Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

  • Liebe Community


    Letzten Monat bereiste ich 21 Tage lang Island, völlig alleine. Es war meine erste solche Reise und auch die längste bisher völlig auf sich gestellt. Ich will meinen Erfahrungsschatz mit euch teilen und fange nun mal an mit dem ersten Teil, den ich schon einige Zeit vor der Reise verfasst habe.


    Viel Spass beim Lesen!


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    LINK aufgrund zahlreicher Beschwerden entfernt! (Admin)







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    Teil I: Einleitung und erste Vorbereitungen

    Fussball und Bankenpleite


    Island verknüpfte ich als Kind eigentlich bloss mit Eiður Guðjohnsen, einem isländischen Fussballspieler, welcher eine Zeit lang als Stürmer mit wuchtigem Abschluss vor dem Tor beim FC Barcelona spielte. Etwas später dann mit der Pleite des Bankensystems, welche weltweit für Aufsehen sorgte.
    Ansonsten setzte ich mich nie mit dem Land auseinander. Mein Interesse wurde geweckt, als ich auf den Film „Heima“ der isländischen Band Sigur Rós stiess. Dieser handelt davon, dass die Band nach einer Welttournee in ihre Heimat zurückkehrt und da einige spontane Gratiskonzerte gibt. Der Film inszeniert nicht nur die Band absolut verblüffend, er zeigt auch die unglaubliche Schönheit deren „Heima“, also ihres Zuhauses. Karge Lavawüsten werden durchkreuzt von reissenden Flüssen, alte Torfgebäude unter dem Boden umgeben von saftig grünen Wiesen, auf denen seelenruhig Schafherden grasen, verlassene Fischfabriken, gelegen vor malerischen Küsten. An einem anderen Ort das krasse Gegenteil: Riesige Eisfelder und keinerlei Anzeichen von vorhandenem Leben. Dampfende Quellen, hochspritzende Geysire. Einsam in der Brandung stehende Leuchttürme und im September das faszinierende Polarlicht. Die Kleinstadt Reykjavik mit ihren Bunten Häusern - Island ist an Kontrasten, welche teilweise geradezu grotesk wirken, kaum zu überbieten.
    Durch die kurze Distanz bis zum Nordpol wird es im Sommer nie wirklich dunkel und im Winter nur wenige Stunden hell. Oft finden an einem Tag vier Jahreszeiten statt, Regen kann sich mit blauen Himmel und Sonnenschein abwechseln, während ein schwerer Schneesturm bloss einige Stunden entfernt liegt. Diese Umstände sind für einen Mitteleuropäer doch ziemlich schwer nachvollziehbar.


    Island ist eine Vulkaninsel, auf der Beständigkeit ein unbekannter Begriff ist. In ihrer Vergangenheit erlebte das Volk mit norwegischer Abstammung schon diverse Naturkatastrophen wie Erdbeben oder verheerende Vulkanausbrüche. Letztere können jederzeit wieder auftreten. Zuletzt sorgte der Ausbruch des Eyjafjallajökull für ein gigantisches Chaos im Flugverkehr, tausende Flüge mussten annulliert werden wegen der ausgetretenen Vulkanasche.


    Lange unterjocht vom dänischen Reich, fand Island den Weg zur Unabhängigkeit und somit auch zur Modernität erst vor etwas mehr als einem Jahrhundert bei der Vergabe einer eigenen Verfassung.
    Inzwischen ist die Modernisierung in vollem Gange, der heutige Isländer strebt nach Materialismus wie die Menschen aus restlicher Welt auch, vielleicht gar etwas mehr, denn der Besitz mehrerer Autos und einem Camper ist üblich und wird als ultimatives Statussymbol angesehen, Wohnungen werden nicht gemietet, sondern praktisch nur gekauft. Viele Jugendliche vertreiben sich die Langweile, indem sie in Auto-Korsos stundenlang ohne Ziel auf der Ringstrasse herumfahren.


    Die grosse Lust der Isländer an Investitionen machte sich durch astronomische Kreditvergaben der Banken bemerkbar und dann später an der grossen Pleite der Banken. Die Isländer scheinen ein besonderes Volk zu sein, welches mit unanfechtbarem Stolz zu seinem Land, dessen Vegetation und vor allem auch zu seiner Sprache steht, sich auf europäischer Bühne nicht in die Schranken weisen lässt und bekannt ist für die enorme Gastfreundschaft. 90% der Isländer glauben an Zauberwesen wie Elfen und Trolle glauben. So kommt es vor, dass Strassen teilweise unlogische Verzweigungen machen und ein Gebiet ganz bewusst umranden, um die darauf wohnenden Wesen nicht zu stören.




    Die Begeisterung für Island


    Mich begeistert mich dieses Land ungemein. Als passionierter Fotograf sehe ich natürlich auch die Chance, eine einmalige Bildserie zu kreieren. Motive dafür sind in einer überwältigenden Anzahl vorhanden. Die Vorstellung, einfach drei Wochen lang alleine unterwegs zu sein, mein gesamtes Hab- und Gut in einem einzigen Rucksack verstaut löst bei mir ein angenehmes Kribbeln aus und definiert auch meine Vorstellung von zukünftigen Reisen. Durch das Land wandern, seine Beschaffenheit zu fühlen, zu hören, zu sehen, sich mit der Natur zu verbinden, fernab von der Zivilisation.
    Obwohl ich so etwas eigentlich noch nie gemacht habe, fühle ich, dass es das Richtige für mich ist und mir gefallen wird. Ganz schön naiv und verträumt, was?



    Seit dem Entscheid, im Juni 3 Wochen nach Island zu reisen vergingen nun 6 Monate. Es verbleiben noch 40 Tage, bis ich nach einem mehrstündigen Flug im nördlichsten Land Europas meinen Flieger verlassen werde, komplett auf mich gestellt. Bis vor kurzem wiegelte ich mich noch in packende Vorstellungen über meine bevorstehende Reise. Nach wie vor freue ich mich ungemein.
    Inzwischen sind aber Zweifel aufgekommen. Seit mehreren Wochen liegt eine Island-Karte ausgebreitet auf dem Parkettboden meines Zimmers. Natürlich habe ich sie studiert, selbstverständlich habe ich mir einen Überblick verschafft über die Insel. Verglichen mit der Schweiz besitzt Island eine zweieinhalb mal grössere Fläche, jedoch bloss ein fünfundzwanzigstes der Bevölkerung.
    Während der Schweiz also durchschnittlich 182 Menschen pro km2 wohnen sind es in Island bloss 2! Diese Zahlen sind äusserst beeindruckend und widerspiegeln wohl auch, wie trostlos dieses Land sein wird. Trotzdem fällt es mir schwer, mir das alles vorzustellen.


    Durch die intensive Beschäftigung mit meiner Ausrüstung verlor ich die präzise Planung des Reiseablaufs nämlich praktisch komplett aus den Augen.
    Ich schaffte mir Trekking-Schuhe an, ein Expeditionszelt, einen Trekking-Rucksack und einen Schlafsack mit Komfortzone bis -10°C, Karte und Reiseführer, jedoch nicht das nötige Wissen, wie meine 21 Tage überhaupt verbringen werde.


    Laugavegur, was sonst?


    Trotz allem fand ich dann eine äusserst attraktive Route. Vom Busterminal in Keflavik nach Skógar und von da an den Laugavegur gehen, der wohl berühmteste Wanderweg auf Island. Mit ungefähr 80 Kilometern ist die Länge eigentlich noch passabel und durchaus machbar. Die Tücken zeigen sich ganz wo anders: Von Skógar aus gilt es erstmal die Fimmvörðuháls, eine Hochebene auf über 1000 Höhenmeter zu überwinden. Keine leichte Sache bei einer Länge von bloss 12km. Der Pfad soll eher schlecht als recht gekennzeichnet sein. Im Juni ist zusätzlich immer noch mit Schnee zu rechnen. Ausserdem soll die Touristen-Saison dann eigentlich erst richtig anlaufen, es ist also nicht sicher, ob die Routen bereits kontrolliert wurden. Dazu kommen mehrere Flüsse, welche durchquert werden wollen: Einen Fluss Furten? Entschuldige mal, dieses Wort war mir bis vor kurzem nicht mal bekannt. Einigen Berichten zufolge erfordert es einiges an Erfahrung und Kraft, um einen Fluss zu furten. Die Schneeschmelze am Mittag lässt den Wasserpegel nach Belieben in die Höhe schiessen. Somit ist es total unberechenbar, auf was man sich einlässt.



    Trotzdem präsentierte ich meine Idee in einem Island-Forum, doch bald wurde meine Unerfahrenheit im Trekking und meine nur vage vorhandene Planung entlarvt, mir wurde auf nette Weise geraten, mir doch eine andere Tour zu suchen. Nebst fehlender Erfahrung auch, weil ich die Route alleine machen würde.


    Die einzige Möglichkeit wäre es, den Laugavegur rückwärts zu gehen, um erst gegen Ende der Tour mit dem Hochland konfrontiert zu werden, wenn vielleicht die Wege bereits kontrolliert sind und das Klima sich ein wenig gebessert hat. Doch - was für ein Sommer erwarten die Isländer überhaupt im 2013?
    Die Fragen häufen sich also an und die Unwissenheit wächst. All dies gilt es nun in der verbleibenden Zeit zu klären.
    Unvorstellbar ist es auch nicht mehr, eine Rundreise zu machen mit dem Bus und jeweils bei ausgewählten Orten Tageswanderungen mit anschliessender Übernachtung durchzuführen. Irgendwie scheue ich mich aber davor, diese 21 Tage genau zu gliedern und jeden Tag einen Plan zu haben, was ich tun werde. Ich würde viel lieber einfach losgehen, und es so nehmen wie es kommt. Ich werde sehen, wohin mich meine Planung führt. Je mehr Wissen ich über Island habe, desto eher kann ich mich in meinen Vorstellungen orientieren.


    Ich notiere meine Ziele für diese Woche:


    Ich gehe wandern in der Schweiz, mache mich vertraut mit meiner bisherigen Ausrüstung und übe schonmal Zelt aufbauen.
    Ich lese einige Tourenberichte und versuche mir ein Bild zu machen über die Realisierung des Laugavegur.
    Ich informiere mich über das Bus-Netzwerk und dessen Fahrpläne.

  • Hallöchen, wie interessant!!!!! Bitte nicht zu lange mit dem zweiten Teil warten! ;)


    Danke! Viele Grüße, Bettina

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    Erweiterte Planung


    Die Vorbereitungen laufen bisweilen zäh. Ehrlich gesagt bin ich ein wenig entmutigt durch die scheinbar schlechten Strassenverhältnisse. Während im Norden die Schneeschmelze noch nicht einmal eingesetzt hat, fängt sie im Frühling gerade mal an. Dies resultiert einen nassen, schweren, von Matsch geprägten Boden. Das Wasser kann nicht durch die tieferen Schichten des Grundes abfliessen, da diese immer noch gefroren sind.
    Somit sind die Strassen gesperrt, es ist gar verboten, sie zu befahren. Wahrscheinlich wäre ein Verbot jedoch gar nicht nötig. Ob Pferd, Reifen oder Fuss: Alles würde bloss tief einsinken. Da der Boden jedoch sehr empfindlich ist, wurde wohl vorsorglich ein Verbot ausgesprochen.


    Somit ist auch völlig unklar, ob der Busbetrieb in Richtung südlichem Hochland ab dem 13. Juni aufgenommen wird. Unbeeinflusst durch die aktuellen Verhältnisse, würde er dies nämlich.
    Immerhin bleiben noch genau 4 Wochen bis zu meiner Abreise. Da das Wetter in Island ja sehr wechselhaft ist, glaube ich an das Gute und sage mir wie so mancher Isländer: „Wird schon werden.“
    Doch, lohnt es sich denn nun überhaupt noch, irgendwas zu planen, wenn es später gar nicht realisierbar ist?


    Der erste Tag - Die exakte Planung


    Zumindest habe ich mir ein grobes Programm zusammengestellt. Wenigstens der Anfang schreit nach ein wenig Struktur und Sicherheit. Etwas, zum sich festhalten und nicht völlig verloren und orientierungslos dazustehen. Nach meiner Ankunft in Keflavík will ich erst die Halbinsel Reykjanes erkunden. Unter Island verläuft genau die Grenze der eurasischen- und amerikanischen Platte. Reykjanes, auf deutsch Rauchspitze liegt genau auf dieser Grenze. Diese beiden Platten entfernen sich zwei Zentimeter pro Jahr voneinander weg. Gleichzeitig zur Plattenverschiebung handelt es sich auch um eine Zone des aktiven Vulkanismus. Die Temperaturen in 1000m Tiefe betragen über 300°C. Der Spaltenvulkan Gunnuhver treibt hier sein Wesen und ist seit 2006 wieder aktiver geworden.
    Diese Grenze ist wunderbar zu erkennen an der „Leif - the lucky bridge“. Sie führt genau über diese Spalte hinweg. Nur wenige Kilometer davon entfernt liegt eine bekannte Steilklippe, der Vogelfelsen Hafnaberg. Dieser stemmt sich von der Küste in den Atlantik und wirkt wie ein Schutzschild gegen Wellen. Im Juni brüten dort diverse seltene Vogelarten.
    Ich denke, alleine die äusserst karge und trostlose Landschaft, welche eher der eines verlassenen Planeten gleicht als unserer Erde, besitzt genügend Überzeugungskraft, um mehr als bloss einen Blick darauf zu werfen.
    Ich werde mir nach meiner Ankunft also höchstwahrscheinlich ein Taxi nehmen - und fahre entlang der 44-er Route bis zum Parkplatz vor dem Hafnaberg. Ich möchte die rauen Wellen an die Felsen klatschen hören und den Blick auf den unendlichen Atlantik werfen. Dann werde ich in den Himmel blicken, die salzige Luft einatmen und wohl das erste mal realisieren, wo gerade ich mich überhaupt befinde. Wahrscheinlich werde ich quicken wie ein kleines Schweinchen.
    Danach lässt sich bereits nur noch schwermutig sagen, was genau folgen wird. Bestimmt werde ich einige Zeit da verbringen.
    Jedenfalls werde ich nachher weiter gehen und mir die Brücke, welche die zwei Platten miteinander verbindet ansehen. Ideal wäre es, dann am späten Abend Grindavik zu erreichen und dort auf dem Camping Platz zu zelten. Allerdings wird dies wohl kaum am Ankunftstag zu erreichen sein. Es liegen 15km Luftlinie zwischen diesen beiden Spots, also dem Vogelfelsen und Grindavik. Jedoch führt die Strasse erst bis an die südliche Spitze der Halbinsel.
    Dort liegt allerdings ebenfalls ein interessanter Schauplatz: Es lockt der Reykjanesviti, der älteste Leuchtturm Islands. Dieser befindet sich gerade mal 7km von Hafnaberg entfernt und sollte daher problemlos zu Fuss erreichbar sein. Der Leuchtturm wird bestimmt ein gutes Motiv für ein paar Fotos geben. Und das Terrain scheint zeltbar zu sein.
    Da werde ich Schlaf finden und versuche früh zu schlafen. Am nächsten Morgen will ich möglichst früh aufbrechen, um die ca. 12km bis Grindavik zu meistern. Dort werde ich erstmal sanitäre Anlagen vorfinden und die Möglichkeit haben, meine Vorräte wieder aufzustocken. Von da gibt es eine Busverbindung zur berühmten Blauen Lagune und nach Reykjavik. Ob ich der Lagune einen Besuch abstatte, weiss ich noch nicht. Ehrlich gesagt machen mich alle Touristenmagnete nicht so an, zudem habe ich von Warteschlangen gehört und dem Rat, seinen Besuch vorher zu reservieren. Von solchen Spässen habe ich hier zu Hause schon genug, ich denke, darauf verzichte ich in Island.


    So, während ich nun diesen Blogartikel verfasste, habe ich tatsächlich den Anfang meiner Reise aufgegleist! Dieser hat sich nämlich erst beim Schreiben manifestiert. Ich war zwar vorher schon überzeugt davon, erst auf der Halbinsel Reykjanes zu bleiben, allerdings ohne konkrete Planung.



    Ein paar Worte zur Ausrüstung..


    Ich konnte inzwischen eine Wanderung unternehmen auf den Uetliberg. Dabei nahm ich meinen Rucksack mit und simulierte eine Last von 20kg. Bei insgesamt 300m Anstieg in 10km war ich ziemlich gefordert, und der Rucksack hinterliess leider auch seine Spuren an meinem Körper. Allerdings waren die 20kg durchaus tragbar. Jedoch kann ich es mir nicht vorstellen, diese Last 3 Wochen lang zu tragen. Deswegen steht nun eine radikale Verringerung des Gewichtes an.
    Während essentiellen Dinge wie Zelt, Schlafsack, Isomatte, Gaskocher und Rucksack bloss ca. 7kg wogen, packte ich mein komplettes Kamera-Zubehör mit ein sowie einige schwere Bücher.
    Ich habe mich schweren Herzens entschieden, starke Abstriche zu machen bei meiner Foto Ausrüstung. Ich werde höchstwahrscheinlich bloss den Body und ein Objektiv mitnehmen, sowie einige Ersatzakkus.


    Inzwischen konnte ich mich ein wenig vertraut machen mit dem Zelt und ich habe das Aufbauen eigentlich relativ schnell gelernt. Somit sollte es auch bei schwieriger Witterung möglich sein, innerhalb wenigen Minuten einen sicheren Unterschlupf zu schaffen.
    Ebenfalls habe ich inzwischen davon abgesehen, mit Karte und Kompass zu navigieren. Dies vor allem aus dem Grund, weil ich keine Ahnung habe, wie man einen Kompass angepasst an den magnetischen Missweisungen kalibriert.
    Ich beschaffte mir ein GPS-Navigiergerät, welches darauf abgestimmt ist, beim Trekking verwendet zu werden. Durch absolute Wetterfestigkeit und einer guten Energiebilanz wird es mein ultimativer Begleiter werden. Am MAC zeichne ich wichtige Punkte auf der Karte ein und kann diese danach auf dem Gerät anzeigen.


    Meine Ziele bis Ende Mai:
    -Ich mache noch ein paar Wanderungen
    -Ich senke das Gewicht meines Rucksackes
    -Die Ausrüstung vollständig bis auf Essensrationen
    -Erweiterte Planung des Ablaufs
    -Stetige Überprüfung der Strassenzustände

  • Hallo!
    Coole Idee mal einen etwas anderen Reisebericht zu verfassen - ich freu mich auf die Fortsetzung und vor allem auch die Fotos! ;)

    Viele Grüße,
    Andrea


    13. 04. - 04. 05.2013 Islandpremiere
    7. - 21.August 2014
    GoIceland

    Einmal editiert, zuletzt von AnLoRa ()

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    Schlussphase & Packliste


    Wenn ich diese Zeilen verfasse, ist bereits alles vorbei und ich befinde mich seit fast drei Wochen wieder in der Schweiz. Wer meinen letzten Beitrag noch las, erhielt ein Bild von mir, welches mich mit grosser Unsicherheit darstellte. Unklarheiten über die vor Ort herrschenden Strassenverhältnisse und die fehlende Erfahrung mit mehrtägigen Wanderungen oder gar dem Reisen als Einzelperson überhaupt waren etwa als gefürchtete Gedanken vorhanden. Die Vorbereitungsphase war sehr lange und im Endeffekt hatte ich mir viele Szenerien im Kopf durchgespielt und mich über Stunden hinweg mit meiner nähernden Reise beschäftigt. Ob sich die Unsicherheiten klärten oder ob ich mich selbst tatsächlich überschätzte und teilweise scheiterte, erfahrt ihr auf den nächsten Seiten!



    Ich beginne ganz von vorne. In den letzten Tagen vor meiner Abreise prüfte ich meine Kondition, aber auch meine Ausrüstung mit einer grössere Wanderung in den Schweizer Bergen. Die Strecke war zwar bloss 10km lang, beinhaltete jedoch über 600 Höhenmeter Anstieg und hob mich an auf insgesamt 2000m über Meer. Auf dieser Höhe befand sich selbst in der Schweiz zu dieser Zeit, also Anfangs Juni noch tiefer Schnee. Überall unter der weissen Decke fand sich durchnässte und aufgeweichte Erde vor, besser auch bekannt als Matsch, welcher seine Entstehung durch das viele Schmelzwasser fand. Kurzum, die Konditionen waren schwierig und ich konnte den Gipfel des geplanten Berges, dem „Chrüz“ im Graubünden leider auch gar nicht ganz besteigen, da es zu viel Schnee hatte und zu gefährlich gewesen wäre.



    Mit zirka 18 Kilogramm Gepäck war mein Rucksack zwar leichter als das endgültig erwartete Gewicht. Auf der Tour selbst hatte ich wenige Probleme. Keine Druckstellen und keine Mühe beim Tragen. Meinen Schuhen erging es da einiges schlechter: Durch den vielen Matsch und den teilweise kniehohen Schnee liess das Nubuk-Leder schnell Feuchtigkeit passieren und meine Füsse fanden sich bald in einem unangenehmen Wasservakuum wieder. Ob dies wohl so oder so bei jedem Schuh, konfrontiert mit diesen Umständen, der Fall sei, oder ob ich einen Fehlkauf getätigt hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht sagen. Mit frisch gewechselten Socken ging es jedoch schon wieder ganz gut.




    Das Schlafen im Zelt gestaltete sich als unkompliziert, auch wenn ich den Aufbau noch nicht komplett im Griff hatte, war das Ergebnis trotzdem befriedigend und ich würde den Ablauf bestimmt innerhalb den 21 Tagen perfektionieren können. Der Schlafsack schien mehr als genug zu wärmen und auch die Isoliermatte bestand ihren Test.


    Mein Körper schmerzte jedoch am Tag danach trotz eigentlich geringen Gewichtes an bestimmten Stellen an Schulter und Rücken, welche vom Rucksack hervorgerufen wurden. Diese Tatsache bereitete mir ein wenig Sorgen. Allerdings vertraute ich auf meine zähe Art und reimte mir zusammen, dass dies schon irgendwie funktionieren würde.


    In den allerletzten Tagen vor meiner Abreise fühlte ich nach wie vor keine wirkliche Nervosität. Ich freute mich sehr auf diese Reise und ersehnte den Anfang herbei, da ich langsam auch ein wenig ungeduldig wurde. Am letzten Tag davor kaufte ich den Rest der Lebensmittel ein und vervollständigte meine Reiseapotheke.

  • Ich werde nachfolgend eine detaillierte Packliste präsentieren,
    allerdings ohne das Gewicht von einzelnen Gegenständen, da ich bloss
    immer das Gesamtgewicht überprüfte.



    Kleidung und Gepäck


    1x Rucksack (Deuter Air-Contact Pro 60+15L)


    1x Wollmütze (Schweizer Armee)
    1x Sonnenbrille (Polaroid)


    1x Regenjacke (Gore-Tex von Mammut)


    2x T-Shirt (Polyester, Schweizer Armee)
    1x Überrock (Polyester, Schweizer Armee)
    1x Pullover (Polyester, Jack Wolfskin)


    1x Regenhose (Hagelöff)


    2x Unterhose (Polyester, Schweizer Armee)
    1x Thermo-Unterhose (Polyester, Schweizer Armee)
    1x Funktionshose (Jack Wolfskin)


    3x Trekking - Socken (Verschiedene Hersteller)
    1x Trekking - Schuhe (Hanwag Yukon)


    1x Crocs (Imitate)


    Der Rucksack überzeugte mich vollends. Trotz des hohen Gewichtes fühlte er
    sich stets bequem an. Die vielen Taschen und Verstaumöglichkeiten sind
    ein Segen. Der Regenschutz hielt stets dicht. In den Rucksack lohnt es
    sich definitiv genügend Geld zu investieren.


    Die Wollmütze benötigte ich auf Island öfters als vorher gedacht und somit war ich
    unheimlich froh, sie dabei zu haben. Meine Regensachen hielten soweit
    alle dicht. Auch hier spart man in Island am falschen Ende.


    Ich hatte somit eigentlich bloss eine Garnitur an Anziehsachen dabei. Dies
    entschied ich so aus Platzgründen. Kam damit ohne Probleme durch. Klar,
    nach ungefähr einer Woche riecht halt mal das eine oder andere
    Kleidungsstück, jedoch konnte ich einmal fast alles Waschen und ich
    hatte danach keine Probleme mehr.



    Unterkunft und Schlafen


    1x Zelt (Exped Vela I Extreme)
    1x Footprint (Exped Vela I Extreme)
    1x Schlafsack (Mountain Hardwear Thermic Micro -18°C)
    1x Isomatte (Therm-A-Rest Neo-Air 4 Seasons)
    1x Augenbinde
    1x Ohropax Silikon


    21 Tage in einem 1-Mann Zelt mit spärlichen Platzverhältnissen erfordert
    eine richtige Herangehensweise. Das geringe Packgewicht von 2.5kg und
    die grandiose Wind- und Wasserfestigkeit waren für mich jedoch absolut
    überzeugend. Der Rucksack fand seinen Platz jeweils geschützt auf dem
    Footprint im Aussenzelt. Bei dem Vela I Extreme ist ein Footprint
    absolut notwendig, da im Aussenzelt keine Unterlage sonst vorhanden ist!

    Die Isomatte war anfangs ein wenig unbequem, allerdings gewöhnte ich mich
    daran. Der Schlafsack hielt sein Versprechen, ich konnte mit einer
    Ausnahme jede Nacht in Unterwäsche darin schlafen, umgeben von wohliger
    Wärme. Augenbinde ist eher optional, geht auch ohne. Ohropax sind jedoch
    unverzichtbar, besonders auf Camping-Plätzen kann es oft auch spät noch
    laut zu und her gehen.



    Essen und Trinken


    1x Gaskocher (Primus Eta Power EF)
    2x Plastikbesteck
    1x Salzstreuer
    1x Schwamm


    2x Trinkflasche (SIGG, 1L + 0.75L)


    6x Fertignudeln (Knorr)
    3x Tütensuppe (Knorr)
    6x Schokoladenriegel
    1x 500g Milchpulver
    1x 500g Müsli


    Die Entscheidung, Müsli und Milchpulver mitzuführen stellte sich später als
    morgendlicher Munter-Macher heraus, zumindest an einigen Tagen. Wer
    also sowohl Milch, als auch Müsli mag, sollte dies unbedingt auch in
    Erwägung ziehen. Das Milchpulver liess sich auch mit kaltem Wasser
    problemlos und ohne zu Klumpen auflösen. Teller benutzte ich nie und
    vermisste ich auch zu keinem Zeitpunkt. Ass immer direkt aus der Pfanne.
    Abwaschmittel ist ebenfalls unnötig. Man bekommt das Geschirr des
    Primus-Set problemlos sauber ohne, auch mit kaltem Wasser.


    Die Tütensuppen benutzte ich zu keinem Zeitpunkt. Mit den Fertignudeln
    machte ich eigentlich erstaunlich gute Erfahrung. Je nach Vorliebe hat
    man halt die eine ein bisschen mehr, die andere ein bisschen weniger
    gern. Vor der Reise ausprobieren lohnt sich hier definitiv.
    Grundsätzlich gesehen rate ich dazu, die Wassermenge deutlich zu
    unterbieten bei der Anwendung, da man ansonsten eher eine Suppe hat mit
    Nudeln, als Nudeln mit einer Sauce. Zudem Salz nicht vergessen - die
    Gerichte sind von Natur aus ziemlich fad.


    Mit den beiden Trinkflaschen, 1L + 0.75L kam ich sehr gut aus. Ich überlegte oft vor
    der Reise, ob dies wirklich reichen würde, allerdings gab es eigentlich
    immer genügend Möglichkeiten, Wasser nachzufüllen.



    Hygiene und Erste Hilfe


    1x Zahnbürse
    1x Zahnpasta
    1x Ein-Weg-Rasierer
    1x Konzentriertes Körperwaschmittel
    1x Konzentriertes Kleiderwaschmittel
    1x Handtuch (Polyester)
    1x Reinigungstücher


    1x Medi-Kit mit grundlegenden Utensilien zur Ersten Hilfe
    1x Desinfizierende Salbe
    5x Valium
    5x Schmerzmittel
    1x Nagelschere


    Das Erste-Hilfe-Set benötigte ich glücklicherweise nie. Das
    Kleiderwaschmittel würde ich heute ebenfalls zu Hause lassen. Zumindest
    auf Campingplätzen ist meist Waschmittel vorhanden. Und in der Natur
    sollte man es eh nicht anwenden, ausserdem hat es da auch wenig Sinn,
    seine Kleider zu waschen.


    Mit dem Handtuch aus Polyester kam ich ebenfalls gut aus, es handelte sich hierbei um ein spezielles
    Travel-Handtuch mit geringem Packmass und guter
    Feuchtigkeitsverarbeitung.


    Auf Toilettenpapier verzichtete ich komplett, da ich währen meiner ganzen Reise eigentlich immer Zugriff
    darauf hatte. (Auch auf mehrtägigen Wanderungen, bei den Hütten gab es
    meist Einrichtungen). Ansonsten glaube ich, dass feuchte
    Reinigungstücher ihren Dienst auch getan hätten und Toilettenpapier
    bloss eine Menge Platz weggenommen hätte.



    Orientierung und Unterhaltung


    1x GPS - System (Garmin eTrex 30)
    6x Ersatzbatterien AA


    1x Island-Karte
    1x Notizbuch
    1x Kugelschreiber


    1x Taschenlampe


    1x Buch (Die Brüder Karamasow)


    Das GPS war mein Talisman für die Reise und die Batterien habe ich restlos
    alle aufgebraucht. Die Karte hingegen benutzte ich bloss jeweils zur
    Veranschaulichung. GPS-System zur Orientierung reicht vollkommen. Im
    Notizbuch führte ich Tagebuch, nach einigen Tagen wurde es mir jedoch zu
    mühselig, da es zu viel war, um alles per Hand aufzuschreiben.

    Die Taschenlampe hätte ich getrost an arme Kinder verschenken können. Kein einziges Mal gebraucht.


    Gelesen habe ich oft, und somit widerspreche ich Leuten, die sagen, wenn man
    viel gelaufen wäre und am Abend im Zelt liegt, sei die Müdigkeit eh zu
    stark, um noch zu lesen. Nein, nichts ist schöner, als nach einem
    anstrengenden Tag am Abend noch einige Seiten eines guten Buches zu
    lesen.



    Elektronik


    1x Canon 6D
    1x Canon 21-105mm 4.0 L
    1x Polfilter 17mm
    1x Walimex 14mm 2.8
    1x Ladekabel Canon 6D
    3x Ersatzakku Canon 6D
    diverse SD-Speicherkarten


    Die Canon 6D eignete sich gut als Reisekamera. Die Akkulaufzeit war
    stärker, als ich erwartet hatte. Ich konnte zwei mal einen Akku laden
    und war somit immer übersättigt mit Stromreserven

    Die Objektivwahl bereute ich zumindest nicht in den Brennweiten. Das
    Standart-Zoom mit 21-105mm deckte den grössten Bedarf ab. Das 14mm war
    grandios für Landschaften, allerdings rate ich ab von der Billiglösung
    von Walimex. Die Bildqualität ist einfach unterdurchschnittlich
    schlecht, wenn man Objektive von Canon gewohnt ist. Zudem war das
    manuelle einstellen am Objektiv der Blende sehr mühselig, sowie auch die
    Brennweite.


    1x Handy (Samsung)
    1x Ladegerät Solar


    Ich verzichtete auf ein Smartphone, und kam damit ohne Probleme klar.
    Ladegerät hatte ich leider nicht komplett mitgeführt, somit ging mir nach kurzer
    Zeit der Saft aus und ich verharrte ungefähr 5 Tage ohne Handy, bevor
    ich mir ein neues kaufte.


    Bei dem Gepäck bleibt anzumerken, dass ich Dinge wie Buch, Elektronik oder auch teilweise
    Mahlzeiten in Zip-Beutel verpackte, um sie vor Wasser und Schäden zu
    schützen. Dies stellte sich als äusserst effektive und sichere Variante
    heraus.


    Wie es mit dieser Ausrüstung dann endlich los ging, erfahrt ihr im nächsten Teil!

  • Sehr schöner Bericht,


    ich konnte zwar noch nich alles lesen, aber es macht Geschmack auf mehr!


    Ich bin zwar nicht per Pedes sondern mit meiner alten Enduro unterwegs und muss beim Gepäck nicht ganz so genau aufs Gramm achten,


    aber ein Pfund Milchpulver? Das hätt ich mir verkniffen, eher 100Gramm löslichen Kaffe, als morgendlichen Muntermacher, Wasser findet man allerwo, als Kocher dann nen MSR Whisperlite, der funzt ohne Gas, nur mit Tankstellenbrenzin...


    Naja, die Elektronik und Foddoabteilung könnte man sicher auch noch abspecken, aber ich bin ja Puralist und sehe alles sowieso am liebsten selbst und nicht aus der Optik...


    Trotzdem, ich werde gerne weiterlesen, weiter so!

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    Tag 1



    Am Tag meiner Abreise erwachte ich früh. Ich wälzte mich noch eine Weile im Bett, konnte aber nicht mehr einschlafen. Schon gestern Abend fiel mir das schwer und heute fühlte ich mich deswegen ziemlich gerädert. Doch, in wenigen Stunden ist es soweit! Kritisch musterte ich meinen gepackten Rucksack und liess mir den gesamten heutigen Tag kurz durch den Kopf gehen. Ich stand auf und eilte noch in ein Elektronikfachgeschäft, besorgte mir da einen Polarisationsfilter für mein 21-105mm Objektiv. Nach längerem recherchieren entschloss ich mich, mindestens einen Filter mitzuführen, obwohl ich bisher nie einen gebraucht habe. Doch die Fähigkeit, Kontraste zu verstärken oder Reflexionen zu vermindern, hörte sich verlockend an.
    Wie bereits in früheren Berichten erwähnt, schaffte ich mir die komplette Ausrüstung neu an. Immer wieder wurde ich von Zweifel eingenommen, ob es denn überhaupt nötig ist, so viel Geld zu investieren. Oftmals fragte ich mich, ob bei Dingen wie Regenhose oder Socken nicht auch eine billigere Lösung ausreichen würde. Besonders stark war dieses Gefühl beim Kauf des Polarisationsfilters, der mich erneut fast 100 Franken kostete.




    Ich entschied mich, nicht mehr darüber nachzudenken, kaufte mir noch etwas zum Frühstücken und ging damit zu einer guten Freundin, welche mich danach auch an den Flughafen begleiten würde. Den Rucksack hatte ich bereits am Vorabend gepackt, nachdem ich den gesamten Inhalt akribisch auf meinem Parkettboden ausgelegt und überprüft hatte. Somit fühlte ich mich äusserst sicher. Das Gewicht war ziemlich beängstigend mit ungefähr 22kg, doch darüber konnte ich mich später noch beklagen. Ich teilte mein Gepäck auf und fügte Kamera, GPS, Notizbuch und andere wichtige Dinge zu meinem Handgepäck hinzu.
    Inzwischen war ich ganz schön nervös. Ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren und somit war auch still sitzen absolut unmöglich. Mein Bauch verkrampfte sich und die Gedanken überschlugen sich ständig. Was mich in solch grosse Aufregung versetzte, konnte ich in diesem Moment nicht genau deuten. War es der Flug oder die gesamte Reise? Es fühlte sich so an, als würde mein ganzer Körper von einem grossen, unbekannten und wilden Strudel aufgesogen.
    Eine fast schon krankhafte Nervosität begleitete mich dann auch auf der Zugfahrt zum Flughafen. Ich witzelte vor meiner Freundin herum und tat so, als ob ich mein GPS-System vergessen hätte. Als ich es dann triumphierend und beruhigend hervorholen wollte, suchte ich es allerdings vergeblich - Ich hatte es tatsächlich zu Hause liegen gelassen! Der Schweiss rannte mir über das Gesicht. Nun begann eine kurze Phase vom grossen Stress, die glücklicherweise durch meine grosszügige Zeitplanung für den Check-In abgefedert wurde. Ungefähr eine Stunde später war ich dann endgültig am Flughafen und hatte bereits eingecheckt. Natürlich nicht ohne mein GPS noch zu Hause geholt zu haben.


    Die Bordkarte lag also in meiner Hand und bald schon verabschiedete ich mich von meiner Freundin. Die Einsamkeit holte mich zum ersten mal ein. Nun war ich also alleine, komplett alleine, und dies für die nächsten drei Wochen. Für einen kurzen Moment entspannte ich mich wieder und ich nahm die stille Atmosphäre nach der Sicherheitskontrolle als beruhigend auf.
    Als ich dann beim Gate selber war, betrachtete ich das Flugzeug und die darauf wartenden Passagiere. Die meisten von ihnen schienen älter zu sein, alle waren eher „casually dressed“ und meine Trekking-Montur, welche ich als einzige Kleidungsgarnitur trug, stach deutlich heraus im Vergleich mit den anderen Outfits. Natürlich liess ich mich dadurch nicht in die Irre führen.
    Ich hatte ein gutes Gefühl bezüglich meiner Vorbereitung und war zuversichtlich, dass ich alles eingepackt hatte und gut gerüstet war.



    Der Flug war unaufregend und unspektakulär, bereits beim Abflug regnete es heftig in Zürich, und eine dichte Wolkendecke hielt an bis Island. Es gab kostenlose Getränke, jedoch nichts zu Essen. Das Personal war äusserst freundlich. Ich kaufte für billige 2000 ISK eine Sim-Karte von Simini. Ich konnte kaum mehr ruhig sitzen und wollte einfach nur noch da sein. Bei der Landung, kurz nach 16 Uhr Ortszeit, machte sich bereits das denkbar schlechteste Wetter bemerkbar, dichte Wolken umgaben das Flugzeug und erst ab ungefähr 500m über Meer sah man Teile der Insel, die Sicht war jedoch vom Regen getrübt und alles machte einen ziemlich grauen Eindruck.
    Trotzdem hüpfte mein Herz, denn nun war ich endlich hier auf Island, nach mehreren Monaten des Fantasierens darüber, wie es wohl sein würde, blickte ich nun mit eigenen Augen auf die Moosüberwachsene Lava-Landschaft.



    Ich verliess das Flugzeug und bald darauf nahm ich mein Gepäck in Empfang. Der grosse Alptraum des am Abflughafen zurückgebliebenen Rucksacks ersparte sich mir also. Ich packte mein Handgepäck in den Rucksack und machte mich erstmal auf, um eine Gaskartusche für mein Kochsystem zu kaufen. Nun geriet ich in eine Art Rausch, denn ich hatte im Vorfeld den ersten Tag äusserst genau geplant. Das grosse Gewicht des Rucksacks raubte mir im ersten Moment den Atem. Mühevoll schleppte ich mich an den Informationsstand fragte die Dame, wo am ehesten ich eine solche Kartusche herbekomme.
    Während ich mühevoll hin- und her schwenkte und irgendwie versuchte, mit dem hohen Gewicht auf dem Rücken still zu stehen, entgegnete sie mir, dass alle Tankstellen solche verkaufen würden - der in einschlägigen Quellen gehörte Traum, dass Abreisende Gaskartuschen auf einem Tisch am Flughafen zurückliessen, bestätigte sich also nicht. Ich trat vor das Flughafengebäude und wurde in Empfang genommen von Wind und leichtem Nieselregen.
    Nachdem ich meine Regenjacke angezogen hatte, überlegte ich nicht lange und trat vor ein Taxi. Der korpulente Fahrer öffnete mir die Türe zu seinem riesigen Gefährt, welches Platz für ungefähr acht Personen bot. Ich war meinen Rucksack auf die Rückbank und stieg vorne ein.
    Nach einem kurzen Dialog machte ich ihm klar, dass er mich erst an die nächste Tankstelle fahren soll und danach zum Hafnaberg. Irgendwie machte er einen denkwürdig unsympathischen Eindruck. Den von mir genannten Ort kannte er nicht. Ich nahm mir vor, diesen auf meinem GPS zu zeigen.
    Als ich ihn fragte, ob er nicht auch ein GPS besässe, zeigte er zwar in die Ecke der Frontscheibe, wo sich ebenfalls ein Garmin Navigationsgerät befand, allerdings machte er keine Anstalten, den von mir genannten Ort einzugeben. Ich zuckte mit den Schultern und zeigte ihm den Ort halt auf meinem GPS. Nachdem ich ihm den Weg ungefähr erklärt hatte, waren wir auch schon in der Ortschaft von Keflavik an einer N1 Tankstelle. Ich mahnte den Fahrer zur Geduld und sprang aus dem Wagen. Von einem mächtigen Adrenalinschub gepusht stürzte ich in die Tankstelle, griff nach einer mittelgrossen Gaskartusche und schnappte mir vor der Kasse ein Thon - Sandwich sowie eine Flasche Wasser - Mist, Wasser! Ich hatte meine Flaschen gar noch nicht aufgefüllt! Beim Bezahlen fragte ich den Verkäufer, ob ich meine Flaschen bei ihm rasch auffüllen darf. Er willigte freundlich ein.


    Als ich zum dritten Mal in das Taxi einstieg, hatte ich sowohl Gas, als auch Wasser in ausreichender Menge. Zufrieden schaute ich aus dem Fenster, während wir nun Richtung Hafnaberg brausten. Während der Fahrt entstand nicht nur ein stärkerer Regen, sondern auch eine Konversation mit dem Taxifahrer. Ich nannte ihm meine Herkunft und erzählte kurz, was ich in Island machen würde. Er erklärte mir stolz, dass er schonmal in Deutschland im Urlaub war und gerne auch mal in die Schweiz fahren würde.
    Der Regen verstärkte sich noch mehr und peitschte nun förmlich gegen die Windschutzscheibe. Ich zog vorsorglich schonmal meine Regenhose an, wobei dies wohl nach einer missglückten akrobatischen Vorstellung glich, denn ich kletterte dafür auf den Rücksitz und musste die Hose erst aus meinem Rucksack hervorsuchen. Das Gemüt des Fahrers schien nun langsam aufgetaut zu sein, denn er schmunzelte und schien sich ab mir zu amüsieren. Als ich ihn danach aufforderte, beim Parkplatz des Hafnaberg anzuhalten, fuhr er auf die Seite und verabschiedete sich nun mit noch breiterem Grinsen von mir, indem er mit seinen Fingern die Form von Island in der Luft nachzeichnete und erfreut „Welcome to Iceland“ flötete in gebrochenem Englisch. Allerdings, und dies ist vielleicht wichtig anzumerken, ohne irgendwelche Schadenfreude. Wohl war er einfach erstaunt darüber, was diese verrückten Touristen in seinem Land immer anstellten. Ich denke, mir würde es nicht anders gehen.

  • Ich bezahlte und bedankte mich. Nun stand ich auf diesem menschenleeren Parkplatz einer grauen, trostlosen Landschaft gegenüber, die mich keineswegs an unsere Erde erinnerte, welche ich eigentlich kannte. Die Freude war unglaublich gross. Ich lachte laut aus und ergötzte mich an diesem unglaublich grotesken und einzigartigen Anblick. Wegen des heftigen Windes verzichtete ich darauf, die Tafel mit Informationen zu lesen. Ich stapfte schnurstracks los und betrat die nasse, steinige, teils mit Moos überwachsene Lava. Der Trampelpfad war gut ersichtlich und begleitet durch Steintürme. Dem Rückenwind sei dank, kam ich zügig vorwärts. Die Regenhülle meines Rucksackes erlebte gerade ihren ersten Härtetest.







    Nach ungefähr einer Stunde kam ich dann an der Klippe an. Das Wetter hatte sich keineswegs verändert, es war höchstens noch schlimmer geworden! Nicht einmal die Vögel konnten noch Richtung Landesinnere fliegen. Sie hängten in der Luft und fielen immer wieder zurück. Ich liess mich nieder im Windschutz eines Steinturms und genoss es, einen Moment weder fast fort gewindet, noch verregnet zu werden. Die Klippe wirkte eindrücklich und ich wäre gerne länger verweilt. Mir ging‘s trotz des Wetters weiterhin grossartig: Nun war ich tatsächlich hier, und es fühlte sich unglaublich an, im triefenden Regen auf Lava zu stehen und auf das tosende Meer zu blicken. Nicht mal der Rucksack bereitete mir noch irgendwelche Probleme, ich bewegte mich fast schwerelos, als wäre dieser ein Teil von mir. Ich entschied mich jedenfalls bald, den Rückweg anzutreten. Gierig verschlang ich mein Thon - Sandwich und trank einige Schlücke Wasser. Ich stand jetzt einem neuen Hindernis gegenüber: Dem Gegenwind! Der Regen fiel fast senkrecht gegen mich und fühlte sich in meinem Gesicht an wie Nadeln.





    In weiter Ferne konnte ich tatsächlich den Leuchtturm sehen, zu dem ich eigentlich gehen wollte, sowie das geothermale Kraftwerk. Ob ich auf einen Wetterumschwung hoffen sollte und in diese Richtung gehen soll? Oder wäre es vielleicht vernünftiger, zurück nach Keflavik zu gehen und da den Bus nach Reykjavik zu nehmen? In meinem Kopf brach ein Kampf aus,und ich wollte mich vorerst nicht entscheiden. Der Rückweg war nun wirklich nicht mehr ganz so lustig und ein beträchtliches Stück meines Mutes brach ab. Nur wenige Stunden nach meiner Ankunft erlebte ich also das Wetter in Island in aller Härte. Würde ich mich nun irgendwo alleine im Hochland befinden, ohne das Wissen, dass wenige Kilometer entfernt die Hauptstrasse liegt, wäre ich wohl in einiges grösserer Aufregung.




    Nach der Hälfte des Weges liess ich mich praktisch hinter jedem Steinturm nieder und wartete einige Minuten darauf, ob vielleicht nicht das Wetter plötzlich änderte, wenigstens aber ich nicht solch starken Regen abbekam. Denn inzwischen war mein Regenschutz natürlich äusserst stark gefordert, nach wie vor liess er zwar nicht durch, allerdings wurde durch den Druck des Rucksackes teilweise Wasser durch die Membrane gedrückt. Auch die Schuhe schienen bereits jetzt nicht mehr ganz dicht zu sein.
    Ungläubig schüttelte ich nun den Kopf und bereute es fast schon, vorhin so un beschwert über das Wetter gedacht zu haben. Ich schlug mich durch zurück zur Hauptstrasse. Kein Auto weit und breit. Ich lief los, entlang der Ringstrasse. Der Wind wehte mich jeweils fast fort und machte ein Vorankommen sehr schwierig. Ich fasste jedoch wieder ein bisschen Mut. In grossen Abständen brausten jeweils Autos vorbei, allerdings getraute ich mich nicht, eines zu stoppen und irgendwie wollte ich es auch nicht wahrhaben bereits so hilflos zu sein. Die Richtung, in die ich lief? Natürlich nicht entgegen des Leuchtturms, nein, dieser Gedanke war schon längst vor der Vernunft zerschlagen worden. Abbruch der Tour, zurück zum Flughafen, so schnell es geht! Die Uhr zeigte bereits 8 Uhr an und vor mir lagen noch gute 15 Kilometer bis zum Flughafen. 15 Kilometer! Ich war ziemlich verzweifelt, ja. Trotz allem war ich immer noch in grösstem Erstaunen über das Erscheinungsbild der Landschaft.


    Irgendwann kam ich dann im Dorf Hafnir an. Auf dem restlichen Weg hatte ich bereits viele mögliche Ausgänge meiner Situation im Kopf durchgespielt. Ob Zelten in einem Garten bis zu Übernachten auf einer Kirchenbank war alles vertreten. Als ich dann durch dieses Dorf lief, war ich erstmal erstaunt darüber, wie leblos alles wirkte. Spärlich brannte hie - und da Licht, welches durch meist schmutzige Fenster schimmerte. Viele Gebäude machten einen verlotterten Eindruck oder waren gar komplett leer. In einem Wartehäuschen an der Bushaltestelle fand ich einen provisorischen Unterschlupf. Vielleicht würde hier gar noch ein Bus fahren! Allerdings war der Plan auf isländisch verfasst. Die Zeiten auf dem Plan konnte ich jedoch lesen, und diese schienen zu sagen: „Hey Alter, heut‘ nicht mehr!“.
    Ich legte meinen Rucksack ab und entschloss mich dann zum erst besten Haus zu gehen und zu fragen, ob noch ein Bus fahren würde. Zumindest eine Taxi-Nummer konnte ich erfragen, denn eine solche fehlte mir ebenfalls. Unmöglich war es allerdings, noch weiter zu laufen. Ich war durch und durch nass und fühlte eine ständig wachsende Müdigkeit.
    Ich suchte mir ein Haus aus mit brennendem Licht, und hatte bereits beim ersten Klingeln Erfolg. Ein Hund eilte kläffend in meine Richtung , doch dies ging bald in einem Heulen unter, denn ein korpulenter Junge stürzte sich auf das Maul des Hundes und drückte es gewaltsam gegen den Boden.
    Ein ebenfalls korpulenter Mann, wohl der Vater des Balges, schwenkte mir entgegen und fragte mich, was ich wolle. Nach einem kurzen Gespräch bestätigte sich natürlich die Befürchtung, dass kein Bus mehr fahren würde. Wenigstens bekam ich eine Telefonnummer für ein Taxi diktiert. Als ich diese jedoch auf meinem Handy eingeben wollte, bemerkte ich, dass die Anzeige des Bildschirms völlig blass war. Die Nässe schien bereits in das Gehäuse des Gerätes vorgedrungen zu sein. Das hatte ja gerade noch gefehlt! Ich schaffte es trotzdem, die Nummer einzutippen. Ich bedankte mich und ging von dannen. Auch hier machten die Menschen einen eher unfreundlichen Eindruck.
    Ich rief die erhaltene Nummer an und hörte bald eine unverständliche Frauenstimme am Telefon, welche jedoch nur alle zwei Sekunden erklang und danach einem merkwürdigen Rauschen wich.
    Das war wohl gar nichts - Ich packte meinen Rucksack und trottete verzweifelt zurück auf die Strasse. Was nun? Ich kam mir verloren vor. Nach ungefähr 5 Minuten Laufens auf der Ringstrasse hörte ich hinter mir plötzlich ein Motorengeräusch, ein Auto fuhr ganz langsam neben mich und stoppte schliesslich. Die Fensterscheibe senkte sich langsam und ich erkannte den Mann aus dem Haus von vorhin! Er winkte mich zu sich. Schäumend vor Glück öffnete ich die Tür des Fahrzeuges, warf mein Gepäck hinein und setzte mich neben ihn. Er musste sowieso nochmals ins Dorf, meinte er, um Zigaretten oder so zu holen.
    Dabei war es offensichtlich, dass er sich um mich Sorgen machte und wohl nur deswegen nochmals sein Haus verliess. Doch das war mir in diesem Moment egal. Ich war entzückt von der Barmherzigkeit der Menschheit und war einfach nur froh, bald wieder am Flughafen zu sein.
    Somit wurde ein zweites Mal ein erst unsympathischer Eindruck eines Menschen auf mich umgewandelt in einen durch und durch positiven. Während der Fahrt stellte sich heraus, dass er Fische ankaufte und ursprünglich aus Akureyri kommt. Mit seiner Familie wohne er nun schon einige Jahre hier. Auf die Frage, ob er es mag in Island zu wohnen, machte er seiner Unzufriedenheit über das Parlament Luft und klagte über den schlechten Wert ihrer Landeswährung.
    Ich bedankte mich in aller Form bei ihm, schüttelte ihm kräftig die Hand und hüpfte am Flughafen raus. Dort nahm ich den Flybus nach Reykjavik, welcher mich sogar direkt zum Campinggelände fuhr.
    Damit war ich kaum auf dieser Insel, schon hatte ich das erste Abenteuer erlebt!




    Das Wetter hatte sich inzwischen beruhigt. Es war bereits 23 Uhr und dämmerte vor sich hin.
    Ich checkte ein auf dem Campingplatz und baute mein Zelt auf. Irgendwie fühlte ich nun trotz der grossen Erleichterung auch das Gefühl des Fehlschlags. Anstatt beim ältesten Leuchtturm Islands zu zelten, befand ich mich nun mitten in der Stadt auf einem Campingplatz - so hatte ich mir den Anfang meiner Reise eigentlich nicht vorgestellt. Als ich beim Auspacken meines Rucksackes bemerkte, dass ein Fertiggerichtaufgeplatzt war und nun alles nach „Al Rabiata“ roch, tauchte meine Laune endgültig. Ich kochte eben dieses Gericht noch, allerdings mochte ich kaum einen Bissen davon, denn es schmeckte einfach nur scheusslich. Niedergeschlagen kroch ich in meinen Schlafsack, stopfte zwei Oropax in meine Ohren und montierte die Augenbinde. Bald schlief ich ein.

  • Ein wirklich super toller Bericht.
    Bei uns gehts in einer Woche los (allerdings mit 'nem Camper) und dein Bericht macht die Vorfreudee noch viel größer.
    Danke. :)

  • Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



    Tag 2



    Ich erwachte bereits um 5 Uhr Morgens, als leichter Nieselregen auf mein Zelt fiel. Meine Träume waren wirr und das Bewusstsein, nun in Island zu sein ziemlich befremdlich.
    Mehrmals verfiel ich nochmals dem Schlaf, bis ich mich schliesslich um 9 Uhr endgültig aufsetzte und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Weiterhin hörte ich leichte Wassertröpfchen auf mein Zelt prasseln. Meine Laune hatte sich noch nicht gebessert, im Gegenteil. Der Platz im Zelt war eng bemessen, ich schlief unruhig und alles fühlte sich ziemlich unbequem an. Das Leben auf ungefähr zwei mal zwei Meter war gewöhnungsbedürftig, um es nüchtern auszudrücken. Dazu kam, dass ich jetzt vor einer gähnenden Leere stand, ich hatte keinerlei Plan, was ich nun weiter tun würde auf dieser Insel oder besser gesagt, was ich durch die vorherrschenden Wetterkonditionen tun könnte. Am morgigen Tag, also am Donnerstag, dem 13. Juni würden die meisten Bus-Linien öffnen. Doch wahrscheinlich kaum bis in‘s Hochland. Mein Kopf fühlte sich schwer an und am liebsten wäre ich in diesen Minuten einfach nach Hause gegangen. Ich schaute nach draussen, alles schien grau zu sein und ein kühler Wind wehte mir entgegen.



    Ich wühlte in meinem Rucksack und machte mir Müsli. Meine erste Erfahrung mit dem erst noch gekauften Magermilchpulver. Schmeckte soweit erstaunlich gut. Ich stand auf und wusch mich, ehe ich meinen Tagesrucksack packte. Dies war einer der grossen Vorzüge meines Rucksacks: Die oberste Tasche liess sich abnehmen und innert wenigen Sekunden zu einem eigenständigen Rucksack umfunktionieren.
    Natürlich vergass ich nicht, meine Schwimmsachen einzupacken, denn bei diesem trüben Wetter würde mir ein warmes Bad bestimmt gut tun. Der Zeltplatz lag eigentlich ziemlich zentral in der Stadt, gleich neben ihm befand sich das grösste Schwimmbad in Reykjavik, das Laugardalslaug. Leider hatte es diese Tage wegen Umbauarbeiten geschlossen. Ich suchte auf meinem Navigationssystem nach weiteren Bademöglichkeiten, und stiess auf den Namen Nauthólsvík.



    Es war mit einem Schwimmbad-Symbol versehen. Da ich kein Internet zur Verfügung hatte und auch meinen Reiseführer zu Hause liess, konnte ich nichts nachschlagen. Somit wusste ich nicht, was mich erwarten würde, doch ich entschied mich trotz fehlenden Informationen, diesen Punkt als eines meiner Tagesziele zu nehmen, auch weil er so ziemlich am anderen Ende der Stadt lag. Ein weiteres Ziel für Tag 2 war es, am Abend dem Couchsurfing-Treffen im Kaffi Zimsen beizuwohnen. Vielleicht würde ich jemanden kennen lernen, mit dem ich zumindest einige aufschlussreiche Gespräche führen könnte. Natürlich hätte ich auch nichts dagegen, mit jemandem ein paar Tage zu reisen, denn wenn man erstmal komplett alleine in der Fremde ist, sehnt man sich plötzlich doch nach Kontakt mit vertrauten Menschen. Natürlich konnte dies auch bloss eine vorübergehende Empfindung sein, doch an diesem Morgen fühlte ich mich ziemlich einsam, und zwar auf eine eher negative Weise.



    Ich begab mich Richtung BSI-Bus Terminal, auf dem Weg machte ich einen Zwischenstopp in einem Café und wurde erstmal angenehm überrascht vom freundlichen Umgang der Bedienung, welche ich versuchte zu revanchieren mit den drei isländischen Höflichkeitsfloskeln Góðan daginn, Takk und Bless, also Guten Tag, Danke und Auf Wiedersehen. Dies funktionierte recht gut und ich erntete ein warmes Lächeln von der Frau hinter der Tresen, welche mich darauf aufmerksam machte, dass ich meine Kaffeetasse mehrmals nachfüllen dürfe. Für diesen Preis gab es einen solchen Service in der Schweiz ganz bestimmt nicht. Das Café war ansonsten leer. Ich setzte mich an einen leeren Tisch. Beim Nachführen meines Tagebuchs, welches ich von Hand schrieb, ärgerte ich mich erstmals über das langsame Vorankommen meines Stiftes. Ich hatte bereits so viele Gedanken und Erinnerungen angesammelt welche ich niederschreiben wollte, sodass ich schon jetzt ahnte, niemals damit fertig zu werden.


    Beim BSI-Bus Terminal holte ich dann die ernüchternde Information ein, dass die Busverbindung in das südliche Hochland wohl erst in etwa 10 Tagen zustande kommen würde. Ich setzte mit einer Broschüre von Reykjavik Excursions hin und stöberte im Angebot. Auf den letzten Seiten gab es einige Bus-Pässe, wobei mir der Ring-Road Passport besonders ins Auge stach, mit welchem man einmal im oder gegen den Uhrzeigersinn um die Insel fahren konnte, immer der Küste entlang. Für ungefähr 35‘000 ISK schien mir dies ein sehr gutes Angebot zu sein. Zudem bestand die Möglichkeit, jederzeit die Reise an einem beliebigen Ort zu unterbrechen und später fortzusetzen. Zusätzliche 10% Rabatt auf fast alle anderen Strecken rundeten das Angebot ab. Ich war sehr überzeugt, kaufte den Pass jedoch vorerst noch nicht, denn meine Reise würde ja sowieso erst Morgen beginnen können.



    Ich stürzte mich in das Fast-Food Restaurant nebenan und ass erstmal genüsslich einen leckeren Burger mit Pommes. Naja, dies war vielleicht ein wenig gar banal und nicht gerade abenteuerlich, trotzdem genau das, was ich in diesem Moment brauchte. Am Tisch gegenüber sass ein anscheinend betrunkener Mann, welcher immer wieder seine wohl leere Bierdose anhob, um sie an seinen Mund zu führen, sie dann jedoch irritiert über die Inhaltslosigkeit wieder auf den Tisch zu stellen. Er redete entweder einfach vor sich hin oder verwickelte bei Anwesenheit anderer jeden rundherum in ein Gespräch.
    Nach wenigen Minuten, ich hatte bereits fertig gegessen, setzte er sich zu mir. Damit hatte ich eigentlich gerechnet, ich hatte es sogar gehofft, denn ich schaute ihm schon mehrmals aufmerksam in die Augen, denn er interessierte mich.
Sein Gesicht schien unglaublich freundlich, wenn auch seine Augen förmlich im Alkohol schwammen und er nicht ohne Lallen sprechen konnte. Alles, was ich aus seinen in mangelhaftem Englisch geformten Sätzen entnehmen konnte war, dass er früher als Fischer arbeitete, nun aber arbeitslos war.



    Ich versuchte ihn zu fragen, ob er mein angepeiltes Schwimmbad kennen würde, worauf er freudig bejahte und es mir wärmstens empfahl. Durch seine fehlenden Sprachkenntnisse langweilte ich mich trotzdem bald und ich ging. Beim Verlassen des Gebäudes wurde meine Aufmerksamkeit jedoch plötzlich auf eine grosse Glaskuppel auf einem Hügel gelenkt.



    Es sah aus wie eine Wetterstation oder ein Forschungslabor. Ein kurzer Weg durch einen jungen Mini - Wald führte mich hoch. Auf dem Weg erklärte mir bereits ein Isländer, welcher in schnellen Schritten, völlig ausser Atem hochlief, dass dieses Gebäude Perlan hiesse und als Warmwasserspeicher Reykjaviks diente, welcher die komplette Stadt versorgte. Bis zu vier Millionen Liter Warmwasser konnten die riesigen Tanks speichern. Eine unvorstellbare Menge!


  • Im Gebäude selber gab es dann neben einem künstlichen Geysir, mehreren Informationstafeln, einem Restaurant und einer Aussichtsplattform nicht allzu viel zu sehen. Die Architektur war jedoch spannend und ich machte einige Bilder.



    Bald brach ich auf zu meinem eigentlichen Ziel und entfernte mich in Richtung Nauthólsvík, welcher sich hinter dem Flughafen von Reykjavik zu befinden schien. Auf diesem herrschte übrigens reger Betrieb. Das Bad schien laut Karte direkt am Meer zu liegen - und ich staunte nicht schlecht, als ich mich plötzlich an einem Strand befand, in dessen angrenzenden Wasser Menschen badeten! Später brachte ich in Erfahrung, dass es sich um einen Strand mit künstlich geheiztem Wasser handelte. Das Wasser stammte natürlich aus dem Gebäude von vorhin, dem Perlan! Ich verzichtete auf ein Bad und beschloss, mich zum Hafen zu begeben, wo ich den Treffpunkt des Couchsurfing-Meetings vorfinden würde.



    Es war bereits nach 16 Uhr, plötzlich setzte starker Regen ein und ich nahm den Bus in das Zentrum der Stadt, wobei ich erstmal scheiterte mit dem Versuch, per Kreditkarte zu bezahlen: Hier musste man entweder mit Bargeld bezahlen oder aber ein Ticket an einer Station kaufen. Automaten gab es an keiner Bushaltestelle, ausser an den grossen Terminals. Der Fahrer drückte jedoch ein Auge zu und liess mich mitfahren.



    Ich stieg bei Hlemmur aus und ging an den Hafen, wo ich das erste Mal das Konzert- und Konferenzhaus Harpa erblickte. Dieses wollte ich mir allerdings aufsparen, wenn es mal sonnig ist und die Fenster farbig leuchten.


    Am Meeting selbst befand sich bloss ein einziges Mitglied. Ich erkannte ihn, weil ich bereits schon einmal über sein Profil gestolpert bin, als ich noch zu Hause war. Die Bar machte einen gemütlichen Eindruck. Die Ursache für den geringen Aufmarsch war eine kurzfristige Verschiebung in eine andere Lokalität. Der junge Isländer namens Einar machte jedoch einen sehr sympathischen Eindruck, auch wenn er etwas aussah wie ein dunkler Magier. Ich setzte mich salopp zu ihm und verwickelte ihn in ein Gespräch. Er arbeite als Gärtner und studiere nebenbei, wie man Computerprogramme schreibt. Als äusserst aktives Mitglied auf der Plattform Couchsurfing hätte er fast täglich fremde Surfer bei sich zu Hause. Auch heute war anscheinend ein chinesisches Paar zu Gast bei ihm, welches ich später vielleicht noch kennenlernen würde. All dies erzählte Einar mir in gutem Englisch. Er machte mir klar, dass es ihm in Island äusserst gut gefällt. Im Ausland war er, ausser in den USA, noch kaum. Auf die Frage, ob er dann oft hier wandern gehe oder Ausflüge mache, reagierte Einar ziemlich verdutzt und entgegnete: „Nein, und oftmals..“, brachte er stockend hervor, „..lerne ich mein Land erneut kennen durch die vielen Besucher in meinem Hause, welche sich eifrig über Orte informierten. Anfangs wusste ich nicht mal, wie die Berge hier in der Gegend heissen. Inzwischen weiss ich wenigstens ein paar Namen.“, schloss er ab.
    Diese Einstellung verwunderte mich doch ein wenig und ich fragte mich, ob es eine typische Erscheinung bei Bewohner dieser Insel wäre. Wir tranken unser Bier aus und er schlug vor, erst zu sich nach Hause und danach in ein Schwimmbad zu gehen. Natürlich willigte ich erfreut ein. Ich besorgte mir Bargeld für den Bus und wir fuhren ein wenig ausserhalb von Reykjavik kurz einkaufen und anschliessend zu ihm nach Hause. Seine Wohnung machte einen einladenden Eindruck und er erklärte mir, dass sie bereits ihm gehöre - natürlich auf Raten gekauft. Mit seinem aktuellen Einkommen würde er sie bis er 100 Jahre alt ist abbezahlt haben, trug er nach längerem Rechnen mit einem breiten Grinsen vor.
    Er gab mir ein kleines Stück Fleisch von einem Haifisch zum probieren, was er bei jedem Besucher zu tun schien als eine Mutprobe. Ich wollte natürlich weder unfreundlich, noch unmutig wirken und probierte es. Es war ziemlich eklig und hatte einen starken Ammoniak - Geschmack. Da wandte ich mich lieber meiner vorhin gekauften Pizza hinzu, welche ich in seinem Ofen aufgebacken hatte. Hergestellt in Island - und schmeckte leider kaum besser als das Stück Haifisch. Seine Katze schien mehr Spass an der italienischen Spezialität zu haben, sie kaute wie wild auf dem gummigen Teigboden herum.


    Das Warten auf das chinesische Pärchen schien erfolglos zu bleiben und somit gingen wir zu zweit schwimmen. Auf dem Weg erklärte Einar mir, dass es unüblich sei als Bewohner Reykjaviks im Zentrum der Stadt zu wohnen. Die meisten Leute hätten ihre Wohnung ausserhalb des Zentrums und somit ausserhalb des ganzen Touristenrummels. Wie ich im späteren Verlauf meines Aufenthaltes feststellte, war dies tatsächlich der Fall, die Strassen in Downtown wurden von Touristen beherrscht.
    Das Schwimmbad war gross und der Eintrittspreis billig. Es gab Pots in verschiedenen Wärmestufen, einen grösseren Pool und natürlich ein Dampfbad. Einar bevorzugte den heissesten Pot mit einer Wassertemperatur von 44°C. Als er mich erst fragte, wie lange ich es wohl in diesem aushalten würde, winkte ich stolz ab und meinte, ich werde wohl kaum Probleme haben mit warmem Wasser. Nun aber wurde mir nach wenigen Sekunden bereits schwummerig und ich spürte, wie mein Kreislauf ächzte unter der hohen Temperatur.
    Bald schon versuchte ich mich, am Geländer festzuhalten, um bloss einen kleinen Teil meines Körpers im Wasser zu baden, was wohl ziemlich affig aussehen musste.
    Dann jedoch wurde es mir tatsächlich zu viel und ich sprang kurz darauf in den Pool mit 28°C. Eine willkommene Abkühlung. Das Dampfbad fühlte sich dafür umso besser an. Wir verliessen den Pool einige Zeit später völlig erfrischt, und ich spürte eine wohltuende Müdigkeit, welche sich über meinen Körper legte. Ich verabschiedete mich bald von Einar und machte mich auf den Rückweg zum Campingplatz. Seine Aussage brachte mich nochmals in einen Entscheidungskampf zwischen zweier Arten der Insel-Umkreisung: Bus oder per Anhalter. Er meinte, es wäre sehr leicht, per Anhalter um die Insel zu kommen und er hätte schon viele Surfer bei sich gehabt, welche so reisten. Da ich keinerlei Erfahrung im Hitch-Hiking hatte und eine zuverlässige Art und Weise des Reisens bevorzugte, zumindest in diesen Ferien, fiel meine Entscheidung schliesslich auf den Bus-Pass.
    Das Wetter hatte sich inzwischen übrigens deutlich gebessert und es schien sogar die Sonne. Trotzdem war die Temperatur immer noch ziemlich kühl. Eigentlich aber ganz angenehm, man musste sich bloss richtig kleiden.



    Um noch einige Worte über den Camping Platz in Reykjavik zu verlieren: Dieser wies eine sehr gute Ausstattung auf. Es gab eine grosse Anzahl an Toiletten und Duschen, welche kostenlos benutzbar waren, ebenso wie eine Küche. Die Rezeption war immer bedient und das Personal sehr freundlich. Es gab haufenweise Broschüren und es wurden nicht bloss auf das Camping bezogene Fragen beantwortet. Gleich aussen an der Rezeption befand sich ein grosses Regal, in dem Touristen Dinge zurücklassen konnten, welche sie nicht mehr brauchten. So war eine komplette Etage mit Brennsprit und Gaskartuschen eingerichtet, Shampoos und Esswaren waren ebenfalls kostenlos verfügbar sowie Broschüren und Bücher. Der Rasen selbst war gepflegt und bot grosszügigen Platz für viele Zelte, welche sich abgeschottet von jeglichem Lärm aufbauen liessen. Gleich nebenan befand sich das City Hostel von Reykjavik. Jeden Morgen gab es einen Abholservice von Reykjavik Excursions, aber auch von anderen Bus-Unternehmen.



    Ich verkroch mich bald in mein Zelt und stellte den Wecker auf 6 Uhr, denn der Bus würde bereits um 8 Uhr losfahren und ich musste vorher noch den Pass kaufen sowie den Weg zum Terminal machen. Müde, jedoch äusserst zufrieden mit dem Verlauf des heutigen Tages begab ich mich in einen kurzweiligen, aber tiefen Schlaf. Ich war nun durchaus zuversichtlich eingestellt und freute mich darüber, Gewissheit über den weiteren Verlauf meiner Reise zu haben - einen groben Faden hatte ich nun jedenfalls in der Hand, welcher mich wohl mehr als 10 Tage führen würde.

  • Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.




    Tag 3


    Der schrille Weckton meines Telefons liess mich aufschrecken. Sofort machte ich mich daran, meinen ganzen Krempel einzupacken. Der Schlafsack war dabei das mühseligste von allem: Sein Volumen war auch zusammengerollt immer noch sehr gross, eigentlich zu gross für den kleinen Packbeutel. Nach einigen Anläufen schaffte ich es trotzdem. Nach ungefähr 20 Minuten war alles gepackt. Ich fühlte mich wiederum sehr müde und unausgeschlafen. Mein Vorhaben heute, der Beginn meiner Rundreise machte dies jedoch gleichgülti



    Am BSI Terminal holte ich mir dann den besagten Ringroad-Pass. Dieser war aus wasserfestem Papier gefertigt und machte für seinen Preis einen angemessen hochwertigen Eindruck. Grinsend reichte mir der Angestellte einen Busfahrplan und meinte, dies sei meine Bibel für die nächsten Tage. Ich verstaute ihn und den Fahrplan in meiner Tasche. Ich hatte mich entschlossen, die Reise gegen Süden zu beginnen. Die Strecke gegen Norden hindurch zwischen den zwei Gletschern Langjökull und Hofsjökull war nämlich ebenfalls noch geschlossen. Hoffentlich würde diese Piste bis zu meiner Rückkehr geöffnet sein. Im Terminal selbst überhörte ich eine Gruppe von Franzosen, welche nach den Busverbindungen zu Landmannalaugar fragten. Natürlich war die Antwort dieselbe, wie sie mir vor einem Tag gegeben wurde. Auf die Idee, von Thorsmoerk nach Landmannalaugar zu wandern, riet die Angestellte vehement ab. Es sei sehr gefährlich, da die Bediungen nach wie vor unberechenbar seien. Gespannt lauschte ich dem Gespräch und entschied mich dann wenig später, in den Bus Richtung Skaftafaell einzusteigen. Ja, richtig: Man konnte direkt von Reykjavik nach Skaftafaell fahren, was eigentlich die ganze Südküste entlang war. Wo ich aussteigen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Ich wollte es aber natürlich möglichst langsam angehen und oft einen Tag an einem Ort verweilen und Zelten.
    Der Bus war indes gerade mal zur Hälfte oder gar weniger gefüllt, was mir natürlich gefiel. Ich wurde aufmerksam auf die ersten Schweizer, verzichtete jedoch, Bekanntschaft zu schliessen.





    Der Bus brauste los und die Fahrt wurde bald begleitet von einer durch die Lautsprecher dringende Stimme, welche in gesprochenem Englisch die Tour-Guide des Bus darstellte. Exakt auf die Ortschaft abgestimmt, welche gerade an den grossen Fenstern des Fahrzeuges vorbeizog, gab die Stimme des Isländers ihr Wissen zum Besten und verriet interessante Fakten, etwa zum einzigen isländischen Gefängnis, welches sich bald am Wegrand befand oder zum ehemaligen Skigebiet der Insel. Leider bevorzugte es der Sprecher in einem unglaublich langsamen Tempo vor sich hin zu plaudern, nicht ohne Verzicht an jeder Stelle seiner Sätze einen Witz einbauen zu wollen, welcher die Merkwürdigkeit seines Volkes unterstreichen soll . Dies gelang zwar manchmal, trotzdem empfand ich seine Erklärungen bald schon als mühselig und ich hoffte, diese Funktion im Bus wäre noch nicht für die gesamte Insel verfügbar.



    Wir gerieten kurz nach Verlassen der Hauptstadt in ein dichtes Nebelfeld, welches typisch für diesen Streckenabschnitt war, wie sich später herausstellte. Die Landschaft bestand hier auch vor allem aus mit gräulichem Moos überwachsene Lava - ein beeindruckendes Bild. Immer wieder konnte man sogar im Innern des Bus einen deutlichen Schwefelgeruch wahrnehmen, etwa wenn man an einer heissen Quelle vorbei donnerte. Der Bus machte regelmässige fahrplangemässe Stops, etwa in Ortschaften oder an Tankstellen. Dies war sehr nützlich um sich zu verpflegen, aber natürlich auch um stets aus- oder einzusteigen.



    Nach der Besichtigung des Seljalandsfoss, dem ersten Wasserfall welchen ich aus der Nähe betrachten konnte, waren es nur noch ungefähr 40 Minuten bis zu der berühmten Ortschaft Skogar mit einer mickrigen Einwohnerzahl von 25 und dem Skogafoss.


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    Dieser Wasserfall hatte eine Breite von 25 Metern und liess sein Wasser 60m in die Tiefe stürzen.
    Bereits aus der Ferne war der Beginn des populären Laugavegurs zu sehen. Ein steiler Weg führte hinauf zu der Mündung des Wasserfalls.
    Unterwegs hatte ich mich kurz mit den Franzosen aus dem BSI-Terminal unterhalten, diese schienen absolut von dem Vorhaben überzeugt zu sein, hier die Wanderung nach Thorsmoerk aufzunehmen. Ich hielt dieses Vorhaben nach wie vor für naiv, denn das südliche Hochland galt als ein gefährliches Gebiet in Island und es gab immer wieder Unfälle. Eigentlich hatte ich besonders den Laugavegur bereits aus meiner Planung ausgeschlossen, da ich sogar die Bus-Strecke nach Thorsmoerk für geschlossen hielt.
    Mit dichtem Nebel, eher tiefen Temperaturen und einem leichten Nieselregen waren die Bedingungen bereits auf 0m eher zweifelhaft.
    All dem zu trotz, keimte in mir nun die abenteuerliche Vorstellung wie ein teuflischer Krankheitserreger auf, diese Wanderung zu machen. Es fühlte sich fast schon an, wie eine Pflicht! Und Pflichten sollte man schliesslich nachgehen.
    Ich füllte meine Trinkflaschen, zog meinen Regenschutz an und bereitete alles vor.
    Kurze Zeit später kam ich durch einen Zufall ins Gespräch mit einem polnischen Pärchen, welches im gleichen Bus unterwegs war wie ich. Sie befanden sich ebenfalls im Aufbruch und es ergab sich, dass der Weg nach Thorsmoerk zu gehen ein grosser Wunsch ihrer Reise sei. Auf die Frage, ob ich den genauen Wanderweg kennen würde, bejahte ich und zeigte den vorbereiteten Track auf meinem Navigationsgerät. Ich bot ihnen an, mit mir zu wandern und sie willigten erfreut ein. Somit konnte ich ihnen den Weg weisen und sie meine riskante Einsamkeit auf dieser Tour nehmen. Eine Win-Win-Situation, wie man in neudeutsch so schön sagt.



    Ich stellte mich ihnen also vor und wir führten ein kurzweiliges Gespräch. Hier muss ich vorneweg sagen, dass ich den beiden eigentlich von Anfang an hätte von dieser Wanderung abraten sollen. Grosser Wunsch? Und keinen genauen Plan, wo es durch geht? Was für ein Quatsch. Ein Blick auf ihre Ausrüstung erübrigten jegliche weiteren Hinweise, um sie als nicht qualifiziert für die Bezwingung der Hochebene Fimmvörðuháls zu bezeichnen. Während der Mann zumindest Trekking-Halbschuhe anhatte, wohl aber eher für eine Wanderung in einer trockenen Steppe, hatte die Frau eine Art Turnschuh an.
    Ihre Rucksäcke machten einen eher billigen Eindruck. Auf die Frage, ob sie ein Zelt und Schlafsäcke hatten, bejahten sie zwar, das geringe Volumen liess aber eher auf etwas anderes schliessen.
    Ich verschwieg meine Zweifel jedoch, da ich sie nicht verunsichern wollte und keine Lust hatte, jemand neues zu suchen. Zudem gab es ja immer noch die Möglichkeit, wieder umzukehren.
    Ich zeige euch hier meinen originalen Tagebuch-Eintrag über die Einschätzung der zwei Persönlichkeiten, um es ein wenig greifbarer zu machen.



    Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen und die Wanderung konnte losgehen. Der Weg führte wie bereits erwähnt erst über eine metallene Treppe, die sehr steil zur Mündung des Wasserfalls hinaufführte. Hier mühte ich mich das erste mal ziemlich heftig ab. Insgesamt würde der Anstieg bis zum Pass des Fimmvörðuháls 1116m betragen, was auf einer eher geringeren Distanz von etwas mehr als 10km eine beträchtliche Höhendifferenz ist. Oben gab es dann den Ausblick und den vorbei rauschenden Wasserfall zu geniessen. Die Polen montierten den Regenschutz für den Rucksack. Immerhin das hatten sie dabei. Danach ging es weiter über spärlich mit Gras überwachsene Wiese, die jedoch mit Steinen übersät war.



    Ein deutlicher eingetretener Pfad führte den Wanderweg voran. Auf diesem waren wir längst nicht alleine, sowohl hinter als auch vor uns gingen eifrige Wanderer voran. Immer wieder kamen uns aber auch welche entgegen. Die meisten wollten wohl bloss den ersten Abschnitt erkunden.


  • Ich ging schnurstracks voran und musste immer wieder mal einige Sekunden inne halten, um meine Begleiter aufholen zu lassen. Der Weg wurde innert kürzester Zeit steiler und teilweise auch schwieriger zu begehen. Der Nebel nahm deutlich zu und auch der Regen wurde stärker. Die niedrige Temperatur zwang mich, meine Wollmütze zu montieren. Das Gewicht meines Rucksacks war zwar hoch, aber irgendwie schien es mir bisher überhaupt nichts auszumachen! Mein Hirn wurde mit einer gesunden Menge an Adrenalin versorgt und ich fühlte mich voller Energie.
    Trotzdem gerieten wir öfters ausser Atem und legten regelmässig Pausen ein.
    Der Anblick der Gegend, durch die wir wanderten, war unbeschreiblich. Es fällt mir jetzt im Nachhinein schwer, eine wirklich authentische Beschreibung abzugeben. Links in Laufrichtung rauschte uns der Fluss, die Skoga entgegen, wobei sie sich immer wieder über Felsklippen stürzte und somit bezaubernde Wasserfälle entstehen liess. Durch die kurze Sichtweite kam man sich vor wie auf einem fremden Planeten, zudem war das Gespür für die gegangene Distanz völlig diffus. Einzig das Navigationssystem und die immer weniger werdenden Fussspuren vor uns hielten unsere Orientierungssinne am Leben. Ich zweifelte natürlich nach wie vor daran, dass wir es wirklich bis zum Pass schaffen würden. Es zeichnete sich mehr und mehr ab, dass dies garantierteine zweitägige Wanderung geben würde, alles andere wäre Selbstmord bei diesen schwierigen Konditionen. Wir mussten die insgesamt 20km aufteilen. Ob es jedoch möglich sein würde, in der Hütte zu übernachten oder das Zelt davor aufzustellen, war mir zu diesem Zeitpunkt völlig schleierhaft. Ich hatte mich überhaupt nicht darüber informiert. Zwar las ich öfters mal von einer Hütte und von Leuten, welche vor dieser zelteten, allerdings wusste ich nicht, wie es nun dort aussehen würde. Somit rechnete ich eigentlich immer noch damit, dass irgendjemand aus unserer Gruppe den Rückzug beantragen würde.
    Die Jacke aus Baumwolle der Polin schien bereits ziemlich durchnässt zu sein - ebenso wie ihre Schuhe. Als ich sie darauf ansprach, meinte sie jedoch, dass ihre Mutter diese Schuhe ihr geschenkt hätte und diese garantiert wasserdicht seien.
    Nun, was wollte man da noch sagen? Ich liess dieses Argument gelten.
    Es war eindeutig zu sehen, dass beide die Wanderung von Anfang an unterschätzt hatten und jetzt überrascht wurden durch die Witterung und den steilen Weg.
    Ich erkundigte mich jedoch immer wieder nach ihrem Befinden und wiederholte mehrmals, dass es jederzeit die Möglichkeit gäbe, zurückzukehren. Sie zeigten sich jedoch zäh und lehnten jedes Mal vehement ab.



    Spätestens bei dem ersten Bach, welchen wir durchqueren mussten, war es endgültig vorbei mit der Wasserfestigkeit meiner Polska-Freunde: Die Schuhe liessen durch und die Frau gestand dies dann auch ein.
    Doch, wir gingen munter weiter und wurden dann tatsächlich von einer Gruppe Menschen überholt, von denen ein kleinerer Mann mit einem einfachen Tagesrucksack wandert sowie Turnschuhe und kurze Hosen trug (!!!). Ich traute meine Augen nicht und konnte nur noch den Kopf schütteln. Kein Wunder, starben schon mehrere Menschen hier, man kann das Schicksal auch geradezu leichtsinnig herausfordern.



    Immer wieder kamen uns aber auch Wanderer entgegen. Jedes mal blieb man einen kurzen Augenblick stehen, begrüsste sich freundlich und tauschte seinen aktuellen Status aus. Man fühlte sich mit jedem, der auf diesem Weg wanderte verbunden und ich genoss diese nicht selbstverständliche Nähe zu fremden Menschen sehr.
    Eine Gruppe kam gerade vom Gipfel, sie machten uns aufmerksam auf eine mehrere Kilometer lange Strecke, welche noch mit Schnee verdeckt ist. Mit einer skeptischen Handbewegung in Richtung der Schuhe des polnischen Pärchens schloss der ältere Kanadier seinen Hinweis und fügte an, dass dies vielleicht nicht das richtige Schuhwerk sein würde. Ich dankte ihm innerlich für diesen überflüssigen Hinweis und führte die Polen weiter hinauf. Sie sahen weiterhin kein Problem und waren nach wie vor bereit, weiter zu gehen.
    Ich stellte mir vor, was Menschen aus meinem Umfeld nun wohl gerade machen, etwa meine Freunde, wie sie nun um 14 Uhr am Nachmittag in der Sonne liegen und baden, während ich hier seit Stunden durch den Nebel laufe und versuche, ein Plateau zwischen zwei Gletscher zu erklimmen. Diese Vorstellung konnte kaum absurder sein.



    Irgendwann hatten wir direkten Zugang zum Fluss und konnten unsere Wasserflaschen auffüllen mit klarstem Gletscherwasser. Danach ging weiter, und es kam zu einigen gefährlichen und besonders steilen Wegstücken, welche wir aber mehr oder weniger ohne Problem überwunden. Inzwischen drängte sich immer öfters die Frage auf, wie weit es denn noch ist. Die polnische Frau sah ein wenig ausgezehrt aus und auch er wirkte sehr angestrengt. Mir ging es genau gleich, die Nässe war unsäglich und ich hatte inzwischen ein wenig kalt, jedoch konnte ich kaum mehr anziehen, als ich schon anhatte.



    Wir hörten plötzlich Wasser rauschen und in kurzer Entfernung wurde ein Wasserfall sichtbar. Laut meinem GPS würde der Weg nun über diesen Fluss führen. Eine Holzbrücke erstreckte sich darüber - allerdings befand sie sich in ungefähr 4 Meter Höhe!
    Ein älterer Mann kletterte gerade von ihr herunter mit dem Ausruf: „It‘s going to be fun now!“, während seine Frau unten stand und wartete. Das ältere Pärchen, welches sich kurze Zeit entgegen uns bewegte und wohl den Rückweg aufnahm, fragte uns, ob wir zur Hütte hinauf wollten. Unsicher bejahten wir. Grinsend liefen sie weiter.
    Der Weg würde nun wohl tatsächlich über diese Brücke führen. Unschlüssig ging ich zur Brücke und betrachtete den Bau. Zwei massive Metallträger schienen das Holz oben darauf zu stützen. Einigermassen stabil sollte sie also sein. Trotzdem, wohl wurde sie schon länger nicht mehr gewartet, was, wenn sie zerbrechen würde?
    Wir sprachen uns kurz in der Gruppe ab und ich erklärte, dass ich als erster hochklettere, und sie mir dann all die Rucksäcke reichen, denn es handelte sich hier tatsächlich um Klettern, was mit schwerem Rucksack viel zu gefährlich war. Als ich oben war, musste
    der polnische Mann sich auf die Zehenspitzen stellen und mir den Rucksack entgegenwerfen, ansonsten hätte ich ihn nicht gekriegt.
    Ich packte meinen Rucksack und ging in schnellen Schritten über die Brücke. Ich getraute mich nicht, Links oder Rechts zu schauen und ging so schnell wie möglich. Mein ganzer Körper zitterte, denn ich hatte Höhenangst. Ich stellte den Rucksack auf die andere Seite der Brücke und nahm kurz darauf den zweiten hochgereichten. Die Polen folgten mir über die Brücke. Ich war unglaublich froh, als ich wieder auf festem Boden stand. Nun war definitiv klar, dass es kein Zurück geben würde. Diese Brücke würde wohl keiner aus meiner Gruppe freiwillig nochmals besteigen.


  • Wir
    hatten nun schon mehr als die Hälfte geschafft. Das letzte Stück war
    dann tatsächlich aber nochmals eine harte Probe der körperlichen und
    mentalen Verfassung. Die Anstrengung nahm stetig zu, vor allem jedoch
    gesellte sich nun auch Unsicherheit und ein Anflug der Angst hinzu. Es
    war bereits 16 Uhr, wir wanderten immer noch und hatten keine Ahnung, ob
    die Hütte uns Schutz bieten würde. Inzwischen war es fast unvorstellbar
    geworden, am Ende des Tages in dieser Kälte zu zelten.
    Wie von den
    entgegenkommenden Wanderer angekündigt, hatten wir die Schmelzgrenze
    erreicht und das Landschaftsbild war jetzt geprägt von riesigen
    Schneefeldern und schlammigen Abschnitten, nämlich da, wo dieser Schnee
    eben gerade geschmolzen war. Und dies war keineswegs ein Ereignis,
    welches länger in der Zeit zurücklag.


    Keine Frage, die Mischung
    von Schnee und Matsch, wie ich sie bereits aus meiner letzten Wanderung
    in der Schweiz kannte, liess meinen Schuhe keine Chance und durchnässten
    sie, vorbelastet durch den Regen und das nasse Terrain vorhin, innert
    wenigen Minuten. Nun wurde es richtig übel, denn die Schuhe meiner
    restlichen Gruppe waren natürlich noch viel schlimmer dran.
    Ich
    versuchte, die beiden irgendwie bei Laune zu halten und kochte für uns
    in einer Pause ungefähr zwei Liter Glückstee. Dieses warme Getränk tat
    wirklich unheimlich gut. Der Geschmack von Zimt und Honig kräftigte
    meinen Körper - zumindest für eine kurze Zeit.
    „Wir haben es bald!“,
    oder: „Nur noch ungefähr einen halben Kilometer!“, waren meine sich
    wiederholenden Zurufe. Dabei wusste ich nicht mal, ob wir es wirklich
    bald geschafft haben, denn irgendwann bemerkte ich tatsächlich, dass
    dieses blaue Symbol auf meinem GPS, welches ich seit Anfang der
    Wanderung anpeilte, gar keine Hütte war, sondern das Zeichen für den
    höchsten Punkt des Passes!
    Ich konnte meine eigene Dummheit selbst
    nicht fassen. Ein schnelles Vorankommen war nun unmöglich, man musste
    seine Schritte stets mit bedacht platzieren, zudem sank man im Schnee
    oder Matsch ständig ein, manchmal Knöcheltief.
    Ich beschleunigte mein
    Tempo trotzdem und lief den Polen davon, während ich mir selbst gut
    zuredete und mich fragte, wie ich meine neuste Erkenntnis mit dem GPS
    ihnen wohl erklären würde. Für einen Idioten würden sie mich dann
    halten, und ihr naives Urteil über mich als professioneller Schweizer
    Bergführer wäre dahin! Dies wollte ich auf keinen Fall riskieren. Im
    Notfall würde ich behaupten, die Hütte wurde wohl vom Wind abgetragen.



    Es
    ging noch ungefähr 20 Minuten so weiter, als ich in der Ferne plötzlich
    die Umrisse eines Dreiecks sah. Mein Herzschlag wurde schneller, ebenso
    wie mein Tempo. Dies konnte nur eine Hütte sein - Ich rannte los. Kurze
    Zeit später tauchte eine weitere Hütte aus dem Nebel hervor. Ich stand
    ehrfürchtig vor einem neuwertigen, aus Holz gebauten Konstrukt, welches
    ein silbernes Dach aus Aluminium besass. Ich rüttelte an der Tür - und
    sie war abgeschlossen. Doch dann überprüfte ich das Fenster und
    entdeckte einige Kerzen auf dem Sims, sowie Menschen innen drin! Sie
    winkten mich zu sich herein.
    Ich konnte es nicht fassen und machte
    mich auf zur anderen Seite der Hütte. Eine Art Veranda, bloss ohne Dach,
    war an der Vorderseite angebracht. Ich kletterte hinauf und öffnete die
    Tür. Sie gab mit einem Ruck nach und ich stand im Vorraum einer
    Holzhütte. Ich ging nochmals hinaus, winkte lachend den Polen, welche
    sich noch einige Meter zurück befanden, mit beiden Händen zu.



    In
    diesem Vorraum lagen überall nasse Kleider, Jacken und Rucksäcke. Der
    Boden war unheimlich schmutzig. Um komplizierte Beschreibungen zu
    vermeiden, zeige ich euch hier die Skizze des Grundrisses, welche ich
    auf der Reise anfertigte.



    Ich
    zog mich aus und wechselte meine Kleider komplett. Ich öffnete die Tür
    zum Gemeinschaftsraum und begegnete ungefähr 6 Menschen, wobei 4 davon
    die spanische Gruppe bildeten, welche uns vorhin überholt hatten. Sie
    befanden sich, und ich musste mich mehrmals bei ihnen überzeugen,
    bereits wieder im Aufbruch. Der Typ mit den kurzen Hosen hatte
    inzwischen blutende Knie. Ich bot ihm Verbandszeug an, doch er lehnte
    wie im Rausch ab und begab sich bereits zum Ausgang. Somit waren wir
    wenig später zu fünft in dem Raum. Die anderen zwei waren ein Pärchen
    aus Belgien.



    Ich
    zitterte immer noch am ganzen Leibe, und zwar aus purer Anstrengung.
    Nervös lief ich umher und suchte nach der ersten nun „angebrachten“
    Handlung. Das Gas der Hütte war leider ausgegangen, wie ich erfuhr, was
    mir jedoch eigentlich egal war. Es war warm und geschützt vor
    Feuchtigkeit, das war das wichtigste. Ich packte mein Kochset aus und
    kochte mir erstmal etwas. Ich glaube, ich hatte noch ein solch umfassend
    grosses, natürlich eingetretenes Glücksgefühl verspürt. Die Hütte war
    grosszügig ausgestattet und schien kaum älter als zwei Jahre zu sein.



    Im
    Verlauf des Abends kamen noch ungefähr 10 weitere Wanderer in der Hütte
    an, unter anderem auch die Franzosen aus dem Bus. Ich unterhielt mich
    mit einigen Menschen, fühlte mich jedoch nicht in der Lage,
    tiefgreifende Gespräche zu führen. Ich legte alle meine Sachen so aus,
    dass sie möglichst bald trockneten. Die Schuhe würden wohl kaum bis
    Morgen trocken sein, das war klar, jedoch würde die Jacke sich wohl ein
    wenig von der Nässe erholen.



    Somit
    legte ich mich bald schlafen in die obere Etage. Ich musste mich nach
    wie vor erst noch daran gewöhnen, dass es die ganze Nacht hell war. Vor
    allem auf diesem Pass war dies ein ziemlich schräges Gefühl. Ich musste
    mehrmals ausserhalb der Hütte pinkeln gehen, und jedes mal freute ich
    mich darauf, nach aussen zu treten und bloss von Schnee und Stille
    umgeben zu sein.
    Ich war unglaublich glücklich, diese Wanderung
    gestartet zu haben und erlebte wohl bereits am dritten Tag den absoluten
    Höhepunkt meiner Reise. Ein absoluter Erfolg zeichnete sich ab.

  • Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



    [SIZE=3]Tag 4: Abstieg nach Básar[/SIZE]


    Mein Rücken schmerzte und meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus schwerem Metall. Bei jedem Schritt erklang das Krachen des Eises unter meinen Sohlen. Ich bewegte mich in einem zähen Tempo vorwärts, mein Atem ging schnell und rasselnd.
    Der Weg wurde immer steiler. Leicht nach vorne gebückt trabte ich vorwärts, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und nach hinten zu fallen. Der mit Lava vermischte Schnee bot an einigen Stellen die Gefahr auszurutschen.



    Die Landschaft war indessen atemberaubend und strahlte etwas mysteriöses aus. Auch am heutigen Tage war alles in Nebel gehüllt und der ganze Boden war mehrheitlich mit einer Altschnee-Decke überzogen, welche inzwischen stark vereist war. Somit war praktisch alles in weisser Farbe und der Himmel konnte kaum vom Boden unterschieden werden.
    Den einen Hang bezwungen, stand bereits der Nächste davor.



    Ich seufzte angestrengt und warf erstmal meinen Rucksack nieder, setzte mich darauf und trank eine Schlücke aus meiner Wasserfalsche. Meine polnischen Begleiter, immer noch das Pärchen vom vorherigen Tag, tat dasselbe. Die Frau packte dabei einen riesigen Apfel aus, der den Eindruck machte, als stamme er direkt aus dem Labor. Wohl kaum ein Erzeugnis isländischer Landwirtschaft.



    Ja, meine Verfassung war in der Tat nicht die Beste. Die Wanderung von gestern steckte mir noch tief in den Knochen. Obwohl ich die Nacht als angenehm empfunden hatte und gut schlief, war ich trotzdem noch erschöpft. Meinen Begleiter ging es genauso. Trotzdem war die Laune bei allen gut und wir waren motiviert, heute den zweiten Teil zu schaffen. Die Uhr war bereits auf 10 Uhr. Alle Hüttenbewohner hatten lange geschlafen, so auch wir, doch trotzdem gehörten wir zu den Ersten, die aufbrachen. Eigentlich wollte ich den Abstieg erst alleine machen. Mir fehlte es bereits jetzt ein wenig, alleine unterwegs zu sein. Jedoch hatte ich dem Pärchenam Vortag versprochen, sie nach Básar zu führen.



    Abgesehen von meinen Schuhen, in denen meine Füsse bereits wieder wie in einem Sumpf zu schwimmen schienen, war meine Ausrüstung fast trocken. Nach dieser Pause machten wir uns auf, um zum höchsten Punkt dieses Hochplateaus zu kommen. Ich hätte nicht gedacht, dass der Anstieg noch so lange andauern würde. Völlig verwegen kam mir natürlich jetzt der Gedanke vor, die ganze Wanderung in einem Tag zu absolvieren. Ich bewunderte die gipfelstürmenden Spanier vom Vortag und fragte mich, wie die das wohl gemacht hatten.



    Nach über einer Stunde kamen wir dann endgültig oben an. Der Nebel war immer noch vorhanden, doch nun gab es tatsächlich eine kleine Lücke in der Wolkendecke und die Sonne schien ganz schüchtern hindurch. Einzelne blaue Stellen blitzten auf. Durch die Reflexion des Eises war eine Sonnenbrille hier ein hilfreiches Utensil.



    Wir durchquerten eine grössere Zone, welche völlig von Eis und Schnee befreit war. Hier war die Luft deutlich wärmer, und leichte Rauchschwaden zogen umher. Definitiv kein Nebel. Ob hier wohl ein ehemaliges Eruptionsgebiet lag? Zumindest schien hier irgendwas unter der Lavadecke zu sein, was Wärme erzeugt.



    Wir füllten unsere Wasservorräte an einem kleinen See auf, wobei dieser eher einer grossen Pfütze glich. Das Wasser schien nicht ganz klar zu sein, doch es schmeckte gut und wir fürchteten keine Gefahr.



    Der Abstieg selbst bot dann die wohl gefährlichsten Abschnitte der gesamten Tour. Ein extrem Steiler Hang leitete den Abstieg ein. Ich entschied mich nach kurzer Zeit, meine Beine einfach gehen zu lassen und zu rennen. So war der Energieverbrauch am geringsten und ich bewegte mich schnell. Zu schnell, denn ich konnte kaum mehr bremsen und stolperte prompt über einen grösseren Felsbrocken. Ich rappelte mich jedoch unverletzt wieder auf. Der Pole fiel gar hin, obwohl er mit dem Tempo einer Schnecke den Hang runter geschlichen kam.



    Dann standen wir plötzlich einem unglaublich abenteuerlichen Part gegenüber, es handelte sich um einen äusserst schmalen Weg, welcher direkt hinter einer grösseren Felsgruppe entlang führte. Wenige Zentimeter von diesen Felsen entfernt ging abfallend eines steilen Hanges bestimmt mehr als hundert Meter in die Tiefe. Immerhin wurde eine Metallkette an jeweils zwei Pfosten angebracht, so konnte man sich ein wenig absichern.



    Solche Abschnitte wiederholten sich noch ein paar Mal, danach war das Schlimmste wohl endgültig überstanden und wir konnten bereits in das Tal von Þórsmörk blicken. Und was uns hier für ein Anblick geboten wurde! Die Wolkendecke riss nun immer weiter auf und durch die blauen Lücken strahlte das gleissende Sonnenlicht zur Erde.



    Eine klare und beinahe unbegrenzte Sicht liess den Horizont genau erkennen. Die Schönheit dieses Tals ist schwer zu beschreiben. Die farbliche Vielseitigkeit des Gebirges, eine ungewöhnlich üppige Vegetation, alles begleitet durch die friedliche Geräuschkulisse bestehend aus dem Rauschen der Krossá weit unten im Tal und dem Gezwitscher einiger Vögel. Man konnte durchaus meinen, dass man sich hier in einem tropischen Gebiet befindet.



    Wir verlangsamten unser Tempo und hielten immer wieder inne, um diese zauberhafte Atmosphäre zu geniessen. Ich legte mich wie ein Faultier auf das weiche Moos und liess mein Körper von der Sonne erwärmen. Man, tat das gut! Wir hatten es nun also tatsächlich geschafft und befanden uns in der absoluten Endphase unserer Wanderung.


  • Ich konnte es mir auf keinen Fall vorstellen, nun noch weiter zu wandern, etwa bis Landmannalaugar. Dazu waren meine Energiereserven gerade zu niedrig. Ich wollte mich langsam abkapseln von meinen polnischen Freunden und auf eigene Faust weiterziehen.




    Im Tal verabschiedete ich mich erstmal von ihnen, natürlich nicht ohne ihnen zu danken und das Beste auf ihrer weiteren Reise zu wünschen. Ich setzte mich irgendwo ins Gras und zog meine Nassen Schuhe aus. Jetzt kamen meine Crocs zu einem ersten grösseren Einsatz. Ich ass einen Kübel voller Corn Flakes und beobachtete meine Umwelt.
    Hier in Básar gab es einen kleinen Zeltplatz mit Duschen und WC. Entlang eines Kiesweges gab es mehrere Bänke und Tische, auch Grillstellen waren vorhanden. Es existierte eine geräumige Hütte, welche wohl als Gemeinschaftsraum des Camping-Platzes diente.
    Ging man weiter dem Weg entlang, stiess man dann auf die eigentliche Hütte von Básar, welche Übernachtungsmöglichkeiten bot. Viele Geländewagen durchquerten hier das Gebiet, einer grösser und ulkiger als der andere. Manche konnte man auch bereits als Lastwagen bezeichnen. Auch sonst herrschte hier reger Betrieb, zwar hatte es nach wie vor und überall nicht so viele Touristen, hier aber doch eine erhöhte Anzahl.
    Ich war ein wenig unmotiviert und unschlüssig über den weiteren Verlauf meiner Reise. Wie bereits erwähnt, war ich mir bewusst, dass diese Wanderung wahrscheinlich einer der Höhepunkte meiner gesamten Reise war und das Erlebnisgefühl nun erstmal wieder ein wenig abflachen würde. Somit tat sich natürlich ein kleines Loch auf, womit ich mich erst mal abfinden musste, denn diese Wanderung war eigentlich genau das, was ich erleben wollte: Ein ultimatives Abenteuer, fernab von meinem Alltag in der mehr oder weniger unberührten Natur dieser Insel. Natürlich hatte ich jetzt Blut geleckt und wollte unbedingt noch die eine oder andere Wanderung durchführen, idealerweise natürlich über mehere Tage hinweg.
    Doch erstmal musste ich zurück auf die Ringstrasse, vorbei an Skogar, weiter Richtung Osten. Wahrscheinlich würde mein nächster Stopp Vik sein, eine kleine Ortschaft direkt am Meer. Ich entschied mich jedoch, nicht hier zu bleiben und nahm wenig später den Bus. Die Fahrt führte durch das Krossá-Ebene und es gab mehrere Flussläufe zu furten. Der Bus war ausgestattet mit Off-Road rädern, somit war das Durchqueren kein Problem. Bei der nächsten Haltestation stieg ich aus und befand mich dann auf einem unglaublich idyllischen Campingplatz, welcher den schönen Namen Húsadalur trug.



    Es es handelte sich jedoch nicht bloss um ein Zeltplatz, es gab auch mehrere Hütten und Zimmer, welche nur darauf warteten, gemietet zu werden. Mit 8000 ISK pro Nacht waren die Zimmer für mein Budget jedoch zu teuer, während ich den Preis für eine Hütte an dieser Stelle gar nicht zu erwähnen brauche.
    Ich entschied mich für mein ach so geliebtes Zelt und bezahlte dafür nur 1500 ISK. Der Service, welcher hier geboten wurde war nahezu Luxus. Das Hauptgebäude war Rezeption, Restaurant, Shop und Gemeinschaftsraum zugleich. Zu jeder Tageszeit wurden hausgemachte Speisen serviert, welche an den grosszügigen Tischen verzehrt werden konnten. Am Morgen ein Frühstücksbuffet und am Mittag und Abend ein Tagesmenü. Dazwischen stand immer Kaffe und Kuchen bereit. Zudem gab es eine Lese-Ecke mit bequemen Couches und Sessel.
    Wer auf seiner bisherigen Reise das Gefühl bekam, nicht gut ausgerüstet zu sein, konnte sich hier mit lokal hergestellten Kleidungsstücken aus Wolle eindecken. Doch auch Trinkflaschen und Wanderstöcke konnte man erwerben. Angrenzend zum Hauptgebäude gab es WC und Duschen. Die Duschen konnten ohne weitere Bezahlung benutzt werden. Und - Es war eine Sauna vorhanden! Diese konnte man nach Bedarf selbst einschalten.
    Der Zeltplatz war windgeschützt und man fühlte sich praktisch so, als würde man in der Wildnis zelten.



    Nachdem ich mein Zelt aufgebaut hatte, legte ich mich erstmal hin, entspannte mich und verarbeitete das Erlebte. Hier, fernab von meiner Heimat gefiel es mir minutenlang einfach dazuliegen und in meiner eigenen Gedankenwelt umherzuwandeln. Ein Gefühl von Ungebundenheit strömte durch meinen Körper. Ich war begeistert und äusserst zufrieden mit dem bisherigen Verlauf meiner Reise und ich freute mich auf die bevorstehende Zeit.
    Später machte ich mich auf zum Duschen, um anschliessend Gebrauch von der Sauna zu machen. Ich schwatzte mit einigen Leuten und tauschte Erfahrungen auf. Nicht überraschend war bei allen, welche die Wanderung über den Fimmvörðuháls machten die begeisterte Erwähnung der Holzbrücke, die über den reissenden Fluss führte. Jeder schien ungefähr die selben Stellen als besonders knifflig empfunden zu haben und man verstand sich sofort.
    Am Abend erreichte eine grosse Reit-Gruppe den Zeltplatz. Die ungefähr 20 Pferde wurden hier in ein Lager gebracht. Das Wetter war leider nicht mehr sonnig und es ging ein starker Wind. Ich hoffte darauf, dass in der Nacht kein Regen fallen würde.
    Später setzte ich mich in den Gemeinschaftsraum und genoss hausgemachten Schokoladenkuchen sowie Kaffe. Ich hatte genügend Zeit, um einige Einträge in mein Tagebuch zu machen und in meinem Buch zu lesen. Morgen würde es weiter gehen, wieder musste ich früh aufstehen um den Bus zu erwischen. Voller Erwartungen legte ich mich bald hundemüde in mein Zelt und schlief augenblicklich ein.

  • ...diesmal zwar kein halberter krimi á la letztes mal (wanderung mit polen) aber immer wieder schön von dir zu lesen. freu mich immer schon auf die naechste folge, und bin schon gespannt was du noch so alles erlebst, und ob du die sonne noch irgentwann findest ;)


    gruss konfusia (die ihren sommer -wie es sich gehört- nichtstuend in der sonne im warmen bayern verbracht hat ;)

  • Vielen Dank für den spannenden Reisebericht, die Informationen und Erfahrungen.
    Was die Fotoausrüstung anbelangt, habe ich jedoch einige Fragen:
    Ich habe gar nicht gewusst, dass es ein Zoom 21-105 von Canon gibt.
    Das Walimes, Samyang 14 mm zeichnet mit den meisten Kameras extrem scharf, schon bei offener Blende.
    Wenn du damit nicht zufrieden bist, ist das Objektiv defekt oder es ist mit dem Kameramodell nicht gut kompatibel.
    Die Brennweite beträgt 14 mm und kann nicht verstellt werden.


    Gruß alf

  • Mir ist übrigens aufgefallen, dass ich in diesem Forum doch tatsächlich den Tag 5 verfrüht gepostet habe. Natürlich folgt erst Tag 4 und somit der Abstieg nach Basar. Die zwei neusten Posts wurden also editiert und Tag 6 folgt dann nächste Woche.
    Schnee--Smiley

    Du hast natürlich Recht, das 21-105 von Canon existiert einzig und alleine in meinem Kopf. Ich meinte das 24-105!
    Die Schärfe hatte ich beim Walimex auch gar nicht beanstandet. Die ist soweit wirklich in Ordnung. Als störend empfand ich das manuelle Einstellen der Blende sowie das manuelle Fokussieren mit verstellen der Brennweite. Hier hatte ich jeweils gar das Gefühl, dass die Angaben auf dem Objektiv gar nicht stimmen. Las ich auch auf diversen Seiten.
    Ebenfalls abartig sind die Verzeichnungen, welche sich zwar mit PTLens nachträglich ausbessern lassen.


    Mag sein, dass mein Urteil mit "unterdurchschnittlich schlecht" ein wenig übertrieben ist. Im Vergleich zu Canon's L - Serie kann sie halt nicht mithalten, kann man jedoch für diesen Preis auch nicht erwarten.
    Somit: Wer eine billige Ultraweitwinkel-Lösung sucht und dabei nicht zu viel Geld ausgeben möchte, macht eigentlich nichts falsch. Ansonsten ist das 14mm der L-Serie von Canon natürlich das Vorzeigemodell, mit dem 5-fachen Preis jedoch auch einiges teurer.

  • Aaaah... Hatte ich mir doch gedacht....."da fehlt doch was!!!! Wie kommt der kerl da wieder weg??" jetzt weiss ichs, und freu mich auf die fortsetzung :)

  • wow, echt ein mitreisender bericht!
    habe selbst vor fuer 3 wochen eigenstaendig auf island unterwegs zu sein, kann mich da schon sehr gut reinversetzen!
    der laugavegur steht natuerlich auch auf meinem plan wenn das wetter mitmacht, bei mir geht es naechste woche los :)


    aber nochmal zum bericht: tolle bilder und tolle eindruecke, macht spass zu lesen!
    gruesse aus norge,
    roland