Teil 9
Mein letzter kompletter Tag mit Mietwagen stand bevor. Als ich am Morgen in Selfoss aufwachte, sagte der Wetterbericht mal wieder den typischen Regen und starken Wind voraus - auch für die Gegend in und rund um Reykjavik. Ich machte mich also nach einem ordentlichen Frühstück auf den Weg in Richtung Reykjanes-Halbinsel - dort sollten die üblichen Verdächtigen, wie Gunnuhver, Grindavík usw. auf mich warten.
Während der Fahrt merkte ich schon, dass es heute kein großartiger Tag zum Fotografieren sein würde, denn der Wind und der starke Regen würden das zu verhindern wissen. Mein Weg führte vorerst über Þorlákshöfn Richtung Grindavík, auf dem ich schon wieder die Kräfte der isländischen Winde spürte. Dort an der Küste entlang gab es des Öfteren den ein oder anderen Seitenhieb, der das Autofahren ziemlich erschwerte - glücklicherweise aber nicht in den Ausmaßen wie ich es schon kannte.
Auf dem Weg bis nach Gunnuhver machte ich mehrere Zwischenstops an Kirchen und Leuchttürmen und fuhr auch noch zu einer Höhle in die man wohl knappe 2 km hinein wandern kann (allerdings nur mit guter Ausrüstung und ordentlicher Beleuchtung) - nach 200 Meter machte ich dort auch wieder kehrt, da das Tageslicht nicht mehr weiter ausreichte (die genauen Koordinaten weiß ich leider nicht mehr, habe sie aber irgendwo hier im Forum gefunden)!
Bei Gunnuhver angekommen, endete der Dauerregen endlich mal für ein paar Augenblicke. Ich hatte bisher nur drei oder vier Bilder gemacht, da das Wetter einfach nicht mehr zulies und ich dadurch auch irgendwie keine Lust mehr hatte auf das Fotografieren. Ich fand das aber auch garnicht so schlimm, hatte ich in den vergangen Tagen doch einige schöne Schnappschüsse ergattern können.
Am besten gefielen mir an der Reykjanes-Halbinsel die extremen Formationen von Lava-Gestein und die sehr abstrakte Gegend mit Moos und unendlich wirkender Mondlandschaft. Ich musste natürlich mehrmals aussteigen und auf diesem unbeschreiblich weichen Moss spazieren gehen (natürlich mit äußerster Vorsicht um nichts zu zerstören). Aber meiner Meinung nach gehört es irgendwie zu einer Islandreise dazu, dass man sich einmal in dieses Moss legen muss. Auch wenn es verdammt nass ist.
Mein weiterer Weg führte mich hoch bis nach Garður und natürlich auch ein kleiner Umweg hin zur Blauen Lagune. Ich wollte von vornherein nicht dort baden gehen, da mir diese Touristenmassen einfach nicht zusagten, mal davon abgesehen, dass es einfach schweineteuer ist. Aber gerade diese Ruhe und Einsamkeit, die ich auf meiner ersten Reise allein kennengelernt hatte, gefiel mir irgendwie und ich hatte mich so sehr damit arrangiert, dass ich es weiterhin so genießen wollte. Trotzdem machte ich natürlich meine Runde um das Gebiet der Blauen Lagune und schaute mir wenigstens die Becken rund um die Anlage an.
Langsam wurde es wieder dunkel, und nachdem ich mir so ziemlich jeden Leuchtturm und jede Kirche der Halbinsel angeschaut hatte und auch die Blaue Lagune hinter mir hatte, beschloss ich, mich auf den Weg nach Reykjavik zu machen, wo ich meine letzte Nacht im Camper verbringen wollte, bevor ich ihn am nächsten Nachmittag wieder abgeben müsste.
Die Stadt war mittlerweile hell erleuchtet und auch hier hatte die Weihnachtszeit Einzug gehalten. Bunt geschmückte Starßenzüge und Gebäude brachten auch in mir schon Ende November diese Stimmung hervor. Nachdem ich mir einen Schlaf-Parkplatz für die Nacht gesucht hatte, war ich noch eine ganze Weile bis weit in die Nacht im Hafen und Umgebung zu Fuß unterwegs um den ein oder anderen Schnappschuß zu machen. Allerdings ohne Erfolg, denn der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen und vermasselte so ziemlich jede Aufnahme mit längerer Belichtungszeit durch Tropfen auf der Linse. Gegen 1 Uhr war ich dann auch wieder am Camper um den Schlaf der Gerechten zu schlafen und mich auf meinen letzten Tag auf Island zu freuen.
Das Wetter am nächsten Morgen haute mich zwar nicht aus den Socken - aber es schien wenigstens trocken zu sein. Das war gut, wollte ich doch heute die meiste Zeit zu Fuß unterwegs sein. Ich setzte mich zuerst in ein nettes Café am Hafen (leider ist mir der Name entfallen) um mich zu stärken und machte mich anschließend mit dem Auto zum Perlan auf. Ein wirklich imposantes Gebäude hoch über Reykjavik.
Danach ging es gleich wieder zurück in die Stadt, wo ich an der Hallgrímskirkja parkte um meinen Spaziergang von dort aus fortzuführen. Gern wäre ich in die Spitze der Kirche gegangen um ein paar Panaorama-Bilder von dort aus zu machen, nur leider war der Weg hinauf an diesem Tag gesperrt. Nunja, das konnte ich gerade noch so verkraften.
Wie man auf den Bildern erkennen kann, schien es heute irgendwie nicht wirklich hell zu werden. Aber solange es nicht regnete, störte mich das nicht sonderlich.
Zu dem typischen Tagesprogramm in der Hauptstadt gehört natürlich auch das auf und ab auf der Laugavegur. Ein bisschen gemütliches Bummeln, das mich langsam wieder in die Zivilisation zurückholte. Hatte ich doch so viele Menschen zuletzt in Deutschland gesehen. Aber es war zu ertragen.
Auch Richtung Hafen machte ich mich später nochmal auf, da ich die Sun Voyager Skulptur und die Harpa nochmal bestaunen wollte.
Nun wurde es aber auch langsam Zeit meinen Camper zurückzugeben. Nach dem Volltanken und der Anstands-Wäsche (meine Güte sah das Teil dreckig aus) ging es zurück zum Hauptsitz von Happy Campers. Alles funktionierte problemlos und schnell - ein kurzer gemeinsamer Check des Fahrzeugs und schon saß ich mit Jon im Transporter, der mich zu meiner letzten Unterkunft, dem Loft Hostel, brachte.
Ich freute mich schon wahnsinnig heute mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, denn nach 11 Tagen machten mir meine Bandscheiben dann doch irgendwann etwas zu schaffen (was aber nicht unbedingt am Camper lag - der war eigentlich sehr bequem). Zuerst gönnte ich mir in der Bar im obersten Stockwerk des Lofts einen Kaffee. Quasi um mal die Lage hier zu checken!
Genau an diesem Tag fand dort eine Klamotten-Tauschbörse statt (anscheinend gibt es viele verschiedene Tagesprogramme dort, unter anderem eben Flohmärkte aber auch Bands usw.). Und genau das war für mich in diesem Moment einfach zuviel Zivilisation auf einmal. Keine Frage. Unter normalen Umständen hätte ich dieses Gewusel ganz amüsant gefunden, auch weil so viele verschiedene Nationalitäten vor Ort waren. Aber nach 11 Tagen menschlicher und sozialer Abstinenz war das eben zu viel Fasching in meinen Kopf! Ich ging also nochmal raus und schlenderte noch etwas die Straßen entlang und telefonierte etwas um die Vorfreude auf den nächsten Tag zu steigern, an dem ich meine Liebsten wieder sehen würde.
Am späten Abend gönnte ich mir dann doch nochmal die Bar. Diesmal aber den Balkon, auf dem ich mein letztes isländisches Bier genoß.
Trotzdem mein Bett einfach himmlisch war, wollte ich nicht so recht schlafen in dieser Nacht. Zu viel hatte ich erlebt. Zu aufregend war das alles. Und genau jetzt spielte sich dies alles noch einmal in meinem Kopf ab. Mein Schlaf beschränkte sich daher nur auf ca. 2 Stunden, denn um 4.30 Uhr stand bereits der gebuchte Flybus vor der Hostel-Tür und es ging wieder ab in Richtung Flughafen.
Ich konnte es garnicht fassen, dass nun schon alles vorbei sein sollte. Auch dachte ich darüber nach, ob ich denn überhaupt alles geschafft und erlebt hatte?
ALLES geschafft und erlebt? Auf keinen Fall! Ausreichend geschafft und erlebt für die Kürze der Zeit? Auf jeden Fall!
Ich weiß gerade nicht wie ich es beschreiben soll...selbst jetzt, ein halbes Jahr später, wenn ich diese Zeilen schreibe, kommt in mir ein Gefühl auf, das in mir ein Feuer entfachen lässt. Ich bekomme Gänsehaut. Ich bin aufgeregt. Ein innerer Drang kämpft in mir und sagt mir, dass es für mich das außergewöhnlichste Abenteuer war, was ich bisher erlebt habe. Und das es nicht das letzte gewesen sein soll.
So fühlt sich wohl der Islandvirus an.
ENDE