Westfjorde im September 2017- ein Reisetagebuch

  • Eine Einführung und Leseprobe des am Sonntag startenden Reiseberichts

    Die Intention, die hinter dem folgenden Reisebericht aus dem Jahr 2017 stand, war, die Basis für einen Roman zu schaffen, den ich in meinem Rentenalter schreiben wollte. Er sollte meine Islandreisen betreffen und Eckpunkte aufnehmen, die mich bei meinen Reisen und in meinem Leben so umtrieben, in Verbindung mit Geschehnissen, die man beobachtet, selbst erlebt oder irgendwo gelesen hat. Wo sollte es besser funktionieren, als in einem Urlaub auf Island. Einer dieser Eckpunkte, die in dem Reisetagebuch Eingang fanden, war mein inneres „Ich“, das sich immer wieder zu Wort meldete, so auch vor und im Urlaub. Memoiren, wie sie schon so vielfach geschrieben und beschrieben und auch heftige Kritik erfahren haben, sollten es nicht werden. Aber das Geschriebene sollte, wie schon gesagt, vergangene Lebensinhalte und Erlebnisse aufgreifen, persönliche Empfindungen nicht ausgeschlossen

    Bei diesem Vorsatz ist es aber bis heute geblieben. Bei meiner 2021 erfolgten Islandreise mit zwei Fotofreunden hatte ich zwar einen zweiten Anlauf unternommen und Vorkommnisse sowie meine Gedanken dazu niedergeschrieben, wobei ich mich selbst in der Kritik sah, was wiederum durch mein inneres „Ich“ hervorgerufen wurde, das hier glasklar die Schuld an meinem Handeln, Äußerungen und Gedanken trug. Er sollte ebenfalls im Sande verlaufen. Der Grund hierfür war, dass ich mir kein Pseudonym überlegt hatte und infolge dessen sofort als „Täter“ entlarvt wurde. Ich werde wohl nicht darum herum kommen ein Pseudonym zu verwenden, obwohl es immer so schön heißt: Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig. Also werde ich in Zukunft wieder alleine Reisen, um jeglichen Gefahren konsequent aus dem Wege zu gehen.

    Aber dieser Roman wird wohl nie in Druck gehen, es sei denn post mortem, dann kann alles ohne Konsequenzen für mich publiziert werden – „Ich werde mir mal Gedanken darüber machen, welcher Notar dafür in Frage kommt“, hörte ich eine Stimme aus dem Hintergrund. Ah...., da bist Du ja wieder mein ungeliebter Bruder in mir ! Na gut, es besteht dann immer noch die Gefahr, dass das Buch wegen Anstiftung zu Straftaten wieder aus dem Verkehr gezogen wird. „Also auch einen Rechtsanwalt ?“ Shut up !


    Man kann ja keinen klaren Gedanken fassen. Also, was ich damit meine, könnt ihr sicher bald erahnen. Ach nein, könnt ihr nicht, ich habe entsprechende Passagen aus dem Text rausgenommen, war mir zu gefährlich. Insofern mag dieser etwas an Flüssigkeit verloren haben.


    Ab übermorgen gibt es dann somit erst einmal einen geschminkten und stark gekürzten Island-Reisebericht, der später mal eine spannende Geschichte werden soll.


    Anmerkungen jeglicher Art sind gerne willkommen, werden sogleich alle in meinem Buch verarbeitet.

  • Island, Westfjorde, 14. bis 23.09.2017

    Ein sehr persönlicher Reisebericht

    Bildungsurlaub für das andere „Ich“


    Beruflich und an Haus- und Gartenarbeit lag soviel an, dass ich bis zum letzten Tag keinen Gedanken an meinen Urlaub verschwenden konnte. Ja, es war mein Urlaub ! Jeglicher Versuch meine Frau mit nach Island zu bekommen scheiterte schon im Ansatz. Seit einem Norwegenurlaub vor 25 Jahren, der kühl und absolut verregnet war, ist das Thema durch, was Länder anbetrifft die nördlich dem 58. Breitengrad liegen. Zudem mag sie keine längeren Autofahrten und vor allem keine schlechten Straßenverhältnisse Dieser Punkt ist auf Island kaum zu umgehen. Schlimmer aber wiegt, dass meine Frau zwar meine Freude an der Fotografie toleriert, nicht aber dafür wirklich, sagen wir mal, Sympathie äußert. Bei heimatlichen Ausflügen passiert es häufig, dass ich, wenn ich für ein Foto einen Moment an einem Ort etwas länger verweile, meine Frau mit dem Handy wiedersuchen muss. Schließlich mag sie auch keine Thermalbäder und in einem Hot Pot auf der Terrasse sitzen schon gar nicht. Somit waren alle Ausschlusskriterien erfüllt, sie jemals mit nach Island nehmen zu wollen. Dabei habe ich über 20 Jahre ihre Vorlieben geteilt und alle südlich gelegenen Urlaubswünsche gerne mit ihr genossen. Lediglich einmal wollte sie unbedingt mit nach Island, als wir in einer 3er-Fotogruppe reisen wollten, in der eine fremde Frau integriert war. Der Ausgang war unberechenbar, aber auf jeden Fall wäre er nicht positiv gewesen. Ich legte mein entschiedenes Veto ein, was aber wiederum auch Unfrieden einbrachte. Seit der Zeit machte sich bei mir ein Mitbewohner breit, der sonst nur gelegentlich vorbeikam. Mein innerer Bruder, ein Verbündeter meiner Frau, der nur Stress macht und negativ drauf ist. Somit gehen wir, was den Urlaub anbetrifft, einmal im Jahr getrennte Wege. Das Thema Island mit meiner Frau war durch.


    Somit packte ich wieder einmal den Koffer für mich allein. Es war eigentlich, bis auf Kleinigkeiten, alles vorhanden, was ich brauchte. Das einzige was ich mir in weiser Voraussicht zum Geburtstag habe schenken lassen, war eine Wetterdichte Jacke mit separatem Vlies-Innenteil, von Nick Fuchsgesicht, wenn ich mich richtig erinnere. Aber was sind schon Namen, Hauptsache sie erfüllt ihren Zweck. An meiner alten Jacke war das Beste von ab, - war auch ein Billigmodell, hat nur 5 Jahre überstanden. Ich sag ja immer: “Wer billig kauft, kauft zweimal“. Wenn ich jedoch den Preis für die neue Jacke zugrunde lege, den ich kannte, muss diese über meinen Tod hinaus halten, d. h. die Kinder müssen sie noch ein paar Jahre tragen, wobei ich mindestens 100 Jahre alt werden muss – ihr versteht, was ich meine!


    Na gut, also, ansonsten wurde am letzten Tag eingepackt was ich an Fotoequipment brauchte ­̶ sollte ja ein Erholungs- und Fotourlaub für mich allein werden. Eigentlich hätte ich auch nur Fotourlaub schreiben können, weil, Erholungsurlaub ist ja das Gleiche. Andere Sachen waren nebensächlich. Das Problem dabei waren nur die Gepäckbestimmungen der Airline. 20 Kg durfte der Koffer wiegen, 6 Kilo das Handgepäck. Zusätzlich war noch eine Laptoptasche erlaubt, Gott sei Dank ohne Kilobegrenzung.


    Zunächst kam aufgrund der Größe das Fotostativ in den Koffer. Als der Fotorucksack gepackt war, befanden sich doch tatsächlich 12,5 Kg darin. Merde ! Dann eben die Hälfte wieder raus! Zwei Objektive, Ladegeräte- und Blitz verließen den Rucksack in Richtung Koffer, alle Akkus, Batterien und Kabel wanderten in die Laptoptasche, ebenso die externen Festplatten, so schrieben es die Transportbedingungen vor. Jetzt passte es. Dafür wurden alle Schuhe und Pullover aus dem Koffer entfernt. 10 Unterhosen, Hemden und Socken wurden als Verpackungsmaterial für die teuren Objektive im Koffer verwendet. Ein paar T- und Sweatshirts hatten dieselbe Funktion. Noch eine Hose und die Kosmetiktasche, fertig! Jacke und Wanderschuhe wurden angezogen.



    19,8 Kg – perfekt ! Naja fast, der Fotorucksack hatte immer noch 9 Kg. Wenn die bei der Gepäckabfertigung Ärger machen, sage ich denen, dass ich in der Voraussicht, dass das mit dem Gepäck nicht so ganz passen könnte, 5 Kilogramm abgenommen habe. Ob nun in der Gepäckablage 50 cm über mir oder direkt in mir Übergewicht herrscht, dürfte doch egal sein. Meine Frau fand die Idee mit dem Abnehmen auf jeden Fall sehr gut. Ich glaube, diesen Einwand werde ich nicht bringen, versteht vielleicht nicht jeder. Notfalls kommen die zwei Ersatzkameras in die Jackentasche

  • 18.45 Uhr, auf geht’s, diesmal ab Bremen. 75 Minuten Fahrzeit wurden eingeplant und eingehalten. Den QR-Code des Online-Tickets vor den Scanner des Automaten der Parkgarage gehalten – nichts passiert. Noch gefühlte 110 mal gedreht und gewendet, vergeblich! Geklingelt – keiner da ! Das fängt ja gut an! Dann eben Ticket gezogen und rein – das Problem hatte ich vor Jahren schon mal, wurde dann einfach per Hand bei der Ausfahrt eingelesen und freigeschaltet.


    Das Gepäck ging dann einwandfrei durch, sowohl bei der Gepäckabgabe als auch bei der Sicherheitskontrolle. Hier gab es allerdings doch ein kleines Problem; ich musste meinen Gürtel aus der Hose ziehen. Spätestens beim Ganzkörperscanner sah ich das ganz große Risiko, dass mir mein unteres Kleidungsstück auf die Schuhe rutschen würde, musste ja die Arme bei dem Gerät abwinkeln und konnte die Hose nicht halten. Ich hatte ja 5 Kg abgenommen. Es ging aber alles gut. Das Bording begann pünktlich. Eine Viertelstunde vor dem offiziellen Abflugtermin kam vom Piloten die Durchsage: „Boarding completed, wir starten 10 Minuten eher“. Kein Wunder, mit den Passagieren hätte man gerade mal zwei Fußballmanschaften incl. Ersatzspieler vollbekommen. Ich hatte einen Fensterplatz und die ganze Reihe für mich allein. Der Pilot hatte es eilig! In einem Affenzahn bog er auf die Startbahn ein und gab dann sofort ohne Halt Vollschub. Time is Money! Auf Island kamen wir dann sogar 20 Minuten früher als geplant an. Das passte mir gut in’s Konzept! Ich wollte nämlich sofort nach Erhalt des Autos durchstarten, mir ein tolles Vordergrundmotiv suchen um dann die angesagten Polarlichter fotografieren zu können. Laut „Vedur.is“ stand die Vorhersage für Polarlichter auf „Level 6“, dazu sollte es sternenklaren Himmel geben. So, nun schnell, wie laut Buchungsbestätigung angegeben, gucken, wer mich „persönlich im Flughafengebäude empfängt“.


    Nichts passiert, keiner mit einem Schild, auf dem mein Name steht. Nicht ärgern Klaus, hast ja Urlaub! Nach einer Weile die anderen Anbieter gefragt, keiner kannte meinen Autovermieter – die Tefonnummer auf dem Bestätigungdschreiben angerufen – ebenfalls Fehlanzeige. Gut, vielleicht weiß die Information etwas. „Ja, aber sicher doch, für den Anbieter ist Europecar hier am Flughafenschalter zuständig!“. Ich musste meinen Ärger unterdrücken, dass das weder mündlich mitgeteilt wurde, noch schriftlich irgendwo fixiert ist. Nein, nicht ärgern, freuen über das, was man hat und nicht ärgern über das, was man hätte haben können. Richtig, ich hab Urlaub! Freuen wir uns auf die angesagten Polarlichter. Ach ja, ich vergaß zu sagen, dass ich noch jemandem im Gepäck hatte; wir, das sind ich und mein anderes „Ich“. Das war eben auch das andere „Ich“, was mich ärgern lassen wollte. Das war auch ein Zweck dieses Urlaubs, dass ich diesem Kameraden in mir seine Spielchen austreiben wollte. In letzter Zeit ließ es mich immer Dinge anzweifeln, die ich tat und verunsicherte mich total, das wollte ich ändern. Ich wollte mein Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wiedererlangen.


    Um 00.10 saß das positive „ich“ im Auto! Zunächst wurde auf direktem Weg Vatnsnes angesteuert um alles nachzuholen, was 2014 bei Sturm und horizontal fliegendem Regen ausfallen musste. Im Flugzeug hatte ich knappe drei Stunden geschlafen, das reichte erst einmal. Alle Nase lang habe ich angehalten und nach oben gesehen, aber es gab keine Polarlichter. Dann eben nicht ! Am kommenden Abend sollte der Aktivitätslevel noch genauso hoch sein, meinte Aurora forecast.is. Wolken waren dort auch nicht angesagt. Also nur Freude verschoben.


    Um 4.30 Uhr erreichte ich zur „Blauen Stunde“ den Hafen von Hvammstangi auf der Halbinsel Vatnsnes. Im Hafen lag das Ausflugsboot Brimill, das regelmäßig Touristen zu den dort existierenden Robbenbänken fährt.


  • Erste Fotos wurden gemacht. Dann steuerte ich das Auto auf einen Parkplatz und hielt ein kleines Nickerchen. Als ich gefühlt irgendwann aufwachte, war es gerade mal 20 Minuten später und immer noch dunkel. Ich holte meinen Proviant aus dem Gepäck und frühstückte in Ruhe. Ich sah mich danach erst einmal im Hafen um und entdeckte eine große Güterwaage mit einem dazugehörigen Häuschen und einer Laterne, die den ganzen Platz ausleuchtete. In der reduzierten nächtlichen Farbgebung war es ein „Must have“ für mein Fotoauge.



    Mein anderes „Ich“ verhielt sich auffällig ruhig, war wohl noch am Schlafen. Na dann scheine ich ja noch alles richtig zu machen. Ich hatte mich um 17.00 Uhr im Ferienhaus in Hlíd bei Búdardalur angemeldet, somit also reichlich Zeit zum Fotografieren. Und.... der Tag wurde ein Traum ! Erst war es traumhaft kalt, minus 2°, alles weiß, sogar die Champignons in den Weiden waren gefroren. Die Kapuze an meiner Jacke hielt auch nicht wirklich warm. Meine Pudelmütze ...? Lag im offenen Handschuhfach meines Autos am Flughafen in Bremen. Sie sah mich bei der Hinfahrt immer wieder an und sagte: „Nimm mich mit“. Da schlug wieder mein anderes „Ich“ zu. „Brauchst Du nicht und denk an das Übergewicht des Gepäcks, pro Kilo 19 Euro pro Strecke“. Dabei wog sie gerade einmal 200 Gramm.



    Das Wetter zeigte sich an diesem Morgen aber von der besten Seite. Das rötlichgoldene Morgenlicht der aufgehenden Sonne tauchte die Motive ein, die sonst nicht wahrgenommen wurden und verzauberte sie zu Märchenfiguren. Es wurde schnell wärmer, so dass das andere „Ich“ mit der Pudelmütze letztlich Recht behalten sollte. Die aufgesuchten Robbenbänke waren, wie schon 2014, alle leer, obwohl Ebbe war. Aber es gab andere Motive.


    Zunächst fiel mir eine kleine blaue Hütte auf, deren Farbe zum Teil schon der Witterung zum Opfer gefallen war. Sie war nicht größer als eine Spielhüte für Kinder, hatte aber sicher einen anderen Zweck. Ich hatte sie schon 2014 gesehen, wobei sie damals im strömenden Regen keine Ausstrahlung besaß.




    Nun musste sie mit und wanderte auf CF-Speicherkarte. Unweit entfernt sah ich dann auf einer Wiese vor der Küste zwei bäuerliche Wirtschaftsgebäude stehen. Auch von dieser Szene wurden Fotos gemacht. In dem davor liegenden und zum Meer führenden tiefen Graben leuchtete das goldgelbe Gras des frühen Herbstes.




    Ich genoss den Anblick eine Zeit lang und fuhr bald wieder los, um weitere Motive in diesem Licht zu erfassen. Als nächstes stand der Leuchtturm von Skard auf meiner Liste. Da meldete „Es“ sich wieder: „Was willst Du mit noch einem Leuchtturm, ist doch unspannend, fotografiert doch jeder, sehen doch alle gleich aus. Hast du einen gesehen, hast du alle gesehen“.




    Ich wusste, dass ich auch heute keine Ruhe vor ihm haben werde. Heute mache ich es mal wie meine Frau, antworte nicht und sitze einfach das Problem aus und fotografiere weiter. Ich habe das von ihr abgekuckt, sie ist da eine „gute“ Lehrmeisterin. Bei ihr funktioniert das auch immer, da ich immer derjenige bin, der nachgibt. Auch was meine Reisen nach Island anbetrifft, mache ich nichts anderes, wobei ich es nur anders nenne: Einfach mal Ruhe haben. Mit dem anderen Knaben in meinem Gepäck muss ich das aber noch klären

  • Ich fuhr die 911 weiter Richtung Norden und hielt erst wieder am Hamarsrétt, ein Schafspferch in einer Bucht direkt am Meer. Das Licht war immer noch traumhaft.




    Nachdem ich zahlreiche Fotos gemacht hatte, setzte ich mich auf einen Felsen und nahm ein zweites Frühstück zu mir, bevor es weiterging. Das weiche Morgenlicht hielt noch eine ganze Weile. Das war auch gut so, denn es folgte ein Motiv nach dem anderen. Ich war einfach begeistert von diesem Tag, der erst begonnen hatte und er sollte noch viel mehr parat haben.


    Ich saß kaum im Auto, als ich linker Hand ein Gestell mit Trockenfisch sah. Ich hielt abermals an. Auch dieses Motiv wollte ich mir nicht entgehen lassen.



    Es folgte eine halbe Stunde Fahrt mit isländischen Interpreten, wie Kaleo oder Mammút, aus dem CD-Spieler, ohne dass mich etwas gezwungen hätte, auf die Bremse zu treten. Bis das nächste Motiv mir ins Auge fiel. Es waren große, aus Steinen aufgesetzte, und mit Beton verstrichen Landmarken, die in ihrem gelben Anstrich weithin sichtbar waren. Ein paar Schafe davor machten die Szene komplett. Und immer noch herrschte ein wunderbares Licht.



    Es war inzwischen 7.00 Uhr geworden. Weit und breit war kein Mensch und kein Auto zu sehen. Im Moment gehörte das Gesehene mir ganz allein. Ich genoss die Ruhe und wollte, dass dieser Zustand nie enden mochte.. „Was für ein unrealistisches Ansinnen Du schon wieder hast“, vernahm ich eine Stimme, die ich heute eigentlich nicht mehr hören wollte. Nein, ich wollte sie gar nicht mehr hören. „Come down, come down !“. Würde ich ja gerne, wenn Du mich lässt. „Es“ war eingeschnappt und gab Ruhe.


    Hvítserkur war der nächste Anlaufpunkt. Ich erreichte diese Felsformation an der Ostküste der Halbinsel noch bei Ebbe und konnte mir den Felsen ausgiebig trockenen Fußes aus der Nähe ansehen. 2014 stand ich im Sturm und horizontalem Regen auf dem Parkplatz, der oberhalb der Küste gelegen war, und habe den Versuch aufgegeben, sie aufzusuchen. Ich hätte damals fast meinen Urlaub abbrechen müssen, nachdem beim Versuch aus dem Auto auszusteigen, mir der Wind fast die Fahrertür aus der Hand gerissen hätte. Das wäre nicht nur teuer geworden, sondern hätte auch viel Zeit in Anspruch genommen. Nun stand ich bei bestem Wetter allein vor dem Fels.


    Obwohl die wörtliche Übersetzung von Hvítserkur, wegen der Bedeckung des Felsens durch den weißen Kot der Vögel die dort nisten, „Weißes Hemd“ bedeutet, sieht der Fels eher aus, wie eine Kuh, die am Trinken ist. Nach Ansicht einer Gruppe von Touristen, die vor mir da gewesen sein mussten, sollte es sich um kein weibliches Tier, sondern um einen Stier gehandelt haben. Ja, gehandelt haben, denn jetzt ist es definitiv nur noch ein Ochse. Die Hoden hatten sie ihm abgeschnitten und deutlich sichtbar in den Sandstrand platziert. Da blieb sogar meinem anderen „Ich“ die Sprache weg.


  • Nach diesem amüsanten Bild und etwa einer Stunde fuhr ich weiter. Es war immer noch die 711, aber auf der Ostseite Richtung Süden, auf der ich unterwegs war, bog dann aber nach links auf die 717 ab. Ich hielt bei Borgarvirki. Bei diesem Ort handelt es sich um eine der wenigen bisher entdeckten mittelalterlichen Festungen des 10. – 11. Jh., die hier auf einem Plateau aus Basaltsäulen errichtet wurde.



    Nach kurzer Zeit fuhr ich weiter und folgte dann 1 nach Südwesten. Später ging es rechts ab auf die 68 und dann links auf die 59. Nach einigen Stopps, bei denen ich u.a. Pferde fotografiert habe,



    erreichte ich gegen Mittag Búðardalur. Im kleinen Hafen segelten gerade eine Anzahl an Möven flach über das fast spiegelglatte Wasser. Das hatte eine unheimlich entspannende Wirkung und war einige Fotos wert.



    Wie sollte es weitergehen, ich hatte noch viel Zeit. Ich schaute einfach ins Navi, was es an Sehenswürdigkeiten in der Nähe gab. Keine 20 Minuten entfernt lag Eiríksstaðir, das ehemalige Gehöft von Eirík Þorvaldsson, bekannt als Erik der Rote, im Haukadalur. Ich bog von der 60 ab auf die 586, die ins Tal führte. Vor mir sah ich linker Hand das aus Torfsoden aufgebaute Haus mit Grasdach.



    So früh morgens herrscht eine besondere Atmosphäre, zumal ich allein an den Orten alles in Ruhe auf mich einwirken lassen konnte, so auch hier. Dann fuhr ich weiter und hielt kurz an der Abzweigung, die an einer Brücke lag und die alte Straße darstellte, die heute mit einem „F“ gekennzeichnet ist und nur für Allradfahrzeuge zugelassen ist. Da ich einen Jimny fuhr, bog ich hier ab und fuhr die F586 weiter. Auf einmal hörte ich es rauschen. Ich dachte sofort an einen Wasserfall, hielt zur Einfahrt eines Wirtschaftsweges und ging zum Fluss, der auf der rechten Seite der Fahrbahn lag. Ich bewegte mich zwischen Zwergsträuchern auf einem Schafsweg und sah die Sträucher voller Heidelbeeren. Die mussten verzehrt werden - lecker. Dann sah ich den Wasserfall, wie er in drei Läufen in eine kleine Schlucht rauschte. Was ich jetzt erblickte, hatte ich zuvor noch nie gesehen. Die Sonne formte durch ihre Strahlen einen „Halo“, einen runden Lichteffekt um den Wasserfall. Ein einzigartiges Bild !



    Es war Mitte September in den Westfjorden, insofern kein Wunder, dass ich abseits der Hauptstraßen stundenlang fuhr ohne jemanden zu begegnen. Am ersten Tag schon hatte ich das Gefühl, ich wäre bereits eine Woche in Urlaub. Ich war angekommen auf Wohlfühllevel 10. Auf der Speicherkarte befanden sich gefühlte 1000 klasse Fotos, dabei hatte ich nur 300 Aufnahmen von 30 Motiven gemacht. Die möglicherweise noch kommenden Polarlichter sah ich jetzt schon als Zugabe.


  • Abends am Fereinhaus angekommen, wurde erst einmal alles eingeräumt und Brote geschmiert, - ich hatte hunger. Ich hatte auch keine rechte Lust mehr auf’s Fotografieren, guckte dennoch immer wieder mal nach draußen, ob etwas am Himmel zu sehen war. Nee, gab nichts zu sehen, der Himmel hatte sich zugezogen, obwohl die Vorhersage ganz anders ausgesehen hatte. Dann wurde die Speicherkarte gesichert, der Akku geladen und noch mal kurz in’s Internet geschaut, wie es morgen aussehen soll. Da sehe ich, dass der Level für Polarlichter heute auf „7“ gesetzt worden ist. Da meldet sich das andere „Ich“ wieder. Das musst Du ausnutzen - 7 - !!!... strong!! Ich lasse mich unterkriegen, packe die Fotosachen in’s Auto und fahre ca. 100 Km nach Nordosten, bis die Wolkendecke aufreisst und ich einen blauen Himmel zu sehen bekomme. Es wird dunkel und zwei Stunden später zieht es auch hier zu. Also alles umsonst. Weit und breit keine Polarlichter. Es macht mir aber nichts aus. Dann eben ein anderes Mal. In der Hütte wieder angekommen noch mal in die Vorschau gesehen, äh..., was ist das denn. Auf einmal steht da nur noch „Level 4“ für heute. Würfeln die da bei „Vedur.is“ oder halten die Leute das wie die Bauern mit dem Hahn: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist“.


    Ich verlass mich in Zukunft nicht mehr auf den Hahn und mein anderes „Ich“ kann mir gestohlen bleiben.


    Der nächste Tag.


    Eigentlich stand heute ein zweistündiger Rundflug über die Westfjorde mit Haraldur Diego an (nachträgliche Anm..: mein lieber Freund und Pilot Haraldur starb mit drei Passagieren an Bord im Jahr 2022 bei einem Unglück mit seinem Flugzeug am Þingvallavatn. Die Ursache wurde bis heute nicht abschließend geklärt). Gestern kam leider die Nachricht, dass er einen anderen Termin dazwischen schieben musste. Aber es wäre auch ohnehin kaum möglich gewesen zu fliegen, da sehr starke und böige Winde angesagt wurden. Kein Problem, halt ein anderes Mal.


    Es regnet ! In aller Ruhe wird gefrühstückt und anschließend die Fotosachen in das Auto gepackt. "Schlechte Fotos bei gutem Wetter kann jeder, gute Fotos bei schlechtem Wetter zeichnet den guten Fotografen aus" (© das andere „Ich“). Das Wetter und ich haben uns durchgesetzt, es hörte auf zu regnen. Es war zwar bedeckt, aber ein strukturierter dunkelblauer Himmel mit einzelnen Lücken.



    Das sollte aber nicht so bleiben, - es wurde besser, viel besser. „Um nicht zu sagen unerträglich schön !“. Wer hat das gesagt ? Na, bleib Du ruhig zu Hause, ich gehe Schönwetterfotos machen. Das musste ich jetzt sagen. Dabei liebte ich die aktuelle Lichtsituation mit dem tiefblauen Himmel und den intensiven Farben am Boden.


    Zunächst ging es erst einmal auf den Klofningsvegur (590), der rund um die Halbinsel nordwestlich von Búdardalur verläuft. Die Strecke war einfach wunderschön und führte meist am Meer lang. Hier gibt es einen Weg ohne Nummer zur Dagverðaneskirkja, die am Meer gelegen ist. „Eine zauberhafte Strecke, ein wunderschönes Stückchen Erde, sollte man in den Reiseführer aufnehmen“. Halt die Klappe anderes „Ich“, das ist ein Geheimtipp. „Egal, da das hier ohnehin keiner liest.... !“. Du sollst die Klappe halten, das lesen hier alle ! Endlich Ruhe !



    Die Piste, obwohl nicht extra ausgewiesen, sollte nur mit einem Auto mit Bodenfreiheit befahren werden, zumindest nach starken Regenfällen. Mehrfach vorhandene große und tiefere Pfützen, in denen größere Steine unter der Wasseroberfläche liegen, könnten so manchen Unterboden/Ölwanne aufreißen.


    Als ich die Halbinsel fast umrundet hatte, gab es noch einmal spektakuläre Wolkenbilder.


  • Egal welches Ziel ich anfuhr, ich war fast immer allein. Ich fuhr einfach durch die Landschaft und ließ mich zum Fotografieren inspirieren, bog mal hier und mal dort ab, u.a. nach Guðrúnarlaug an der Straße 589 Richtung Laugar. Leider hatte ich keine Badesachen dabei, sonst wäre ich spontan in den heißen Topf gestiegen.



    Zum Mittag ging es zurück zur Ferienwohnung, ich hatte mir nichts zum Essen mitgenommen. Am frühen Nachmittag fuhr ich dann noch mal auf der 54 Richtung Stykkeshólmur. Es kam immer wieder mal für Momente die Sonne durch und bot fantastische Lichtstimmungen. Tolle Wolkenstrukturen rundeten das Ganze ab. Aber die Ansage, dass es stürmisch werden sollte, traf zu. Dazu später mehr.


    Ich kannte die Strecke schon von einer Fotoreise mit drei Freunden aus dem Jahr 2011. Mein nächster Stopp war bei der Kirche von Narfeyri, die ich aus der Ferne 2011 schon fotografiert hatte. Es gibt dorthin keine Zuwegung mehr. Der Weg führt über den dortigen Hof, wo man um Erlaubnis bittet, über die Wiese gehen zu dürfen. Man hat hier einen wunderschönen Blick über das Meer.



    Der nächste Halt fand dann bei dem Schiffswrack an der Küste des Hvammsfjördur statt. Nach etwa 700 m Fußweg durch sehr nasses und tiefes Grasland bei böigem Wind und mit Stativ und Kamera auf der Schulter stand ich endlich am Ufer der Küste. Ich war platt und dachte jetzt schon an den Rückweg bei Gegenwind und hatte noch nicht mal ein Foto gemacht.



    Mit dem 400er Tele bei nicht wirklich gutem Licht wurden die Aufnahmen aber ganz passabel. Irgendwann sagte der Kopf: „empty, Akku leer, Speicher voll“. Ich konnte die gewonnenen Eindrücke nicht mehr verarbeiten. Das war wie in einer Bildergalerie. Da muss ich nach dem 5. Raum auch immer raus, weil nichts mehr geht. Der Rückweg....! Das Licht wurde immer besser, die Sonne fand häufiger den Weg durch die Wolken. Die Sonnenstrahlen fielen mit einer intensiven Wärme auf’s Land. Da war es wieder, das andere „Ich“. „Fahr doch über die Berge die Straße 55 zurück. Da oben..., die dichte Wolkendecke mit den durchbrechenden Sonnenstrahlen, atemberaubend....!“. Quatsch, das sind noch noch mal gute 100 km mehr zum Ferienhaus. Da habe ich gute Fotos aus 2011 ! „Aber Du weißt doch, keine Situation ist wie die andere“. Nein, Schluss aus !!!!!! Ich habe mich wieder einmal durchgesetzt, bin die kürzere Strecke gefahren. Dennoch wurden die Reserveeinheiten aktiviert und noch einige kleinere Halt’s eingelegt, um einzigartige Lichtstimmungen und Szenen einzufangen. So hielt noch einmal bei der Breiðabólstaðarkirkja,



    an einer Pferdeweide



    und mitten auf der Straße, um einem Schaf die Vorfahrt,.... äh, den Vorgang zu gewähren. Ach nein, auch falsch, das heißt ja Vortritt.



    Aber ich bin mir da auch nicht sicher, ob das richtig ist. Weil das Gegenteil ja nachtreten wäre, aber das hat ja wieder eine andere Bedeutung, „Philosophiere hier nicht rum, fotografiere lieber“. Ich war fast wieder über meine Müdigkeit hinweg, hatte ja zwischenzeitlich ein paar Atemzüge stürmischen Windes genießen dürfen. Aber Diskussionen mit meinem anderen Ego wollte ich nicht zulassen, stieg ins Auto und fuhr zum Ferienhaus. In der Hütte angekommen, wurde das abendliche Ritual des Abspeicherns der Daten und das Füllen der Akkus eingeläutet. In der Zwischenzeit machte ich mir Abendbrot und begann mit dem Schreiben des Tagebuchs.

  • Als es allmählich dunkel wurde fiel mir ein, dass ich noch gar nicht nach der Polarlichtvorhersage geschaut hatte. Der Level wurde wieder mit „6“ angegeben. Ein Blick nach draußen, ... es war ein lockerer Wolkenhimmel. Na, da machen wir es uns doch im Ferienhaus gemütlich und warten ab. „Aber hier ist doch kein tolles Motiv für den Vordergrund, denk an einen optisch wirksamen Bildaufbau. Willst Du nicht, dass man Deine Bilder klasse findet ?“. Hab ich Dir nicht schon heute Nachmittag gesagt, dass Du die Klappe halten sollst ! Ich mache Lifestyle-Fotos, ungeschönt, wie im wahren Leben, mit Stromleitungen und Schrottautos vor der Tür. Mir müssen die Fotos gefallen, nicht „Dir“ und nicht anderen. Das ist wie mit jungen Künstlern, die gefördert werden und ausstellen und wobei ich mit deren Kunstobjekten manchmal auch nichts anzufangen weiß, geschweige denn verstehe, dass sie dafür noch Geld bekommen. Scheiße....., jetzt denk ich schon wie „Du“.


    Beim dritten Mal nachsehen, bemerkte ich helle Flecken am Himmel, ganz blass, wie helle Wolken. Aber die Wolken, die da vorher waren, waren dunkel. Kamera auf’s Stativ gebaut und .... , wo war meine Stirnlampe ? Mist, auch die hatte ich zu Hause gelassen, obwohl ich sie einen Tag vor der Abreise noch im Blick aber dann das Einpacken verschoben hatte. Wenn ich mich recht erinnere, hatte mein anderes „Ich“ zu dem Zeitpunkt eine andere Tagesplanung.


    Die Vermieterin des Ferienhauses, die mich beobachtete und mir schon am Tage Hinweise zur Polarlichtfotografie im Talkessel gegeben hatte, hatte das so entstandene Problem aber sofort erkannt und kam mit einer kleinen Leuchte mit integriertem Bewegungsmelder, der so eingestellt war, dass man ihn mit geschickten Bewegungen so aktivieren konnte, wenn man Licht brauchte. Das Licht ging automatisch nach 2 Sekunden wieder aus. Dann wurde eine erste Langzeitbelichtung gemacht. In der Tat, es waren Polarlichter, noch ganz schwach, aber sie kamen. Mit Ihnen kamen die Geister, dabei war noch gar kein Halloween.



    Aber ich sah sie ganz deutlich. Dabei hatte ich meinen Whiskey heute noch gar nicht getrunken. Dann waren die Polarlichter am ganzen Himmel zu sehen, zunächst nur als durchgehende Schleier, dann einzelne Beamer in blassem Grün und zartem Rotviolett.



    Einige Vorhänge waren deutlicher zu sehen, aber immer noch blass. Intensive Farbtöne suchte man vergeblich. Die Polarlichter zeigten ihre ganze Schönheit erst durch die Langzeitbelichtung und bei der Betrachtung am Computer.



    „Du kannst doch jetzt nicht...................!!! , wagte „Es“ schon wieder einzuwenden ! Halt endlich die Klappe, ich weiß, das Schauspiel ist noch lange nicht zu Ende, aber ich bin müde. „Es“ gab endlich Ruhe ! Ich ging um 1.00 Uhr morgens zu Bett, aber an Schlafen war nicht zu denken; das Erlebte war zu viel.

  • Dritter Tag


    Trotz wenig Schlaf in der Nacht bin ich um 6.50 aufgewacht. Ein Blick aus dem Fenster sagte mir: „liegen bleiben !“. Es war Grau in Grau, die Wolken hingen tief in den Bergen. Erst einmal wurde in Ruhe Frühstück gemacht, abgewaschen und das Tagebuch weitergeschrieben. Es fing ganz sachte an zu regnen, wurde dann gegen Mittag aber deutlich heller, ohne aber trocken zu bleiben. So blieb ich noch eine Weile in der Hütte. Dabei wartete ich vergeblich auf Einwände des anderen „Ich“; es war eingeschnappt und blieb stumm. Es zeigte sich keine Wetterbesserung, trotzdem war der Punkt gekommen, um loszufahren.



    Ich hatte kein Ziel, sondern nur zwei Intentionen. Zum einen wollte ich Ecken finden, die ich noch nicht gesehen hatte und zum anderen Lichtstimmungen hinterherjagen. Ich machte den CD-Player an und hörte Bubbi Morthens, Magnús Þór Sigmundsson, Hera und andere. Ich genoss die Landschaft, fuhr einfach, träumte, sinnierte und dachte gar nicht an’s Fotografieren. Ich entspannte, ließ mich treiben. .... Ich wusste, er kann’s nicht lassen. Das andere „Ich“ meldete sich wieder und wandte ein, dass „noch thematische Lücken bestehen, die gefüllt werden müssen, um entsprechende Themenkalender zu ergänzen“. Hast Du was gesagt ?

    Ich fuhr gerade auf der Straße 55 durch das Hochland. Es schüttete mal wieder. Dennoch spürte ich, dass ich wieder aktiv werden musste und das fotografische Auge einzusachalten hatte. Ich war inzwischen über die Straße 55 bis auf den Snæfellsnesvegur (54) gelangt. Da waren sie, alte verfallene landwirtschaftliche Gebäude bei Syðri Rauðamelur und eine Kirche mit Stallgebäude in Kolbeinsstaðir sowie Pferde auf einer Kuppe, die vor einem im Dunst verschwindenden Hintergrund wunderschön zum Ausdruck kamen.




    Über Borganes ging es jetzt nach Hause. Noch ein kurzes Foto von der Kirche vor dem dunkelblauen, regenträchtigen Himmel. – das war’s !




    Es war wieder ein wunderbarer, entspannter Tag.


  • Jetzt zur Hütte und noch alles im Tagebuch festhalten. Aber dazu kam ich nicht wirklich. Im Nachbarhaus hatten sich zwei junge deutsche Männer eingemietet und fragten, ob es hier gestern Polarlichter gab. Das Gespräch dauerte und fand viele weitere Themen und endete mit dem gemeinsamen Blick in den Himmel. Es galt immer noch Level „6“, der aber bald auf „4“ reduziert wurde. Mit bloßem Auge war noch nichts zu sehen. Die Kamera sah mehr, Grün war der Himmel, wo Wolken Lücken ließen und erste Sterne zu sehen waren.

    Aber schon bald sah man erste Beamer und Fahnen. Ich machte zunächst meine Fotos aus der gleichen Position wie am Vortag, mit Strommast im Vordergrund und Hofstelle im Hintergrund.

    Was mir nicht gefiel war dass sich im stürmischen Wind bewegende Gras und die schwingenden Stromleitungen bei einer Langzeitbelichtung. Aber das ließ sich nicht ändern. Dennoch gefie mirl irgendwie heute die Fotografierposition vor Ort nicht. Stromleitungen, hell beleuchtete Viehställe und weiterhin starke, böige Fallwinde im Gebirgskessel waren denkbar schlecht für gute Fotos. Mein anderes „Ich“ war sich unschlüssig, was es wollte. Ich war dagegen ganz spontan, habe mich in’s Auto gesetzt und bin 6,5 Km auf’s freie Feld zur Straße 64 gefahren. Dort habe ich mich auf die Einfahrt zu einer Weide gestellt. Die Kamera mit Fernauslöser befand sich schon auf dem Stativ, so brauchte ich es nur platzieren. Der Blick nach oben war einfach atemberaubend. Nach einer Serie von 30 Fotos schwächten sich die Polarlichter deutlich ab. Aber auch heute war mal wieder Halloween angesagt.

    Es war sicherlich noch nicht das Ende. Aber mir reichte es. Es kamen auch keine Einwände von anderer Seite. Wieder an der Unterkunft angekommen, warteten die anderen beiden schon auf mich. Noch ein kurzer Plausch, dann ging es in’s Bett. Aber an ein sofortiges Einschlafen war nicht zu denken. Die Eindrücke wirkten erneut nach ! Nach drei Urlaubstagen fühle ich micht entspannt und erholt wie nach einer Woche. Das andere „Ich“, dass mich sonst immer voran- und umtreibt, hält sich erstaunlicherweise immer mehr zurück. Wahrscheinlich macht es auch nur Urlaub, um mich dann zu Hause wieder zu trietzen. Damit kommt es aber nicht durch. Ich werde mir hier einen Plan zurechtlegen, wie ich das verhindern kann. Gute Nacht!

  • 4. Tag


    Heute geht es zur nächsten Station nach Talknafjördur. Daher war um 6.30 Uhr wecken angesagt. Ich habe dann in aller Ruhe gefrühstückt, die Koffer gepackt, Bettwäsche abgezogen, Brote geschmiert und das Geschirr abgewaschen. Um Punkt 8.00 Uhr ging es weiter. Es waren immerhin ohne Umwege 265 Kilometer und reine Fahrzeit bei maximal zulässiger Geschwindigkeit 3,5 Stunden.. Meist fuhr ich nur halb so schnell und hielt immer wieder an, wollte ja etwas sehen von der Landschaft und auf gar keinen Fall ein Motiv verpassen. Zu Haus ärgere ich mich immer über solche Schleicher, wie ich jetzt einer war. Da bin ich mir aber nicht sicher, ob das wirklich ich bin, oder doch das andere „Ich“, das sich dann ärgert. Mag auch sein, dass wir uns da einig sind. Aber hier fiel die langsame Fahrweise eigentlich nicht auf. Alle 10 km begegnete ir mal Kontakt ein anderes Fahrzeug. Das waren aber meist Einheimische. Das merkte ich daran, dass für sie die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht gelten. Gelegentlich habe ich mich genötigt gefühlt, an Streckenabschnitten, wo ein Überholen schwierig war, meine Geschwindigkeit anzupassen. Das war auf ausgefahrenen Schotterpisten mit einem Ziegenbock namens „Jimny“ unter dem Hintern und einem für solche Straßenberhältnisse nicht angepassten Luftdruck, nicht immer einfach. Ein ums andere Mal verlor mein Freund dabei die Bodenhaftung. Da ich berufsbedingt solche Straßenverhältnisse kenne, hatte ich mein Gefährt aber immer im Griff.


    Das Wetter zeigte sich heute übrigens von seiner besten Seite. Ein Mix aus Sonne und ausdrucksstarken Wolken. Als nächstes Ziel sollte Reykholar angesteuert werden. Unterwegs wurden aber ein paar Motive, die ich schon in anderen Jahren abgelichtet hatte, noch einmal in anderer Stimmung aufgenommen, u.a. Ólafsdalur.



    Heute hörte ich auf der Fahrt Leonhard Cohen, A Fine Frency, Beatles, Carlos Santana u.a., perfect zur Entspannung.

    Gegenüber der Abbiegung nach Reykholar sah ich eine Fläche, die mit Zwerggehölzen bewachsen war und in allen Rot-, Gelb- und Grüntönen der Herbstzeit leuchtete, - naja, es fehlte in dem Moment gerade die Sonne, sonst wäre es noch intensiver gewesen. Ein Halt war unumgänglich. Eine Zuwegung mit kleiner Parkfläche war vorhanden. Nach ein paar Fotos wollte ich doch wissen, wohin der Weg weiter führt.




    Ein Schild zeigt an, dass es hinauf zu den Vaðalfjöll mit einer Höhe von 509 m geht. In diesem Fall war es gut ein 4x4 zu fahren. Die Schotterpiste weist teilweise Steigungen über 20 % auf und sehr grobes Gestein. Im Internet steht, dass sie im Sommer auch mit einem normalen PKW zu befahren sei – ich halte es schlichtweg für ein „no go“, absoluten Blödsinn. Oben angekommen, wobei ich nicht ganz zum Parkplatz an den beiden Gipfeln gefahren bin, bot sich eine fantastische Rundumsicht.




    Der ganze Weg zur Hochfläche führte durch ein farbenprächtiges Szenario von Zwerggehölzen und kleinen Wasserflächen. Ich konnte mich gar nicht sattsehen und machte mehrere Dutzend Fotos. An der Stelle der Umkehr war es mal wieder soweit, dass mein anderes „Ich“ sich zu Wort meldete. „So kurz vor Schluss kannst Du doch nicht abdrehen!“. Doch, kann ich ! Es gibt noch mehr zu sehen und der Weg ist noch weit. Es blieb dabei, ich drehte um und fuhr auf der anderen Seite von der 60 nach Reykholar

  • Ein blauweißes Farmgebäude hatte es mir angetan.

    Hier habe ich eine ganze Weile zugebracht. Weiter in den Ort und zum Hafen bin ich dann nicht mehr gekommen, sondern bin die Schotterpiste (607) weiter in den Westen bis zu dem kleinen Hafen, oder eher gesagt, der kleinen Anlegestelle von Staður gefahren. Auf einer Kuppe befand sich ein Häuschen mit Antennen darauf, wohl eine Funkstation. Daneben sah man einen kleinen See, der umgeben war vom goldgelben Gras des Herbstes.

    Auf der anderen Seite lag ein kleines Ruderboot abgedeckt an Land, ein zweites, ein kleines Fischerboot, die Ranba 108, befand sich im Hafen.

    Auf den Felsen am Hafen zogen zwei leuchtend orangefarbene Seezeichen das Auge auf sich.

    Es war Ebbe und der gelbgrüne Tang auf den Felsen leuchtete mir entgegen. Ein tolles Bild ! Auch die Landschaft hier war wieder einmal faszinierend. Es war Zeit mein Mittagsbrot einzunehmen. Ich setzte mich auf den Boootsanleger, an dem eine eletrische Winde angebracht war und sah hinaus aufs Meer. Die Wolkenbildung perfektionierte das Bild. Ich genoss die Ruhe. Den ganzen Morgen war ich, wo ich auch hinkam, alleine. Eigentlich war es die ganzen Tage schon so. „Wo sind die über 2 Millionen Touristen ?“, warf das andere „Ich“ ein. Halt einfach die Klappe, anstatt Dich damit zu beschäftigen, wo die Touris sind, solltest Du Dich freuen, dass sie nicht da sind. Sind wohl zum größten Teil „hotspot“ Touris und das ist auch gut so. Was sie da anrichten, richten sie nicht hier an.

    Es war schon 13.00 Uhr durch und noch viel zu fahren. Ich machte mich auf den Weg. Die Straße 60 führte mich schnurstracks zu meinem heutigen Ziel. Unterwegs wurden immer mal wieder kleine Fotostopps eingelegt. Eine Landschaft mit Blick auf einen Fjord zog ebenso die Aufmerksamkeit auf sich, wie ein kleines Flugfeld mit einer darauf installierten Schiffskabine und einem Windsack, der mir den steifen Wind aus Westen anzeigte.

    Aber irgendwann war ich müde. Zudem fing es, je weiter ich in den Westen kam, intensiver an zu regnen. Kurz vor der Unterkunft wurde noch mal getankt und dann ging es zum Gästehaus in Talknafjördur. Es gab ein kleines Einzelzimmer mit Waschbecken und großem Fernseher. Zwei große Duschen befanden sich rechts vom Flur. Zudem gab es eine Gemeinschaftsküche und einen Aufenthaltsraum mit Fernseher, PC, Sofa und co. Es sah alles bestens aus. Zunächst war ich allein im Haus. Aber dann, als es begann dunkel zu werden, kamen nacheinander noch 8 Personen, alles Amerikaner. Meinen Platz auf dem Sofa habe ich schnell geräumt, wollte einfach meine Ruhe haben und mit niemanden Konversation betreiben müssen. Deswegen bin ich ja auf Island und nicht zu Hause. Zudem wollte ich gerade mein Tagebuch schreiben. Also ab auf’s Zimmer. Dort hatte ich auch meinen inzwischen stark reduzierten Proviatvorrat gelagert. Nachdem ich mir Brote geschmiert hatte ging ich noch mal kurz in die Küche, um mir eine Gemüsebrühe zu machen. Noch ein paar Gedanken niedergeschrieben und die Speicherkarte gesichert, dann fielen mir die Augen zu. Es war 22.00 Uhr, aber an schlafen war noch nicht zu denken. Die Hütte war hellhörig wie eine Pappschachtel. Alle 10 Minuten ging jemand auf die Toilette, die genau neben meinem Zimmer lag. Nicht nur, dass die Spülung so laut war, auch das Geschäft vorher war zu hören. Ich war schon dabei, nach Fallgeräusch und Dauer das Gewicht der Hinterlassenschaften gedanklich zu bemessen. Türen leise zu verschließen, müssen die zudem auch noch lernen ! Regardless ! Der Tag nahm einen endschieden falsches Ende. Aber irgendwann schlief ich doch ein, wachte aber regelmäßig wieder auf, weil das Toilettenlaufen auch nachts kein Finale fand. Schlafmittel in Form von Alkohol hatte ich nicht mitgenommen und wollte mir auch nichts kaufen. 10 Tage Abstinenz war der Vorsatz, verbunden mit einer Spardiät. „Du musst nur 2 Tage durchhalten, vielleicht sind die anderen ja morgen auch schon wieder weg“ warf mein anderes „ich“ ein. Du träumst, gute Nacht!