Islands Nordosten und mehr im September

  • Ich möchte mich hier nach langer Zeit mit einem Reisetagebuch meiner letzten Islandreise zurückmelden. Vielleicht ist ja das eine oder andere an Interessantem für euch dabei. Es beginnt mit der Reiseplanung und dem ersten Tag auf Island.


    Reisetagebuch Island 2023


    Einführung


    Alles begann im Frühjahr 2023, als ich merkte, ich musste mal wieder eine Runde alleine sein. Beruflicher und familiärer Stress nagten an meinen Nerven. Nein, eigentlich wäre ich gerne mit meinem besten Freund gefahren, der aber seinen Urlaub schon anders verplant hatte. So buchte ich einen 10-tägigen Urlaub – wieder einmal Island; das 13. Mal !!!!!!!!! Dort kann ich den ganzen Unbilden des täglichen Lebens für eine kurze Zeit entgehen und meinem Hobby, der Fotografie, frönen. Ich habe mich für den Nordosten entschieden; die Ecke kannte ich schon von meiner Tour im Sommer 2015. Ich wollte hier den Indian Summer genießen und vielleicht auch Polarlichter erleben dürfen. Sie sind zwar nichts Neues für mich, aber immer wieder anders und immer wieder schön anzusehen. Außerdem ist das eine Region und eine Jahreszeit, in derer kaum Touristen zu finden sind, dachte ich – aber darauf komme ich später zu sprechen. Für die meisten Gebiete in der Region hat diese Annahme aber Bestand.


    Ich wollte diesmal mit SAS/Icelandair von Hannover über Kopenhagen nach Keflavík fliegen. Der Flug kostete nur 280 Euro. Er sollte um 19.00 Uhr in Hannover starten und um 23.00 in Keflavík landen. Ich plante, wie schon oft, direkt mit dem gemieteten Auto loszufahren und bei Bedarf mich irgendwo hinzustellen und für ein paar Stunden die Augen zuzumachen. Für die Rückreise hatte ich den Flug um 00.30 Uhr gebucht. Ein paar Wochen nach der Buchung bekam ich von SAS die Nachricht, dass der Rückflug gecancelt, bzw. um einen halben Tag verschoben worden ist. Was nun ? Zeit hatte ich genug, musste mir nur die Mietdauer des Autos verlängern lassen und mir Gedanken über die Unterkunft in einer zusätzlichen Nacht machen. Also habe ich zunächst einmal das Vermittlungsbüro des Autovermieters angerufen. Dort wurde mir mitgeteilt, dass die Buchung storniert werden muss und ich dann neu buchen kann. Gesagt, getan ! Die Stornierung klappte, wobei ich mitgeteilt bekam, dass die Rückzahlung 14 Tage dauern könnte. Das war am 01. Juli, einen Tag nachdem meine alte Kreditkarte abgelaufen war und meine neue ihren Geltungsbereich angetreten hatte. Irgendwann kurz vor meiner Reise fiel mir auf, dass die Rückzahlung immer noch nicht erfolgt ist. Ich rief das Vermittlungsbüro an, wobei mir das Problem mitgeteilt worden ist. Wie bitte ! Kann man sich nicht bei mir melden, als man das Problem erkannt hat ? Also habe ich dem Autovermieter direkt die neuen Kartendaten mitgeteilt, mehrmals, zuletzt mit der Bitte um Bestätigung. Gestern bekam ich, schon in meinem Urlaub, vom Autovermieter über das Vermittlungsbüro die Bitte mitgeteilt, Ihnen doch meine neuen Kartendaten zu senden. Ich bin fassungslos ! Das Gute an der Geschichte ist, dass ich ein baugleiches Auto bei gleichen Mietbedingungen eines anderen Vermieters für 230 Euro günstiger bekam. Über die letzte Nacht auf Island mache ich mir dann vor Ort spontan meine Gedanken.


    Eigentlich hatte ich in den letzten Wochen vor, mich intensiv um meine Touren auf Island zu kümmern. Einige Fotomotive standen fest. Aber dann kam wieder einmal alles anders als geplant. Als Ruheständler mit einer geringen Rente muss man sich gelegentlich ein paar Euro dazuverdienen – na gut, nicht wirklich, aber ich bin immer froh, mal wieder aus dem Haus zu kommen und Kontakt mit anderen Personen zu haben. In diesem Fall war der menschliche Faktor in die Kategorie einzustufen: muss ich nie wieder haben, ein Griff in’s Klo, wie man so schön sagt, obwohl ich ohne diese Person den Auftrag unter Umständen gar nicht bekommen hätte. Mein archäologisches Fachwissen war gefragt und ich sollte eine Ausgrabung/Rettungsgrabung im Zuge eines Bauvorhabens leiten. Eben jene Person, die mich als Subunternehmer für eine andere Firma an Bord geholt hat, betonte noch, dass sie froh wäre, unter meiner Leitung als Techniker arbeiten und lernen zu dürfen. Die allererste Zeit lief es auch ganz gut, bis sich dann zeigte, dass er gar nicht gewillt war zu lernen. Er wusste alles besser. Als ich ihm das auf den Kopf zusagte kam die Antwort: “Weiß ich auch“. Es kam am Ende dazu, dass er Anweisungen nicht mehr bestätigte, z.T. nicht mehr befolgte und mich auch nicht mehr grüßte. Ich möchte die Hintergründe und die Geschichte nicht weiter ausführen, es wäre ein Roman für sich geworden. Nur so viel sei gesagt, dass mein Urlaub auch hier eine Rolle spielte. Entweder wir schafften den Auftrag vor meinem Urlaub zu beenden oder mussten die Arbeit im Anschluss fortsetzen, nur ihn konnte ich nicht als meinen Vertreter einsetzen, weil er das know how noch nicht hatte und die Arbeit nicht in meinem Sinne fortgeführt hätte. Dazu holte ich mir die Bestätigungen sowohl von meinem Auftraggeber als auch vom zuständigen Denkmalamt ein. Jeglicher Versuch meinerseits mit ihm sachlich zu diskutieren schlug fehl – ich sprach mit einem Narzissten, das wurde mir jetzt klar. Wir beendeten die Arbeiten vor meinem Urlaub, was wiederum Kritik hervorrief. Man hätte ja noch mehr Geld an diesem Auftrag verdienen können. Wissenschaftlich war die Fundstelle nach aktuellem Stand erschöpft und es sollte ein Rest für zukünftige Untersuchungen im Boden verbleiben. Das Thema war durch ! Es waren sechs harte Wochen mit 10 stündigen Tagesarbeitszeiten. Aber es war sehr lukrativ. Ich hätte den Islandurlaub um einige Wochen verlängern können. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck brauchte ich jetzt wirklich diesen Urlaub. So wurde am Tag vor der Abreise der Koffer gepackt und ein paar Kleinigkeiten eingekauft. Ebenso suchte ich die Sachen für den Fotorucksack zusammen; aus Gewichts- und Platzgründen flog aber einiges wieder raus.


    14./15.09.23


    Der Tag der Abreise war gekommen. Meine Frau fuhr mich zum nahegelegenen Flughafen. Wir waren etwas über 2 Stunden vor dem Abflug da. Am Abflugschalter war nichts los, ich kam sofort dran. Dagegen war vor der Sicherheitskontrolle eine unendlich lange Schlange festzustellen. Es blieb bis zum vorgesehenen Abflug noch eine dreiviertel Stunde übrig. Dann kam die Nachricht, dass die Ankunft des Fluges aus Kopenhagen sich um eine halbe Stunde verzögern wird. So kam es dann auch. Dann in Kopenhagen gelandet fand ich das Gate für den Weiterflug mit Icelandair keine 20 Schritte gegenüber – super ! In Keflavík überpünktlich angekommen, kam ich am Schalter des Autovermieters auch sofort dran. Ich lud mein Gepäck in den Suzuki Jimny und machte mich auf den Weg. Ich wollte über die Straße 35 Richtung Norden fahren. Mein erster Stopp galt wieder einmal dem Strokkur. Es wurden einige experimentelle Fotos in der Nacht gemacht – die aber schließlich in den Papierkorb wanderten - und schon ging es weiter. Der Weg führte dann von der 35 ab auf die F 335 Richtung Langjökull. Gerade von der 35 abgebogen, wurde ich müde und hielt an einer kleinen Furt, naja, es war eher eine Pfütze. Ich schlief wohl ca. 3 Stunden und wurde wach, als es begann hell zu werden. Es war genau der richtige Moment. Die Berge lagen in den Wolken, nur die Spitzen sahen heraus. Ein fantastischer Anblick. Ich machte eine Anzahl an Fotos und fuhr, nach einem kleinen Frühstück, weiter. Ich hielt immer wieder an um diese himmlische Szenerie aufzunehmen und zu fotografieren. Die Straße war nicht besonders schwierig, enthielt allerdings einige Passagen mit grobem Geröll. Ich wollte eigentlich bis zum Nýifoss fahren, brach die Tour bei einer gelben Schutzhütte ab. (Fortsetzung folgt !)


  • Hier empfing mich wieder ein besonderes Licht. Zahlreiche Fotos wurden gemacht. Ich war spät dran und hatte noch vor Kerlingarfjöll anzusteuern. Ich schaute auf mein Navi um zu sehen, wieviel Zeit ich dafür einplanen konnte, wenn ich am frühen Abend in Vopnafjörður sein wollte. Es waren laut Hinweisschild noch 23 Km bis zum Kerlingarfjöll. Das, was das Navi für die Strecke zur Unterkunft anzeigte, konnte hinten und vorne nicht stimmen, ich sollte allein bis Akureyri noch 360 km fahren. Ich schüttelte das Navi durch, startete es neu, aber die Daten änderten sich nicht. Ich fuhr erst einmal weiter zum Kerlingarfjöll, wobei sich der Himmel aber zusehends zuzog. Das Zeitfenster war zu klein, das Wetter für gute Fotos eher schlecht und ich kannte die Berge bei strahlendem Sonnenschein schon aus der Luft. Ich hatte aus der Erinnerung noch 6,5 Stunden Fahrt vor mir und wollte unterwegs auch noch einige Fotos machen. Auf einmal fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren was es mit dem Navi auf sich hatte. Ich hielt an und sah mir die Einstellungen der Präferenzen an. Da…., da war es ! Da war ein Haken gesetzt bei: unbefestigte Straßen meiden. Ich lachte schallend los. Was für ein Volltrottel war das denn ? Das Navi hätte nach Tagen noch keinen Ausweg gefunden. Diese Frage war rein rhetorisch, die Einstellung hatte ich selbst einmal in Deutschland benutzt, als das Gerät mich durch gesperrte Waldwege hat fahren lassen wollen. Am Namafjallgebiet hielt ich nur kurz, wollte es in einer Tagestour noch einmal ansteuern. Unterwegs kaufte ich noch ein paar Dinge ein, insbesondere im Vinbudin, wollte vorbereitet sein auf mögliche schlaflose Nächte. Ich hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass es auch unbedarfte Gäste gibt, was die Lautstärke in der Unterkunft anbetrifft.


    Gegen 19.00 Uhr erreichte ich das Guesthouse in Sireksstaðir. Ich fuhr erst daran vorbei bis zu der zum Gästehaus gehörenden Farm, da das Gästehaus hinter einem Hügel in einer Kurve lag und nicht direkt zu sehen war. Ein deutliches Hinweisschild gab es auch nicht. Das Zweibett-Zimmer war wie ich es mir vorgestellt hatte, für 56 Euro die Nacht absolut topp. Ich richtete mich gemütlich ein. Gegen 19.30 Uhr kamen noch andere Gäste, nicht ganz geräuschlos, aber um 22.00 Uhr war dann Ruhe. Ich saß noch am Laptop und schrieb meine Erlebnisse und Gedanken auf, genoss noch einen Whisky und ein Bier und ging schlafen.





  • 16.09.23


    Um 8.00 Uhr gab es Frühstück. Es war reichhaltig und gut. Heute sollte es zum Dettifoss gehen, allerdings an die Ostseite, die andere Version kannte ich schon zur Genüge. Die Sonne schien und es waren schöne Wolkenbilder zu sehen. Auf dem Weg hielt ich mehrmals an, um die Farbenpracht des Indian Summer zu fotografieren. Die Zwerggehölze strahlten nur so, einfach wunderschön. Kurz hinter dem Quartier machte ich erste Aufnahmen von ein paar isoliert stehenden Birken. Ich tankte noch in Vopnafjörður bevor es weiter ging. Von der Tankstelle aus sah ich den Leuchtturm und ein paar alte Hofgebäude auf einem Berg. Das war spontan mein nächstes Ziel. Nach etwa einer Stunde ging es weiter. Ich fuhr auf der 85 und bog dann auf die 864 ab. Dort ging es durch eine flache, mit Zwergsträuchern im Herbstlaub bewachsenen Landschaft, die sich mit Steinwüsten abwechselte. Von der 864 gab es einen wunderschönen Blick auf das schneebedeckte Massiv des Smjörfjöll.




    Am Dettifoss angekommen war der Parkplatz ziemlich voll, aber die Menschen verliefen sich in dem großen Gebiet. Ich fotografierte nur wenig, genoss einfach nur das Szenario. Bald fuhr ich auf der 864 weiter bis zum Aussichtspunkt auf das Tal der Jökulsa mit dem Blick auf den Hafragilsfoss. Allein die Farben der Vulkanaschen auf dem Weg dorthin waren im Verbund mit den Hügelstrukturen und Wegeinschnitten ein Erlebnis. Im Flussbett war ein trockengefallener Bereich zu sehen, der mich faszinierte - eine Insel aus schwarzer Asche mit Rinnen darin und Abflussstrukturen, wie man es aus dem Wattenmeer kennt – Nature Art. Ich genoss das Bild und machte wiederum zahlreiche Fotos.




    Es wurde windig und zog sich zu; einzelne Regentropfen fielen. Ich fuhr zurück zur Unterkunft, hielt aber noch einmal in Vopnafjörður an um nachzutanken. Dort kaufte ich mir noch zwei Sandwiches zum Abendbrot sowie ein paar Kekse. In der Unterkunft angekommen ließ ich den Tag noch einmal Revue passieren und schrieb bei einem Bier meine Gedanken dazu auf. Um 22.00 Uhr fiel ich todmüde ins Bett. Eine halbe Stunde später schreckte ich auf – ich dachte, die Schafherde, die sonst vor der Unterkunft umherlief, hätte sich einen Weg ins Haus gebahnt. Ich hörte ein lautes Blöken und Getrampel. Nein........, es war nur ein Kleinbus mit Touristen angekommen, die es den Schafen gleich taten und laut redend ihre Koffer durch den Flur über den elastischen Laminatboden schoben, so dass ich das Gefühl bekam, ich liege in einem Wasserbett. Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei und ich konnte weiterschlafen.


    island-forum.com/cms/index.php?attachment/7617/


  • 17.09.23


    Als ich am nächsten Morgen aus dem Fenster schaute war es bewölkt, wobei hin und wieder die Sonne rauskam. Das erste Foto, das ich machte, galt den Schafen, die im Gegenlicht auf dem Hügel vor dem Haus rumliefen.



    Ich frühstückte ausführlich, war aber wieder der lautstarken Gruppe, diesmal am Frühstückstisch, ausgesetzt. Als die Leute weg waren, fragte ich den Hausherren, ob die Gäste bleiben werden. Er antwortete, dass sie gefahren sind. Ich sagte nur : „Gut so“. Er lachte lauthals und wusste, was ich meinte.


    Heute war eine Tour zur Schlucht Stuðlagil geplant. Ich fuhr die Straße 923 am Hof Klaustursel vorbei bis zum 2. Parkplatz. Beide Parkplätze waren voll ausgelastet. Dann waren es noch ca. 4 Km zu laufen, immer am Jökuldalur entlang. Menschenmengen bahnten sich den Weg. Natur pur war ausgeschlossen. Ich machte mir an dieser Stelle schon keine Gedanken mehr über gute Fotos aus bester Position, zumal der Himmel überwiegend bewölkt war und somit keine idealen Lichtverhältnisse herrschten, welche die Farben richtig zum Leuchten hätten bringen können. Aber eindrucksvoll sollte es allemal werden. Ich stieg gegenüber des Parkplatzes auf der anderen Flussseite hinab in den Canyon. Immer wieder kamen mir ganze Gruppen an Menschen entgegen, man kam auf dem schmalen Pfad mit Trittsteinen einfach nicht voran. Ich gab es irgendwann auf, ganz nach innen in den Canyon zu gelangen und drehte um. Fotos ohne Menschenmassen darauf waren ohnehin nicht möglich. Ich schoss dennoch ein paar Fotos – vielleicht kann Photoshop es richten.



    Auf dem Rückweg merkte ich, dass ich anfing zu schwächeln. Meine Nasenscheidewandverkrümmung mit einhergehender chronischer Nasennebenhöhlenendzündung hinterließen ihre Spuren. Ich war außer Atem und nahm jede Gelegenheit wahr, mich auf einen der gelegentlich am Wegesrand liegenden Findlinge zu setzen. Ich muss schrecklich ausgesehen haben, wurde immer wieder von Damen, sagen wir mal im erfahrenen Alter, angesprochen, ob es mir gut geht und ob sie mir helfen können. Diese Führsorge bei gewissen Personen hat mich berührt. Ich habe meine Situation jeweils erklärt und damit aufgelöst. Ich machte mir schon Gedanken, ob ich mich nicht noch häufiger auf einen Stein setzen sollte; soviel Aufmerksamkeit bekomme ich zuhause selten, naja sagen wir mal so: wohldosierter. Aus welchem Grund eigentlich ?

    Wieder in Vopnafjörður angekommen tankte ich erneut. Ansonsten hatte ich alles, brauchte nichts mehr einzukaufen. Ich machte noch ein paar Fotos im Ort von einem kleinen alten mit weißem Wellblech verkleideten Gebäude und fuhr anschließend zur Unterkunft. Ich entspannte mich und schrieb am Tagebuch, bis am Abend eine neue Horde an Gästen kam, lautstark wie die vorherigen. Sie saßen bis gegen 22.30 Uhr im Gästeraum direkt neben meinem Zimmer und der allgemeinen Toilette im Flur, die ich mehrfach frequentierte, da das abendliche Bier seine Wirkung zeigte. Irgendetwas war anders auf der Toilette. Dann bemerkte ich es; das Toilettenpapier hing links herum und rollte zur Wand hin ab. Die Gäste mussten von der britischen Insel kommen – der Sprache nach kam das auch hin. Ich lag aber falsch, sie kamen aus Nova Scotia. Naja, mit Schottland lag ich ja fast richtig.







  • 18.09.23


    Der nächste Tag verhieß nichts Gutes. Was sich am Vortag schon abzeichnete, setzte sich fort; es regnete und war sehr windig. Ich fuhr dennoch los um neue Fotomotive zu entdecken und die Natur zu genießen. Zunächst war der Museumshof Bustarfell mein Ziel. Dieser war ganz in der Nähe, aber geschlossen, was mir auch bekannt war. Ich machte ein paar Fotos und fuhr weiter. Ich wollte aber in der Nähe meiner Unterkunft bleiben, weil das Wetter zusehends schlechter wurde. Ich suchte nach schönen Schlechtwettermotiven; so etwas gibt es auch ! Ich fuhr von der 1 ab und eine unbenannte Straße hoch, die zu einem Aussichtspunkt am Axlir führen sollte und als Sackgasse ausgeschildert war. Die Piste verlief steil in Serpentinen den Berg hoch, wobei ein Punkt erreicht wurde, an dem der Regen mit wohl Windstärke 8 horizontal über den Weg fegte. Nach etwa einem Kilometer brach ich das Vorhaben ab. Das Ganze wurde mir zu gefährlich. Ich drehte um und fuhr zurück zu meinem Quartier. Es folgten, wie jeden Tag, meine Notizen im Tagebuch. Der Regen wurde immer stärker und der Wind nahm auch noch zu. Die Vorhersage sprach von 20 l/Std. an Niederschlag. Zudem gab es die Nachricht, dass Ortsteile von Seydisfjörður evakuiert werden sollten, weil eine große Gefahr von Erdrutschen bestand. Die Nacht sollte auch für mich unruhig werden. Es schepperte und klapperte am ganzen Haus. Auch das Rauschen des Wassers und Windes ließen einen nicht wirklich einschlafen, man schreckte immer wieder auf. Zudem war offensichtlich die Hauswand undicht, ein starker Windzug machte sich unterhalb des Fensters direkt neben dem Bett bemerkbar. Offensichtlich hatte sich eine Verkleidung an der Hauswand gelöst. Irgendwann machte sich die Müdigkeit bemerkbar und ich schlief ein. Wenn man abends zu viel trinkt, - wobei ich das nur gemacht habe, um endlich einschlafen zu können – kommt es vor, dass man nachts auf Toilette muss. Ich richtete mich auf und suchte mit den Füßen die Badelatschen, die ich vor dem Bett abgestellt hatte. Dabei bekam ich nasse Füße. Verdutzt überlegte ich, ob ich vorhin mit nassen Füßen aus dem Bad gekommen bin, was ich aber bestimmt verwerfen musste. Ich machte das Licht an und sah, wie Wasser aus den Fugen des Laminatbodens quoll. Offensichtlich war der Schaden an der Hauswand doch gravierender. Na gut, dachte ich, Badelatschen sind da, die Badehose im Koffer ziehe ich an, das Bett ist schwer und hoch genug – ich bin gerüstet. Gute Nacht.



  • Oh man, da sieht man mal wieder, dass man auch im Haus nicht vor dem Wetter wirklich sicher ist.

    Und immer wieder Klaus-Häuser :) .


    Danke für die schönen Fotos.


    PS: Der Schreibschriftfont ist ziemlich klein und dadurch schwer zu lesen.

    islandwinke

  • 19.09.23


    Am nächsten Morgen bekam ich beim Frühstück mit, dass auch die Zimmernachbarn nasse Füße bekommen hatten, wobei es dort noch schlimmer zu sein schien. Nachdem das Frühstück beendet war und die Gäste das Haus verlassen hatten, - ich blieb auf meinem Zimmer und schrieb meine Erlebnisse auf - machten sich die Haus’herren‘ sofort an die Reparatur, wobei der Sturm und der Regen nicht nachließen. So wurde die Fassade, die aus Paneele und Wellblech bestand, nur notdürftig mit Folie abgedichtet. Da neue Gäste erwartet wurden, ist sofort mit der Renovierung des Nachbarzimmers begonnen worden. Erst wurden die Möbel rausgebracht, dann das Laminat samt Dämmung rausgerissen. Es folgte das Trockenlegen aller notwendigen Boden- und Wandelemente. Ich machte mich derweil auf den Weg in die Stadt, um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Auf dem Rückweg gab es noch einmal einen kurzen Halt, um die Wettersituation zu dokumentieren. Als ich nach einer Stunde zurückkam, war das Zimmer schon mit einem neuen Fußboden versehen und die Möbel wieder eingeräumt. Isländischer Pragmatismus, Effizienz und Spontanität eben. Der Pragmatismus hatte aber zur Folge, dass ich meine Schafe nicht mehr aus dem Fenster heraus fotografieren konnte, denn da hing jetzt eine Folie vor.


    Nach einer Weile fuhr ich fuhr noch mal kurz los, um aber bald einzusehen, dass es heute keinen Sinn machte, zu fotografieren. Ein paar Pseudoaufnahmen folgten, dann rettete ich die Kamera vor der ständigen Nässe. Ich hatte in der Unterkunft alles, was ich brauchte, incl. meines abendlichen Bieres.


  • Danke für den schönen Reisebericht und auch danke das du die Schrift größer gemacht hast so ist es angenehmer zum Lesen. Da hast du ja richtig was erlebt. Bin gespannt wie es weitergeht. Schönen Abend noch und vielen Dank

  • 20.09.23


    Es hatte wieder die ganze Nacht geregnet und gestürmt. So musste ich feststellen, dass sich das mit der erwähnten Effizienz nicht bewahrheitet hat; der Wind blies immer noch ins Zimmer, trotz Folie. Da das Wetter im Gebiet meines Domizils laut Wettervorhersage den ganzen Tag nicht besser werden sollte, entschloss ich mich in den Norden zu fahren; dort sollte zumindest zeitweise die Sonne scheinen und sich gelegentlich mit Wolken abwechseln. Ich hatte in der Gegend ohnehin noch zwei Ziele eingeplant: Arctic Henge und Asbyrgi. Asbyrgi kannte ich schon aus dem Sommer 2015, wollte es jetzt noch einmal in der Farbenpracht des Herbstes erleben. So machte ich mich rechtzeitig nach dem Frühstück auf den Weg, da alleine die Fahrzeit hin und zurück 5-6 Stunden dauern wird. Ich wurde nicht enttäuscht. Trotz des anfänglich immer noch schlechten Wetters erstrahlte die Landschaft. Intensive Rot-, Gelb- und Grüntöne verbanden sich mit dem Schwarz der Vulkanasche. Als ehemaliger Kunstmaler wurde ich inspiriert wieder den Pinsel in die Hand zu nehmen. Ich hielt alle Augenblicke an, soweit es Haltebuchten zuließen, und fotografierte. Apropos Haltebuchten : die gibt es in Island an den Hauptverkehrsstraßen viel zu wenig. Die Fahrten bei den starken Winden waren manchmal sehr anstrengend, so dass man öfter gerne mal eine Pause eingelegt hätte. Auch Fotostopps hätte ich gerne mehr gemacht, aber wollte nicht direkt auf der Fahrbahn halten, obwohl extrem wenig Verkehr zu verzeichnen war. Auch an der Straße 85 war wieder die Farbenpracht der Vegetation atemberaubend.


    Zunächst war Raufarhöfn mit Arctic Henge an der Reihe. Als ich dort ankam war es bedeckt, der Himmel nicht ganz strukturlos; für mich ein idealer Hintergrund. Mit mir kamen zwei weitere Autos an, sonst waren wir allein. Es stiegen insgesamt sechs Personen aus, die dunkle Kleidung trugen. Ich dachte nur: Das ist timing ! Die Staffage für meine Fotos kommt unangemeldet aber pünktlich und dann noch im richtigen Outfit.


    Nach einer halben Stunde hatte ich meine Ideen zu diesem Motiv umgesetzt und saß wieder im Auto. Länger hätte ich es auch nicht ausgehalten, denn in dem ganzen Stress der Urlaubsvorbereitung hatte ich meine sündhaft teuren Fotohandschuhe vergessen einzupacken. Das Wetter hatte aber auch, wie vorhergesagt, immer wieder Sonne im Gepäck.


  • Dann ging es weiter nach Asbyrgi. Unterwegs hielt ich noch einmal am schwarzen Aschestrand des Öxarfjörður und konnte wunderbare Strukturen beobachten, die das Wasser zurückgelassen hatte.




    Ein weiterer Fotograf nahm sich diesen Motiven ebenfalls an. Ich machte mich nach einer Weile wieder auf den Weg und erreichte bald die Asbyrgischlucht. Auch hier empfing mich im besten Licht – die Sonne schien - eine Farbpalette an Tönen. Ein ganz anderes Bild als im Sommer 2015, Indian Summer eben, mit Zwerggehölzen und Strauchgewächsen. Ich hielt mich aber nicht lange auf, weil es doch wieder anfing zu regnen.



    Außerdem war mein menschlicher Arbeitsspeicher randvoll, konnte keine Eindrücke mehr aufnehmen. Ich machte mich auf den Rückweg über die Straße 862, die 1 und schließlich die 85 sowie die 920 und 919. Ich hielt nur noch wenige Male an. Halt ! Unterwegs musste noch einmal wieder ein Schrottplatz dran gauben, von denen es auf Island unzählige gibt und die immer ein Foto wert sind – nur so als Doku, irgendwann sind sie weg. Hier ein Tankwagen am Galgen - vermutlich war der Wagen aber schon vorher tot.




    Als ich wieder in der Unterkunft war, schrieb ich sofort meine Eindrücke und Empfindungen in mein Tagebuch. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, als sich Müdigkeit bei mir einstellte. Ich legte mich rücklings aufs Bett und schlief augenblicklich ein. Als neue Gäste ankamen, wurde ich wieder wach und schrieb dann an meinem Tagebuch weiter. Dann stand die Planung für den nächsten Tag auf dem Programm. Gegen 22.30 Uhr war Schluss und ich ging ins Bett.

  • 21.09.23


    Als ich um 6.45 Uhr wach wurde, merkte ich, dass der eiskalte Wind deutlich nachgelassen hatte. Nicht dass das Heulen nicht mehr zu vernehmen war, nein, der Grund war, es war deutlich wärmer in Zimmer. Der umgehend erfolgte Handtest bestätigte dies, es zog nicht mehr durch die Ritzen. Um 8.00 Uhr begann, wie jeden Tag, das Frühstück. Außer mir war kein anderer Gast da. So wandte ich mich an den Hausherren und wir redeten über mögliche Fotomotive im regionalen Raum. Ich hatte heute keine Lust auf eine größere Tour, merkte, dass diese Autofahrten mich doch anstrengten. Kurz vor 9.00 Uhr stieg ich ins Auto und fuhr los. Es sollte Richtung Egilsstaðir gehen und ich wollte schauen, ob ich alle genannten Orte finde und gleichfalls selbst sehen, was es sonst noch so an Interessantem gab. Die Wettervorhersage sah wieder einmal nicht sonderlich gut aus, aber es wurde besser als gedacht. Nicht nur das, an den jeweiligen Motiven angekommen, kam das optimalste Licht und eine ideale Wolkenstruktur hinzu. Ich fuhr meine Hausstraß, die 929, und dann auf der 919 über den Pass der Hellisheiiði eystri. An der Küstenstraße lagen meine Ziele wie aufgereiht. Verlassene alte Höfe, wildrauschende Flüsse, Felsformationen im Meer oder ein blauer Container im tristen Licht auf einer Wiese.



    Atemberaubend wurde es am Fuße der Hellisheiði eystri, dort, wo eine Brücke den Fluss Dalsá überquert. Von da an sah man die schneebedeckten Gipfel der Berge. Ich fuhr eine kurze Strecke, um aber immer wieder anzuhalten und das Gesehene einwirken zu lassen. Grün bewachsene Berge lagen vor schneebedeckten. Die Piste höher hinauf fing es an zu schneien. Der Wind fegte den Schnee quer über sie Straße. Ich hielt wiederum an, nahm die Kamera vom Beifahrersitz und machte zahlreiche Aufnahmen, bis die Wolkendecke die Ebene der Straße erreichte und ich kaum noch etwas sah. Das war einfach grandios. Die Bilder, die ich zuvor erleben durfte, waren so beeindruckend, dass ich beschloss, sie nicht mit nachfolgenden zu überdecken.


  • Oh ja, ich schon, danke für deine Bericht.


    Und sorry für die fehlenden Reaktionen,... dabei weiß ich, wie sich das anfühlt. Ich hab deshalb letztes Jahr meinen Bericht nicht weiter geschrieben,...


    Ich freu mich auf weitere Tage!

  • Na dann........!!!!!


    Ich wendete das Auto, obwohl es erst Mittag war. Während der Rückfahrt wirkte das Gesehene nach und ich konnte mich kaum auf die Straße konzentrieren. Ich überlegte, ob ich nicht hätte doch weiterfahren sollen. Ich wollte diese Strecke aber ohnehin auf dem Weg zu meiner zweiten Unterkunft am Jökulsarlon nehmen. So blieb ich bei meiner Entscheidung und fuhr weiter. Ganz war der Fototag aber noch nicht zu Ende. An der Straße 919 sah ich rechter Hand noch eine verlassene Hofstelle, die ich noch ausführlich ins Visier nahm. Kurz vor der Abzweigung zu meiner Unterkunft hielt ich noch ein letztes Mal an. Hier standen isolierte Gruppen von bizarr gewachsenen Birken. Sie umgab ein farbenprächtiges Meer an Zwerggehölzen, wie Preisel- und Moosbeeren, aber auch Heidelbeersträucher, Weiden und Eriken. Dieses Motiv hatte ich schon am ersten Tag gesehen, aber gewartet, bis das richtige Licht herrschte. Heute war es so weit. Das Weiß der Stämme leuchtete um die Wette mit dem goldgelben Laub. Am Rande bemerkt: Es fanden sich auch zahlreiche knackige Birken- und Steinpilze. Leider habe ich in meinem Domizil keine Küche, um sie mit Schinkenspeck zu einem leckeren Rührei zubereiten zu können.


    Die nachfolgenden Aufzeichnungen habe ich erst ein paar Tage später aus der Erinnerung und anhand der Fotos vorgenommen. Warum ! Irgendwie war ich durch das Wetter bedingt und durch Gedanken, die die häusliche und berufliche Situation wieder aufnahmen, antriebslos geworden, was mich von der abendlichen Routine abweichen ließ. Spannend ist, was alles haften geblieben ist.




  • Und nicht nur hier wird fleißig gelesen. Ich war zwischenzeitlich auch auf deiner Homepage und habe dort in den Bildern gewühlt und auch schon einen der älteren Reiseberichte gelesen.

    Der Bericht ist spannend geschrieben und die Bilder sind einfach Mega.