weit darüber hinaus. Unser komplettes Auto ist kleiner als die meisten der hier herumgeschleuderten Felsbrocken – man fühlt sich so winzig zwischen diesen Dimensionen. Plötzlich hören wir ein Geräusch, als würde die Erde beben oder platzen oder von einem Riesendrachen verschlungen werden. Ein Rauschen und Dröhnen läßt unser Auto zittern und klirren – das ist so unheimlich, besonders, weil wir uns überhaupt nicht vorstellen können, woher das dumpfe Geräusch kommt und wodurch es ausgelöst wird. Hinter der nächsten Bergkurve ( oder wie nennt man das?) bietet sich ein Schauspiel, wie ich es höchstens aus Endzeitfilmen – The day after tomorrow- oder ähnliches kenne: auf gigantische schwarze Felsen, die bis ins Wasser ragen, prallt die ungebremste Kraft des Nordmeeres! Die Wellen tosen auf die Steine und spritzen viele viele Meter hoch wie ein Geysir in die Luft. Unvorstellbar, wie viel Energie da hinter steckt. Wir halten am Straßenrand und ich laufe, nur im Pullover, so sonnig und warm ist es, einige Schritte über Lavabrocken bis zur Wasserkante. So etwas habe ich noch nie gesehen! Ich habe das Gefühl, schon die nächste Welle könnte hier alles verschlingen. Unbeschreiblich! Die Dimensionen sind noch gewaltiger, als von der Straße aus zu sehen ist. Das Meer faucht und knallt so gegen die Steine, dass diese schon samtglatt abgeschliffen sind. Ich laufe zum Auto zurück und hole meinen Mann, das muss er unbedingt sehen. Auch er ist schwer beeindruckt. Ich kann gar nicht sagen, wie hoch diese aufschäumenden Wellen schlagen, die Größenverhältnisse sind hier einfach durcheinander geraten. Nie im Leben ( im wahrsten Sinne des Wortes, denn das würde man nicht überleben) würde ich mich näher an die Kante wagen. Da braucht doch bei diesen Gigantenwellen nur mal eine noch gigantischere Welle kommen, was ich für gar nicht mal ausgeschlossen halten, und schwups, ist man weg! Holla, hier ist mal ein perfektes Beispiel dafür, Naturkräfte nicht zu unterschätzen. An der Südküste gibt es durchaus Riesenwellen, aber die können am Strand auslaufen, hier werden sie durch eine zigmeter hohe Felswand abrupt gestoppt. Die Worte reichen nicht um zu beschreiben wie es ist, wenn so etwas aufeinanderprallt und ballert.







    Wir kleben wie ein winziges Insekt am Berghang, geradeaus vor uns die sonnenbeschienen weißen Bergspitzen, rechts unter uns das aufgewühlte graue Meer und schräg rechts hinter uns silberner Glanz auf dem Wasser, ich verrenke mir fast den Hals beim Aus-dem-fahrenden-Auto-nach-hinten-schauen.

    Die Küstenstraße mutet an wie der Highway No. 1 bei Big Sur in Kalifornien. Der Blick von oben auf Strand und Wellen – überwältigend, der Blick von so hoch oben auf Strand und Wellen – beängstigend!



    Und dann beginnen sie, die schwarzen Strände. Mindestens genau so beeindruckend, aber nicht annähernd so voll wie Reynisfjara, ziehen sie sich kilomenterweit an der zerklüfteten Küste entlang.

    Immer mehr Aussichts-Haltebuchten reihen sich alle paar Meter aneinander – wir halten an jeder an. Obwohl höchstens eine Minute gefahren, bietet sich schon wieder ein völlig neues Bild. So kommen wir nicht weit, egal, ist ja kein Wettrennen.




    Bergauf, bergab – nach der nächsten Kurve leuchtet das Meer türkis mit unzähligen kleinen, sanften Schaumkronen drauf wie das Mittelmeer. Von dieser Wildheit und Macht wenige Momente vorher nichts mehr zu spüren.


    So erreichen wir Djupivogur. Und – was soll ich sagen – auch hier finden wir auf die Schnelle Nichts zu Essen! Es gäbe schon ein Restaurant, aber das spricht uns nicht so wirklich an. Die Bäckerei und das von außen wunderschöne Langhaus haben geschlossen.

    Ebenso die Touristeninfo und das Steinmuseum, für das auf großen Plakaten geworben wird. Wir fahren ein bißchen im Ort herum, vorbei an dem Kunstprojekt am Hafen. Auf Steinpömpeln liegen zu Eiern geformte und geschliffene Steine, vielleicht so 20 Stück und etwa je 1 Meter lang. Es war bestimmt eine aufwendige Arbeit, die so in Form zu bringen und glänzend zu polieren.

  • weiter am 5. Tag Dienstag


    In der Tankstelle müssen wir an einem Bäckerstand mit trockenen Teilchen vorlieb nehmen. Bevor wir weiterfahren besuchen wir einen drolligen älteren Herrn, der sein Haus als skurriles Museum zur Verfügung stellt. Überall liegen Walknochen und ganze Skelette herum, zu Schmuckstücken geschnitzt bietet er sie zum Verkauf an. Ach, laß man stecken.




    Hinter Djupivogur im Berufjördur frischt der Wind merklich auf. Das ausgeschilderte „Fossadalur“ - Tal der Wasserfälle – macht seinem Namen alle Ehre. Die Frau im Skogarmuseum hatte Recht: Hier in Island gibt es wirklich genug Wasserfälle, man kann sich sattsehen, ohne Privatsphären-Grenzen zu überschreiten. Ein blau-weißes Wanderschild fassen wir so auf, dass wir hier besser nicht weiterfahren. Gestern hatte ich Wandertag genug, außerdem pfeift der Wind hier oben gewaltig, wir werfen noch einen Blick über das Tal und die umliegenden Berge und setzten unseren Weg auf der Ringstraße fort.. Kurz darauf erreichen wir den letzten ungeteerten Abschnitt der Ringstraße, leider ist der Öxi-Pass gesperrt. Das wäre mein highlight des Urlaubs gewesen. Allerdings- wenn der so steil und schmal wie der Weg vorhin ins Fossadalur ist, dann bin ich vielleicht doch gar nicht so scharf drauf.




    Wir drehen um. Hier gibt es nix. Keinen Cappuccino, keine Getränkerückgabe. NIX – den ganzen Weg zurück bis Djupivogur! In Reykjavik ein Cafe neben dem anderen und hier seit Tagen Hunger!

    Haben die Ostfjorde einen deal mit WOW-Air, damit wir auch auf dem Rückflug noch in die Zwergensitze passen?



    Was meinem Sohn auffällt sind Metallringe im Meer, vielleicht Fischreusen oder Aufzuchtbecken für Hummer, leider kann ich es nicht beantworten.


    Aus (überwiegend weiblichen) Bedürfnissen heraus zweigen wir noch einmal nach Djupivogur ab. Jetzt ist auch das Steinmuseum geöffnet, zumindest ist die Tür einer großen Halle, wie eine Montagehalle, offen. Wir treten ein. Uns empfängt ein äußerst charmanter Schlosser, der hier seine Werkstatt hat, aber sofort erahnt, was wir wollen. Flugs schnappt er sein Telefon und nach einem kurzen Moment bedeutet er uns, dass im Obergeschoss das Steinemuseum untergebracht ist, der Besitzer in der Fischfabrik arbeitet, aber zufällig in diesem Moment Kaffepause macht und uns gerne seine Sammlung zeigen wird.



    Übrigens ist dieser hilfsbereite Schlosser der erste Ü40 Isländer, den ich bei der Arbeit sehe. Ist das schon mal jemandem aufgefallen, dass in allen touristischen Bereichen, Hotel, Restaurant, Autovermietung, Kassen in Geschäften usw. nur junge Leute arbeiten? Gehen die nicht zur Schule oder studieren? Was machen die Älteren? Mehr so „back-office“ Jobs?


    Die nächste halbe Stunde ist die schönste Zeit dieses Urlaubs! Die Steinsammlung ist grandios. Ich kann nur in Superlativen sprechen! Der gute Mann sammelt sein 28 Jahren in den umliegenden Bergen besondere und schöne Steine. Diese werden in einer selbstgebauten Maschine glatt und glänzend poliert, er sagt, diese Maschine laufe seit 7 Jahren ununterbrochen. Hunderte Steine in allen Regenbogenfarben und Formen stehen in deckenhohen Regalen an den Wänden. Wunderschön, einfach wunderschön! Noch schöner als schön! Ein Stein schöner als der andere!

    Ich kann mich nicht losreißen, muß aber immer dran denken, dass wir dem armen Mann die sicher dringend notwendige Kaffeepause stehlen. Der scheint aber keine allzu große Eile zu haben. Er führt uns in seine Werkstatt und Hinterräume, die ebenfalls mit den farbenprächtigsten Steinen gefüllt sind. Man spürt die Liebe und Begeisterung für sein Hobby, die auf uns abfärbt. Das führt dazu, dass wir etliche fantastische, prächtige Steine kaufen. Ach, die Auswahl fällt so schwer, ich will alle haben! Mein Mann auch! Mein Kind auch! Wir dürfen aber nur 20 kg Koffergewicht haben, das wird knapp. Völlig beseelt von diesem einmaligen Erlebnis habe ich sogar meinen Hunger vergessen, das will was heißen! You made my day!


    Auf dem Rückweg bieten sich bezaubernde Ausblicke längs in den Fjord. Vorne grüne Wiesen, der schwarze Strand, die weiße Eiskruste am Ufer, dahinter das blaue Meer. Wir können uns nicht sattsehen, steuern noch mehrere Aussichtsplätze an, z. B. Am Leuchtturm Hvalsnes, und staunen über die gewaltige Wucht der hoch aufschäumenden Wellen. Die Wikinger nannten sie „Rosse des Meeres“ und so sind sie auch: kraftvoll, wild, ungezähmt und frei.




    Plötzlich fragt mein Sohn: „Was ist das Große da? Riesenschafe?“ Nein, es sind Rentiere.

    Frei lebende Rentiere! Einfach so am Straßenrand. Völlig ohne Scheu und friedlich grasend. Rentiere sind für mich sowieso der Inbegriff von Ruhe und Frieden, sie haben eben diese weihnachtliche Aura, die man sofort mit ihnen verbindet.

    Wir haben vor Jahren schon mal Rentiere gesehen, aber viel weiter im Landesinneren, am untersten Zipfel des Lagarfljot-Sees, südlich von Egilstadir. Dass sie jetzt direkt an der Ringstraße stehen wundert mich. Zum Glück ist die Straße völlig Autoleer, so dass wir anhalten und fotografieren können.



    Vor dem erst 2005 gebauten Tunnel führt die alte Ringstraße zu Aussichtpunkt Allmannskad. Für den steinigen, holprigen, steilen Weg werden wir mit einer überwältigenden Aussicht belohnt.


    .

    Wenn ich nicht bald was zu Essen kriege, flippe ich aus! Auch das Viking Cafe direkt hinter dem Tunnel (von Norden aus kommend) hat geschlossen. Das kann echt nicht sein. So reduzieren sich die Speckröllchen!

    Für das Hummerhaus und das Packhaus in Höfn sehen wir eindeutig nicht mehr frisch und gepflegt genug aus, so verschlägt es uns in Z-Bistro. Da werden wir – so wie wir sind – freundlich empfangen. Eine üppige Portion Hummer auf dem Sandwich hebt die Laune. Wobei Sandwich völlig untertrieben ist. Auf dem Tisch steht ein Riesenquader helles Brot, ähnlich Ciabatta, kein labbriger Toast, sonder knusprig gebacken, reich belegt, appetitlich angerichtet mit Kartoffenwedges. Eine Sensation! Dem Sohn schmecken die Nudeln alla Panna aus der viefältigen Kinderkarte. Geht doch – alles gut.


    Nach einem kurzen Zwischenstop am Hotel fahren wir zum nahegelegenen Gehöft „Hoffell“ und suhlen uns in zwei der fünf unterschiedlich temperierten heißen Pötte. Mitten im Nichts, ringsum nur Berge und Moos, stehen in die Erde eingelassen ca. 2m Durchmesser große Plastikwannen. Man wirft einfach 500 ISK pP in eine kleine aufgestellte Kiste und rein ins Vergnügen. Mit uns im Pool ein paar Australier und wir sehen der Sonne beim Untergehen zu.

    Ja doch, wir haben ein Händchen für Sonnenuntergangsplätze. Jetzt schon drei „place-to-be“ hintereinander ( Grotta, Jökulsarlon, Hotpot), . Einige dünne Schleierwolken am Himmel färben sich orange, es wird dämmerig - ein wunderbarer Tag geht zu Ende.

  • Liebe Elke II,


    vielen vielen Dank für deinen tollen Reisebericht. Es ist ein Genuss, ihn zu lesen! :saint:

    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung...:)


    Lg Nera

  • Ja auch von mir vielen Dank!!!!!!!!

    Ich wußte gar nicht dass es außer Petras Steinemuseum noch mal so was gibt.

    Muß ich mir für das nächste Mal merken.thx1

    Genau deshalb schreibe ich hier, damit diese versteckten "Juwelen" auch von anderen Islandfans entdeckt werden können.


    In Petras Steinmuseum war ich mal vor 15-17 Jahren, da fand ich es schon sehr kommerziell und recht kitschig.

    Die Ausstell


    ng in Djupivogur enthält wirklich nur Steine und keine Schnickschnack. Hier mal ein altes Foto von Petras Garten



    So dann schreib ich mal ein bißchen weiter von meinen schönen Tagen in und um Höfn:



    6. Tag Mittwoch


    Es regnet. Es schüttet, dass selbst Frösche ertrinken würden.

    Wir sind noch ein bißchen erschöpft von gestern, so dass wir gerne etwas länger liegen bleiben und danach ausgiebig frühstücken.

    Es regnet noch immer, die geplante Reittour findet nicht statt – schade, der Rezeptionist unseres Hotels hatte extra noch mal beim Pferdehof angerufen. ( Vielen Dank noch für den guten Tip, bei Odin-Tours anzurufen. Dort arbeiten bestimmt die nettesten, freundlichsten und entspanntesten Reithofbesitzer und Tourguides ganz Islands.) Sobald wir wieder die Gelegenheit bekommen, werden wir dort reiten und gerne auch übernachten.


    Ab Mittag heben sich die Wolken. Zuerst wird der Fuß des Berges sichtbar, dann die Gletscherzunge, dann der ganze Berg. Wie schnell sich das Wetter ändert! Die Sonne scheint, als hätte sie nie etwas anderes getan, so machen wir uns auf den kurzen Weg nach Stokksnes. Gestern waren wir schon dort am Viking Cafe, hatten aber keine Lust mehr auf Sightseeing. Es locken als Attraktionen ein Leuchtturm und der Berg Vestrahorn als begehrtes Fotomotiv, ebenso die Kulisse der Fernsehserie „Vikings“, die ich sehr gerne gesehen habe. Als wir dort ankommen, bläst der Wind, wie er es nur auf Island kann und wie es einen Festlandseuropäer immer wieder aufs Neue überrascht. Das Kind möchte lieber im schnuckeligen Vikingcafe bleiben, wo sich der freundliche Wirt sofort seiner annimmt und ihn mit Tee, Schokomuffins und WiFi versorgt.

    Mein Mann und ich möchten uns die ca. 900 m entfernt Filmkulisse ansehen und laufen los, besser gesagt, wir fliegen bei Rückenwind. Hoffentlich läßt das nach der nächsten Kurve hinter den hohen Bergen nach. Puh, jetzt wird’s besser – bis uns plötzlich eine Böe erwischt.

    Ich stehe direkt vor einem Absperrgitter – mitten auf dem Weg, um Autos abzuhalten – als ich mit ungeheurer Kraft vom Wind dagegen gepresst werde, ich knalle voll gegen den Metallpfosten, so dass mir für einen längeren Moment die Luft weg bleibt. Mein Mann ist zwei bis drei Schritte hinter mir, er kommt von hinten angeflogen und platscht voll vor den Bauzaun, wie der Froschkönig vor die Wand. Unfassbar, ein stattlicher Mann fliegt durch die Luft, wie von der Hand eines Eisriesen gepackt. Sein trockener Kommentar dazu: „Besser hinter dem Zaun als davor.“

    Nicht auszudenken wo wir hingeflogen wären, wenn uns diese Absperrung nicht gebremst hätte. Und erst recht nicht auszudenken, wenn wir das Kind dabei gehabt hätten. Puh, das flößt erst mal Respekt ein!




    Der „Vikings“-Drehort ist schon sehr verfallen, aber noch gut zu erkennen. Das Langhaus, die Hütten, die Feuerstelle, umgeben von einem hohen Holzzaun. Von außen wirkt es ein bißchen wie Schlumpfhausen.




    Zurück am Cafe erholen wir uns von dem Schreck mit Cappuccino und Schokomuffins. Hier drin ist es so gemütlich, obwohl oder gerade weil alle Möbel bunt zusammengewürfelt sind. Sofa, Holzstühle, Schreibtischstühle, Klapptisch, Wohnzimmertisch von allem etwas. Die Gäste lieben es, denn so gut wie jeder Platz ist besetzt. Zum Leuchtturm möchten wir nicht laufen, genug blaue Flecken für heute, aber der Weg dorthin ist asphaltiert und für Autos freigegeben. Natürlich will ich auch ein Foto, auf dem sich der Berg „Vestrahorn“ im Wasser spiegelt, wie ich es x-fach im Internet gesehen habe. Leider ist Niedrigwasser, also nichts zum Spiegeln da. Außerdem sandstrahlen die Lavakörner, die über die freie Fläche stürmen, das Auto und jeden, der sich aus dem Auto herauswagt. Binnen Sekunden knirscht das Objektiv und es ist gar nicht möglich, über die Dünenkette zu klettern, die vom Weg aus die Sicht versperrt. Bis ganz zum Leuchtturm gelangt man gar nicht.




    Es ist recht warm, 9° Grad, so beschließen wir, schwimmen zu gehen in der Hoffnung, direkt in der Stadt windgeschützter zu sein als hier am Strand.

    Falsch gedacht! Im Schwimmbad fliegen uns die Haare und Ohren vom Kopf, so verlassen wir unter starkem Protest des Sohnes schon nach einer halben Stunde das Schwimmbad wieder. Besser er plärrt jetzt vor Trotz als heute Nacht vor Ohrenschmerzen.


    Wir hatten uns schon zu Hause vorgenommen, ins Hummerrestaurant zu gehen – schließlich ist Höfn die Hummerhauptstadt.

    Doch schon zu Hause kamen mir moralische Bedenken: sind ja echt putzig die Viecher und wie die zu Tode kommen.....

    Als unser ohnehin schon arg angepi... Kind davon erfährt, erleben wir eine Sturzflut an Tränen und Mordanklagen. Ja, so ein Urlaub mit Kind ist auch nicht immer Zuckerschlecken, obwohl er bis jetzt tapfer ausgehalten hat.


    Also das mit dem Hummer fällt aus, statt dessen gibt’s im Hotelrestaurant wieder Rinderfilet. Diesmal ohne rote Zwiebeln bestellt, dafür gibt’s rohe Erbsenschoten (waren extrem kabbelig im Mund) und Ich-weiß-nicht-was-für-einen-Fisch. Fü meine Nerven gibt es einen ganz großen Baileys auf Eis. Was sein muß, muß sein!

  • Schön, und ich musste doch lachen. Hat schon was für sich, wenn man seine Kinder groß hat. :nummer1:

    Grüße aus dem schönsten Bundesland Schleswig-Holstein

    Island Mai 2016 und dann immer wieder

  • Ach je, kleine Kinder, kleine Sorgen......aber alles in allem war es doch ein harmonischer Urlaub.:love: und so geht es weiter:


    7. Tag Donnerstag


    Heute müssen wir wieder zurück nach Reykjavik. Nach dem Sandsturm von gestern graut es meinem Mann schon vor der riesigen Sanderfläche vor Vik, er ist schon so nervös, dass er lieber über die Nordroute zurück möchte. Was natürlich Quatsch wäre, die Strecke in zwei Tagen fahren zu wollen. Noch ein schneller Blick auf „road.is“ - wir sind beruhigt: die Ringstraße ist frei.


    Ein letztes Frühstück, von eingelegtem Hering über Skyr bis frischgebackenem Brot und Waffeln zum selbst backen – mit Sicht auf sonnenglänzende Gletscherzungen und schneebedeckte Berge.

    Es ist echtes Aprilwetter: links strahlender blauer Himmel über blauem Meer, rechts eine graue undurchdringliche Nebelwand zwischen den Bergen, aus der es garstig graupelt. Wie kann es bei 6° Grad schneien?

    Wir halten noch mal am „Diamant Beach“ , zum Glück bleibt das schlechte Wetter weiter landeinwärts, so dass das durchsichtige Eis in der Sonne funkelt.




    Das Wasser in der Jökulsarlon erscheint in einem satten Schalke-blau, viele der Eisskulpturen schimmern statt weiß eher wie Gletscherbonbons. Ich fahre meinen Mann von einem Parkplatz zum nächsten, er immer sprungbereit mit gezückter Kamera im Anschlag. Weiter die wenigen Kilometer bis zum Fjallsarlon, der sich nicht gravierend von Jökulsarlon unterscheidet. Am Parkplatz steht ein neues Bistro. Nicht so eine usselige Bude wie am Jökulsarlon, wo die Toilettentür nichtmal richtig schließt und ich ums Verrecken nicht essen möchte. Hier sind die neuen Waschräume sehr sauber und am Wasserhahn verbirgt sich ein Geheimnis, es dauert lange, bis ich drauf komme. Ein Traum, wir bekommen den besten Cappuccino von ganz Island! Obwohl es noch fast eine Baustelle ist, fühlen wir uns hier sehr wohl!


    Weit mitten im Meer liegt im leichten Dunst der gewaltige Felsen von Ingolfshöfdi. Wir fahren durch schwarz-grüne Einöde bis wir die hell angestrahlte Gletscherzungen des Svinafellsjökull und Skaftafellsjökull erreichen. Hier halten wir nicht noch einmal an, nur kurz am Denkmal mit den verbogenen Brückenpfeilern, die nach einem Vulkanausbruch vor einigen Jahren dem Wasser- und Geröllfluss zum Opfer fielen. Über zwei unendlich lange Brücken passieren wir den (die?) Skeidararsandur. Ich möche mir nicht ausmalen wie es aussieht, wenn jetzt solche Wasser und Geröllmassen hier durch donnern. Schnell weg! Das ist wirklich gruselig.


    Die Sonne brennt mir durchs Fenster das linke Ohr weg. Grad hat es doch noch gehagelt.


    Auf der rechten Seite liegt das uralte Gehöft „Nupsstadur“. Die Zufahrt ist gesperrt mit dem Hinweisschild „privat“. Wir schauen nur aus der Ferne. Ich habe mal gelesen man dürfe dort hingehen, da dort eine Kirche steht und Wege zu Kirche öffentlich zugänglich sein müssen. Ich bin mir sicher, schon mal hier gewesen zu sein, als noch nicht gesperrt war. Wir entscheiden, daß uns diese 20 Meter näher dran nicht wesentlich glücklicher machen und fahren weiter.

    Auf der linken Seite ragt ein gewaltiger mit Gras bewachsener Hügel mitten aus einer Wiese auf. Wie eine gigantische Elfenburg oder Trollsitz. Wir überlegen, wie dieser Riesenknubbel hierhin gekommen ist, er wirkt regelrecht künstlich, wie als Fotomotiv drapiert.



    Wir fahren an den hübschen Fossalar, den Basaltsäulen „Dwerghamrar“ und dem „Kirchenfußboden“ bei Kirkjubaejarklaustur vorbei, das kennen wir schon von früher. Im weiteren Verlauf sehen wir viele schöne Wasserfälle, mit Namen wie Foss a glidu (oder Sidu) und die Schwesterwasserfälle, die parallel den Berg hinab fallen. Irgendwo bei Kirkjubaejarklaustur sehen wir niedrige kuppelförmige, grünbewachsene Hügelchen, mein Sohn meint: „Hier siehts aus wie im Teletubbi-Land“ und wirklich, man kann meinen, TinkiWinki und Lala tappen gleich um die nächste Biegung.


    Wieder zieht es mich zur Fjarargljufur-Schlucht. Zuerst gehen wir zur Brücke unterhalb des Parkplatzes. Von hier bietet sich ein bezaubernder Blick tief hinein in den Canyon flußaufwärts. Heute ist es nicht so windig, als wir dem gut ausgebauten Weg folgen. Das grau-grüne Moos klebt an den gewaltigen Felsen wie Patina und läßt sie verrottet und verwittert aussehen.



    Da der Fluß sich Millionen Jahre lang durch den Stein gespült hat, sind die Felswände zu beiden Uferseiten gebogen, rund und wellig, wie von dem Künstler Hundertwasser erdacht. Grandios: am höchsten Punkt der Schlucht wurde ein Skywalk errichtet. Durch eine Plattform aus Gitterdraht schauen wir in die Tiefe unter unseren Füßen. Bestimmt haben hier schon Besucher Panik gekriegt. Mein Mann unkt:" In ein paar Jahren steht hier oben ein Cafe mit Souvenirshop.“

    Von drei Seiten fällt – oder besser rutscht – das Wasser über die Felsen in einen Kessel, wo es sich vermischt und tobend aufschäumt. Was wäre es ein Spaß, auf einem Gummireifen so eine Wasserrutsche hinunter zu sausen.



    Besonders die ganz rechte, die ist wie geschaffen dafür.

    Auf dem Weg wieder bergab fasziniert der Kontrast zwischen Licht und Schatten in der Schlucht, je nachdem, wie die Sonne zwischen den Felsvorsprüngen auf den Boden trifft. Unten am Flußufer ist eine kleine Wiese gewachsen, dort würde ich gerne liegen und die Füße ins Wasser halten.


    Wir durchqueren die Eldhraun. Das hatte ich mir anders vorgestellt. In Gedanken wollte ich mich ins weiche, fluffige Moos werfen und darin wälzen. Jetzt finde ich, dass die blassgrün bepelzten Brocken aussehen wie das Erbrochene eines Riesentrolls, ach nee, wälzen will ich mich nicht mehr.



    Nächster Halt ist am Parkplatz mit den hunderten Steinmännchen. Entweder stand dort kein Schild oder ich habs übersehen. Auf jeden Fall weiß ich immer noch nicht, wer diese unzähligen Steinmännchen erbaut hat und der Sinn hat sich mir erst recht nicht erschlossen.




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  • immer noch 7. Tag Donnerstag



    Mein geliebter Strand von Vik kommt näher. Mit Blick auf die Trolle kommt der spontane Gedanke. „Ich bin da.“ Wahrscheinlich hat mein Unterbewußtsein schon den ganzen Urlaub auf diesen Moment gewartet. Meine unsensiblen Männer hegen ganz andere Gedanken: „Ströndin“, das Restaurant an der Tankstelle. Mein Mann isst ein Lammgulasch. Es schmeckt ihm hervorragend, ich finde, es riecht entschieden besser als es aussieht. Auch hier gibt es erfreulicherweise Kinderportionen.

    Der Strand ist überwältigend, wenn die Welle zurück rollt, spiegelt sich der blaue Himmel im nassen schwarzen Sand. Durch den Wind weht feinster schwarzer Sandstaub über den weitläufigen, samtig schwazren Strand. Die Gischt sprüht wie wabernde Gespenster hoch in die Luft.





    Ab Vik wird es extrem windig und Richtung Westen türmen sich dicke dunkelgraue Wolken auf.

    Am Skogarfoss ist es entspannt leer. Auch hier treibt der Weind eine wabernde Wand aus Gischt durch die Luft. Plötzlich beginnt es zu schneien wie verrückt. Ein irrer Anblick: das wirbelnde Wasser des Skogarfoss vermischt sich mit den wirbelnden Schneeflocken. Innerhalb von Sekunden ist die Welt weiß, der Schnee kommt in gewaltigen Massen quer durch die Luft – und trotzdem scheint von rechts hinten die Sonne.




    Blauer Himmel, sonne, dicke dunkle Wolken und Schnee begleiten uns bis Reykjavik. Manchmal nacheinander, manchmal alles zusammen.

    Im Licht der untergehenden Sonne machen wir Halt am Uridafoss, wohl der schönste Wasserfall Islands. Beim letzten Besuch verschneit und zugefroren führt er heute extrem viel Wasser, das gletscherblau gegen den riesigen Felsen mitten im Fluss prallt. Mein Lieblingswasserfall.






    Endlich sind wir im Fosshotel Lind angekommen, Nähe Busbahnhof Hlemmur, in dem die Zeit vor 30 Jahren stehengeblieben zu sein scheint.

    Der Nachtportier schickt uns in ein winziges Doppelzimmer, doch wir sind zu dritt und keiner von uns will in der Dusche schlafen. Außerdem stinkts. Was nun? Der arme Kerl ist überfordert, murmelt wie ein Mantra:“Occupied, occupied“ (Belegt, belegt) Gut für uns, die Suite ist noch frei! Tja, bevor wir uns schlagen lassen....nehmen wir doch die. Jetzt ist der arme Kerl noch überforderter: Die Betten müssen noch bezogen werden. Er schleppt Bettzeug an und starrt verzweifelt auf die Wäschestapel. Na gut, ich beziehe es selbst. Er lächelt selig.

  • Danke, wieder was gelernt. Ist es heute nicht so, dass keine Steinmännchen mehr aufgestellt werden dürfen?

    Wir haben uns zu Hause im Garten welche aus Lavasteinen gebaut - was tut man nicht alles.


    Lange nicht dazu gekommen, jetzt geht es weiter:



    1. Tag Freitag


    Im Fosshotel Lind liegt der Frühstücksraum im Keller! Nach der wundervollen Aussicht auf endlose Weiten in den letzten Tagen fühlen wir uns wie Asseln. Schaben, die im Dunkeln hausen. Nur winzige Fensterschlitze hoch oben fast unter der Decke lassen minimales Tageslicht einfallen, da nützt es auch nicht viel, dass die komplette IKEA-Dekoabteilung hier angeschleppt wurde. Das Frühstück hat das gleich gute Niveau wie in den vorherigen Fosshotels, die Cappuccinomaschine ist ein zusätzlicher Luxus, aber wie Würmer unter der Erde gehalten werden wollen wir dann doch nicht.


    Für heute haben wir keinen bestimmten Plan mehr, es war mehr als Puffertag gedacht, wenn wir gestern die 450 km nicht direkt geschafft hätten.

    Was nun mit dem verbleibenden Tag? Wir wollten immer schon mal auf die andere Fjordseite mit Blick auf Reykjavik, also fahren wir los. Hinter Mosfellsbaer wieder Natur pur. Wie schon in den letzten Tagen schimmert auch hier das Meer adriablau, wenn es doch nur 25° mehr hätte....Ich möchte einfach reinspringen, gleich vom Auto aus, so verlockend sieht es aus. Wir halten an einer Parkbucht, von der aus die ausgedehnte Seeseite Reykjaviks zu sehen ist. Unser Sohn hat Riesenspaß, als er aus der Ferne „Solfar“, „Harpa“, „Grotta“, „Hallgrimskirkja“ und „Perlan“ wiedererkennt.

    Hinter dem Tunnel muss ich echt nach Luft schnappen vor Überwältigung: blau, so weit das Auge reicht! Himmel und Meer treffen sich am Horizont, weiße bauschige Wolken treffen auf verschneite Bergspitzen – es ist perfekt.


    Hinter Borganes im Kreisverkehr halten wir uns links Richtung Snaefellsnes und befinden uns auf einer Ebene, die wie unsere deutsche Heidelandschaft anmutet, dabei passieren wir einige kleine hübsche Wasserfälle. Ewig lange fahren wir durch dieses platte Land, das nur von Gras und niedrigem Kraut bewachsen ist. In diesem Moment fragt mein Mann ( eher rhetorisch): „Warum haben die hier nicht einfach eine gerade Straße gebaut?“ Mein Sohn und ich gleichzeitig im absolut gleichen, selbstverständlichen Tonfall:“Wegen der Elfen.“ So haben wir das schon verinnerlicht, da gibt’s gar keinen Zweifel.

    Warum allerdings die Straße mitten im Nichts tatsächlich so kurvig ist, bleibt Islands Geheimnis.

    Rechts liegt das Wandergebiet „Barnaborgir“, das heißt doch „Kinderburg“, warum wohl?

    Plötzlich, wortwörtlich aus heiterem Himmel fängt es wie verrückt an zu schneien und ruck-zuck ist die Straße weiß – keine 10 Minuten später ist der Spuk wieder vorbei, wie abgeschnitten – was war das denn?

    Gut, dass wir Spikes haben. Kurz vor dem Abzweig zur Str. 56 gibt es eine Tankstelle, tanken können wir bei herrlichstem Sonnenschein.

    Zum Glück ist die Str. 56 durch die Berge Richtung Stykkisholmur völlig schneefrei, sonst wären wir nicht gefahren, aber so erleben wir ein märchenhaftes Bergpanorama.

    Es ist schon was dran an der Theorie: Snaefellsnes ist Island in klein.




    Wir erleben Lavaflächen, grüne Wiesen, moosbedeckte Aschefelder mit einem Strandhafer ähnlichen Gewächs, glasklare Seen, zugefrorene Seen, weiße Berggipfel im Sonnenschein und am Ende des Bergpasses der unvergleichliche Blick auf den Breidarfjord und die gegenüberliegenden gigantischen Felsen der Westfjorde. Und das Alles nur etwa 90 Minuten von Reykjavik entfernt.

    Wir genießen leckere Teilchen in einer schnuckeligen Bäckerei und den Ausblick vom hochgelegenen Kirchplatz aus.

    Plötzlich kommt mir eine gute Idee: Wir fahren zum Kirkjufell! Ich will auch dieses Foto! Das ist doch jetzt Islands Aushängeschild in jeder Werbung. Ich will ich will ich will! Wo das Im-Wasser-Spiegel-Foto vom Vestrahorn schon nicht geklappt hat. Also los!


    In Grundafjördur wollen wir in der Touristinfo nur nach dem Weg zum kleinen Wasserfall am Fuß des Kirkjufell fragen, da verschlägts uns in eine andere Welt. Die Touriinfo ist außerdem noch Bibliothek, Museum, Kinderspielhaus und Cafe Emil zugleich. So was Skurriles!

    Gleich vorne stehen hunderte oder tausende Bücher in Regalen, mitten dazwischen ein kleiner Schreibtisch mit Straßenkarten und Broschüren. Links eine komplette Wohnzimmerecke mit Plüschsofa, Plüschsesseln, Gitarre und Handarbeitskorb mit dem Hinweis, dies auch zu benutzen.

    Weiter hinten im Raum steht ein altes Schiff von 1912 und eine echte Kanone aus dem Jahr 1720, die hier von einem untergegangenen französischen Walfänger angespült wurde. Dazu altes Werkzeug und uraltes abgenutzes Angelequipment.




    Dahinter ist ein Kinderspielzimmer; eingerichtet mit einer Ausstellung von Spielzeug aus den 60er Jahren. Putzig, das zu sehen, war ja schließlich unsere Kinderzeit und Vieles von den Ausstellungsstücken hatten wir selbst. Ach und ooh und schwelgen in Erinnerungen. Unser Sohn schaut fragend: Hat ja alles kein Akku...

    Das Cafe besteht aus einem Brett als Tresen und bietet Snacks an. Der Clou: eine Torte aus Baisermasse (Meringue) mit Karamellsoße, darauf Sahne mit Schokoknusperkugeln drin, darauf wieder Baiser mit Karamellsoße und obendrauf Blaubeeren und Erdbeeren. Es ist sooooo lecker, läßt uns aber fast platzen. Wir haben noch niemals etwas Ähnliches gesehen, geschweige denn gegessen. Riesentipp!


    Für dieses Foto hätte ich meine unsterbliche Seele verkauft!

    Wir sind am Kirkjufell und es ist, mir fällt grad nichts ein, es ist es ist perfekt. Ich hab grad keine Wörter. Genau wie auf den Fotos, genau so. Dieser charakteristische Berg, davor der kleine Wasserfall unter der Brücke, ein Stückchen weiter noch ein kleiner Wasserfall. Ja, das sind wirklich keine Fotomontagen, die ich gesehen hatte, hier sieht es echt so aus, genau so. Auch die Farben sind genau so. Da hat man immer ein Bild vor Augen und auf einmal ist es existent. Und heute Morgen wußte ich noch nicht mal, dass ich diesen Urlaub überhaupt hier hin komme.




    Auf dem Rückweg liegt die Eishai-Farm Bjarnahöfn – man riecht es bereits von Weitem.

    Wir waren vor etlichen Jahren schon mal hier, sind aber nicht ausgestiegen weil ich gelesen hatte, dass der legendäre Hildibrandur ungebetene Besucher vertreibt oder die Hunde auf sie hetzt oder so.

    Heute ist hier ein Museum mit ausgestopften Tieren und alter Fischerkleidung. Ein kurzer Videofilm zeigt in Grundzügen die Haiverarbeitung, natürlich kann der fermentierte Hai auch probiert werden, zum Bedauern meines Mannes leider ohne Brennivin.

    Für eine Garage voll altem Gerümpel würde ich nie wieder 1100 ISK/pP ausgeben. Wieder was dazugelernt.

    Das Kind freut sich teuflisch darauf, den gekauften Hakarl in der Schule zu verteilen.