Mahlzeit,
melde mich nach etwas länger als vorgesehenen ausgefallener Auszeit (Kind krank, viel Arbeit, Vorbereitung Dachausbau zuhause, gestorbener Hund des Schwiegervaters, Hochzeit von Freunden) nun mit dem nächsten Teil meines Reiseberichts zurück. Bin froh, dass ich diesen Teil nun endlich „hinter mir habe“, denn rückblickend war dies der zweite doofe Tag. Aber auch der Letzte!
Viel Spaß beim Lesen, wieder in zwei Teilen, da über 10.000 Zeichen... Bilder gibt’s keine, komme von hier aus nicht daran. Wäre aber auch nichts Gescheites dabei angesichts des Wetters im Süden am 16. Juni...
Im Nieselregen und aufgrund des immernoch recht starken Windes brav mit beiden Händen am Lenkrad setzten wir die Fahrt nach Osten fort. Noch eineinhalb Stunden, bis der Bube Mittagessen bekommen muss – also los! Vorbei an schöner Landschaft (linkerhand die ehemalige Küstenlinie, die sich aufgrund der nacheiszeitlichen Hebung der Landmassen heute als steile Geländekante darstellt) waren wir froh, Kirkjubæjarklaustur und die spartanische Unterkunft der vergangenen Nacht hinter uns zu lassen. Die Wolken waren zum Glück nicht einheitlich grau, so dass wir vor uns am Horizont die Ausläufer des Vatnajökull langsam näherkommen sahen – oben über dem Schnee entstanden sogar ab und an kleine Wolkenlücken, so dass die weiße Kappe hell leuchtete. So fuhren wir, vorbei an bizarren Felsformationen , durch Lavafelder („Hraun“ – gibt es übrigens auch als Süßigkeit – eine Mischung aus „Neapolitaner“-Waffeln und „Schoko-Crossies“), und immer geradeaus durch den Skeiðarársandur, dessen letztes Stück wir auf einer langen einspurigen Eisenbrücke mit mehreren Ausweichbuchten überquerten. Wir hielten dann natürlich für einen kurzen Fotostop an den verbogenen Brückenpfeilern und genossen kurz den Blick auf den Nationalpark mit den beiden bis fast auf Meeresniveau herunter reichenden Gletscherzungen des Vatnajökull. Einen Kilometer weiter nahmen wir den Abzweig Skaftafell und fuhren auf einen der letzten freien Parkplätze des Besucherzentrums. Der Bube sollte, so unser Plan, bei dem ungemütlichen Wetter drinnen essen können - vielleicht würde es ja, wie das vielzitierte isländische Sprichwort besagt, in einer halben Stunde besser sein! Leider war drinnen keinerlei Sitzmöglichkeit, Restaurant oder ähnliches zu erblicken, so dass ich mich an den Infoschalter wandte und um eine Steckdose für unseren Gläschenwärmer bat. Kein Problem, sie hatten direkt an ihrer Theke noch was frei! Während wir warteten und uns ein wenig die Schautafeln und Exponate von Ausrüstungsgegenständen einer Studentengruppe ansahen, die 1952 in der Region verunglückten, herrschte in dem großen Raum reges Touristentreiben und wir waren etwas mürrisch angesichts fehlender Rückzugsmöglichkeiten zur bevorstehenden Fütterung. Aus dem Augenwinkel sah ich dann jedoch auf der anderen Seite des Besucherzentrums, wie immer wieder Personal durch eine große hölzerne Schiebetür in einen Nebenraum verschwand. Ich also hin, um zu schauen, vorsichtig die Tür geöffnet und – siehe da – vor mir lag ein großer Raum mit zahlreichen Tischen und Stühlen, in dem einige Mitarbeiter ein paar Infotafeln aufstellten und an einer Theke werkelten. Ein freundliches Lächeln und eine kurze Erklärung unseres Anliegens – schon durften wir exklusiv Platz nehmen und unserem Buben sein Mittagsgläschen füttern. Es stellte sich heraus, dass das Besucherzentrum mit einem neuen Erweiterungsbau vergrößert und dass hier in einigen Tagen eine Cafeteria eröffnen wird. So können wir sagen, dass wir vielleicht die allerersten Touris waren, die den neuen Teil in Beschlag nehmen durften! Während zwei Frauen die ganze Zeit mit der Inbetriebnahme der neuen Kasse beschäftigt waren und uns gar nicht wirklich wahrnahmen, kam die junge Frau, die mir uns den Eintritt gewährt hatte, noch zweimal zu uns und schäkerte ein wenig mit Jacob, der das natürlich wie gewohnt mit seinem schönsten Lächeln honorierte.
Wir bedankten uns und traten nach draußen. Das Wetter war in der Tat etwas besser geworden, so dass wir – den kleinen Mann in seinem Buggy – über den recht leeren Zeltplatz in Richtung Svartifoss spazieren konnten. Leider ging es bald steil bergan und der Wegbelag wurde sehr grobsteinig. Da wir keine Ahnung hatten, wie weit es bis zu dem Wasserfall ist, sprach ich einige entgegenkommende Touristen an, ob der Weg mit dem Kinderwagen gut machbar wäre. Leider nein! Okay, also drehten wir notgedrungen um. Schade! Hätten ich doch nur dieses eine Mal auf Carolin gehört und wir hätten den Buben im Bondolino da hoch getragen! So sahen wir also im Prinzip nichts vom Skaftafell-Gebiet und mussten uns mit zwei, drei Fotos von unten auf die Gletscherzungen begnügen... Na ja, Schwamm drüber. Nächster Halt: Jökulsarlon! Von der bestimmt grandiosen Landschaft zu unserer Linken sahen wir allerdings auf der Weiterfahrt immer weniger; Nebel nahm jede Sicht weiter als vielleicht 100 Meter. Als wir schließlich die kleine Brücke über den wohl kürzesten Fluss Islands erreichten und direkt danach links auf den Parkplatz einbogen, zeigte das Außenthermometer 7 Grad. Schade, schade, trotz einer Parklücke „in erster Reihe“ mit direktem Blick auf den See 10 Meter vor uns zog mich der blöde Tag gestern, der Misserfolg am Skaftafell und die Einsicht, dass das Wetter hier jegliche Aussicht auf gute Fotos zunichte macht, so runter, dass ich noch nicht einmal aus dem Auto ausstieg. Ich wickelte mehr schlecht als recht auf dem Beifahrersitz (Carolin hatte direkt die Toiletten angesteuert) das Baby und nahm den Buben dann auf meinen Schoß und ließ ihn ganz in seinem Sinne ausgiebig mit dem Lenkrad und den Knöpfen am Armaturenbrett spielen. Was sind schon mieses Wetter und entgangene Besichtigungsmöglichkeiten, wenn man so ein tolles Kind hat! Und schon hatte ich meinen inneren Frieden wieder Carolin hatte sich die Kamera geschnappt und war ein paar Meter am See entlang gelaufen, und als sie zurückkam, wurde der Bube nach hinten verfrachtet und wir fuhren über die Straße in Richtung Strand zu der anderen Parkfläche. Wegen Nebel, Kälte und Wind gingen wir nicht bis ans Meer, sondern schauten uns lediglich die auf dem Fluss treibenden Eisstücke an. Doch auch das war schon schön, und so stiegen wir 10 Minuten später alle wieder gut gelaunt ins Auto, um das letzte Stück der heutigen Tagesetappe in Richtung Höfn anzutreten. Wir hatten uns außerdem entschlossen, heute mal in ein isländisches Schwimmbad zu gehen – genau das Richtige bei dem nasskalten Wetter und vielleicht auch eine gute Therapie gegen Carolins Erkältung!
Von der Landschaft sahen wir außer Lavaflächen links und rechts der Straße und dann, kurz vor Ankunft, wieder mehr Grünland und einzelnen Höfen, nicht wirklich viel. Als wir um 17 Uhr unsere Unterkunft etwa 4 km abseits der Ortslage, einen kleinen Bauernhof mit einigen Gästezimmern, erreichten, riss der Himmel das erste Mal wieder spektakulär auf und die Wolken flossen regelrecht von der Steilkante der Berge hinunter auf den schmalen Küstenstreifen – wunderschön! Ich beschloss, direkt nach dem einchecken das Schauspiel fotografisch und filmisch festzuhalten. Die Bäuerin, eine noch recht junge Frau, vielleicht um die 40, empfing uns freundlich und zeigte uns die Unterkunft. Klein, aber fein. Für eine Nacht okay, ohne Frage. Und besser als die Wellblechbude gestern Nacht allemal! Wir packten unsere Schwimmtaschen und wählten uns parallel ins wifi ein. Juhu! Unsere Freunde Vanessa und Thomas hatten die frohe Nachricht geschickt, dass sie stolze Eltern eines strammen Buben geworden sind! Also schrieben wir noch schnell ein Schild mit unseren Glückwünschen, machten ein Selfie und verschickten unsere Glückwünsche in die Heimat.
Als wir zum Auto kamen, hatte es sich leider schon wieder so zugezogen, dass die vom Berg herabfallenden Wolken nicht mehr zu sehen waren. So fuhren wir unverrichteter Dinge in Sachen Fotos direkt nach Höfn. Hier sprangen wir in den Supermarkt und kauften ein paar Getränke und Snacks,neue Babynahrung sowie – damit tags darauf der isländische Nationalfeiertag stilecht begangen werden konnte – eine kleine Islandfahne. Wir versuchten außerdem, uns Klarheit über die verschiedenen Sorten Milch zu verschaffen und fanden die gesuchte haltbare Vollfettvariante im praktischen Halbliter-TetraPak. In der an den Markt angebundenen Vínbúðin gab's für mich zudem noch ein paar isländische Biere.